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(picture alliance) Golfen auf Kosten der Stromverbraucher: Im Johannesthaler Hof in Baden-Württemberg ist's möglich

Stromrabatte für Luxusbetriebe - Lärm statt kluger Politik

Wenn es darum geht, dem politischen Gegner eins auszuwischen, sind alle dabei. Übel wird es bei den Stromrabatten: Statt im Sinne der Verbraucher zu handeln und so die Stromrechnungen moderat zu halten, nutzen die Parteien das Thema für effektheischenden Streit im Vorwahlkampf

Wo gefertigt und rotiert wird, ist es meist ohrenbetäubend laut. Das weiß jeder, der schon einmal neben einer Turbine stand. In der Politik gilt meist das Gegenteil: Wo Effizienz am Werke ist, bleibt es ruhig. Stille ist der Schmierstoff der Macht. Mit zunehmender Distanz zum Herrschaftsbetrieb aber steigt auch der Lärmpegel an. Richtig ohrenbetäubend wird es dort, wo die Entfernung am größten ist: in der Opposition. Denn dort geht es nicht ums Regieren, sondern um das Erzeugen von Aufmerksamkeit.

Beim Thema Energiewende jedoch muss man dieser Tage den Eindruck gewinnen, dass es überall um Lautstärke geht und niemand so richtig regieren will. Nicht einmal Schwarz-Gelb.

Den Auftakt für das schrille Bühnenstück machte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. Am 22. November twitterte er: „Der erste Golfclub hat die (weitgehende) Befreiung von den Netzgebühren bekommen. Die anderen Verbraucher bezahlen das. Danke, Schwarzgelb.“ Kelber bezog sich dabei auf den Johannesthaler Hof im baden-württembergischen Königsbach-Stein.

Der Golfclub ist eines der Unternehmen, die sich einen Rabatt auf das Stromnetzentgelt haben gewähren lassen. Diese Ausnahmeregelung war eigentlich einmal für energieintensive Unternehmen vorgesehen. Für Aluminiumfabrikanten oder Betriebe der Metallurgie – Firmen also, die für eine Dauer von über 7.000 Stunden pro Jahr Strom im Umfang von mindestens 10 Gigawattstunden abnehmen. Man wollte verhindern, dass sie wegen der hohen Netzgebühren ins Ausland abwandern. Die Liste der Ausnahmen ist über die Jahre aber immer länger geworden.

Neben Johannisthal wollen sogar noch drei weitere Golfclubs wenig oder gar nichts für das Stromnetz zahlen. Auch sie haben Anträge auf Netzrabatte gestellt.

Kelbers Tweet war der Fehdehandschuh, den die FDP sogleich aufnahm. Der energiepolitische Sprecher der Liberalen, Klaus Breil, warf Kelber in einer Bundestagsrede Doppelzüngigkeit vor. Denn in dem Bonner Wahlkreis des Abgeordneten hätten auch eine Schule, ein Seniorenheim und der Caritasverband einen Antrag auf individuelle Netzentgelte gestellt. Ein Schelm, wer bei Breils Finte an die Partei der Besserverdienenden denkt, deren reiche Anhänger sich das günstige Golfen gern von der Allgemeinheit subventionieren lassen möchten.

Dumm nur: Kelber war während der Rede seines Kontrahenten gar nicht im Plenum. Der SPD-Politiker lästerte später in einem öffentlichen Brief, es sei „tragisch“, dass Breils aufgeschriebene Rede „wegen meiner Abwesenheit reichlich deplatziert wirkte“.

Kreil fühlte sich nun richtig provoziert. Er ließ sein Büro prüfen, wie man der SPD eins auswischen könne. Und tatsächlich fanden sie etwas: die sozialdemokratischen Medienbeteiligungen! Die FDP-Bundestagsfraktion schickte eine Pressemitteilung an alle Journalisten der Republik: „Wer im Verlagshaus sitzt, darf nicht auf Golfclubs zielen – Stromkunden finanzieren Einnahmen der SPD“.

Seite 2: Wie sich Trittin irrtümlich über eine „Marktmanipulation durch CDU und FDP“ aufregt

Der Angriff zielte auf die Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG), die im Eigentum der Sozialdemokraten ist. Die Gesellschaft ist zu 23,1 Prozent an der Mediengruppe Madsack beteiligt. Diese wiederum habe für ihre Druckereien individuelle Netzentgelte vereinbart, hieß es von der FDP. Außerdem seien zwei weitere Anträge von DDVG-Töchtern im Genehmigungsverfahren.

Während der SPD-Verlag dies auf Cicero-Online-Nachfrage bestritt, bestätigte die zuständige Bundesnetzagentur, dass der Rabattantrag der besagten Druckerei bereits genehmigt sei.

Kreil triumphierte: „Durch die Beteiligungen der Sozialdemokraten finanzieren die Stromkunden auch die Millioneneinnahmen der SPD aus ihren Medienbeteiligungen – ob sie wollen oder nicht!“

Wer nun glaubt, nur Liberale und Sozialdemokraten könnten streiten, irrt. Schon im Oktober bezeichnete der grüne Fraktionschef Jürgen Trittin das Erneuerbare-Energien-Gesetz als „Subventionsmaschinerie für Banken und Agrarindustrie“. Gäbe es diese „Marktmanipulation durch CDU und FDP“ nicht, könne die EEG-Umlage um einen Cent niedriger liegen.

Es hätte eine schöne Attacke werden können. Doch schon einen Tag später entlarvte die Stuttgarter Zeitung Trittins Aussage als Irrtum. Denn auf der Liste der 734 Unternehmen, die von der EEG-Umlage teilweise befreit sind, befindet sich keine Bank. Das Bundestagsbüro räumte den Fehler ein: „Herr Trittin hat aus der Berichterstattung im ersten Halbjahr dieses Jahres übernommen“, dass Rechenzentren von Banken von der EEG-Umlage befreit seien. „Dies trifft nicht zu. Dies ist uns leider erst durch Nachfragen und eigene Recherchen aufgefallen.“

Trittin hat das EEG als Bundesumweltminister im Jahr 2000 selbst mit verantwortet. Der Fall zeigt, wie sehr auch ein Ex-Minister in seinem Fachgebiet von falschen Medienberichten herumgetrieben werden kann. Trittin hätte nur die Sachverhalte richtig trennen müssen: Dass es nämlich zwei Rabattsysteme gibt – einmal für die EEG-Umlage und einmal für die Stromnetzentgelte. Beide Ausnahmeregelungen werden auf die Endverbraucher abgewälzt.

Und siehe da: Schaut man auf die zweite Liste der Stromnetzentgelte, um die sich auch Breil und Kelber stritten, hat Trittin irgendwie auch wieder Recht. Denn dort stehen neben den Golfclubs auch Banken. Dem ersten Rabattantrag von der Sparda Bank Nürnberg wurde nach Angaben der Bundesnetzagentur bereits am 10. Oktober stattgegeben. Ebenfalls genehmigt worden sei der Antrag der Volks- und Raiffeisenbank Mainz-Kinzig-Büdingen. Außerdem bitten um eine Ausnahme: die Raiffeisenbank Grimma, die Volksbank Heuchelheim, die Volks- und Raiffeisenbank HessenLand und die Westdeutschen Spielbanken.

Kurzum, die Stromendverbraucher subventionieren über diverse Umlagesysteme Golfplätze, Druckereien und Banken. Hier gäbe es für die Politik also viele Gelegenheiten für effizientes Arbeiten: und zwar so, dass beide Rabattlisten auf das Nötigste eingedampft werden. Damit ließen sich langfristig auch die steigenden Strompreise deckeln. Aber das wäre ja zu mühsam.

Stattdessen macht man allerorten Lärm – und schlägt mit populistischen Phrasen, Golfschlägern oder Zeitungen um sich.

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