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(picture alliance) Kämpfer für das Konservative: Der hessische CDU-Fraktionschef Christean Wagner

Christean Wagner - Konservativer Kritiker auf verlorenem Posten

Christean Wagner leitete jahrelang mit verbaler Kriegsführung den „Kampfverband“ der hessischen CDU. Doch der Fraktionsvorsitzende hat sich verzockt: Die nächste Landtagswahl in Hessen wird Wagner wohl das politische Aus bescheren.

Christean Wagner ist weiser geworden mit den Jahren. Einst lieferte der CDU-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag mit großer Zuverlässigkeit kernige Zitate, die ihm die Schlagzeilen der Presse und die Empörung des politischen Gegners sicherten. Damit fiel Wagner sogar im selbst ernannten Kampfverband der hessischen CDU auf. Dieser hatte sich unter Alfred Dregger angewöhnt, im roten Hessen Politik auch als verbale Kriegsführung zu betreiben.

Er werde den „härtesten Strafvollzug Deutschlands“ praktizieren, wenn er Justizminister werden sollte, kündigte Wagner im Wahlkampf 1999 an. Er wurde Justizminister und ließ Taten folgen. Vieles blieb allerdings Ankündigung, doch der Duktus ist noch in Erinnerung: Kleinkriminelle wollte er hart bestrafen und Ausländer sofort abschieben, wenn sie Deutsche beleidigten. Im Jahr 2005 sprach sich Wagner sogar dafür aus, elektronische Fußfesseln für die Kontrolle von Arbeitslosen einzusetzen.

Heute agiert Wagner, der im persönlichen Gespräch sehr gewinnend auftreten kann, zurückhaltender. Mag sein, dass es mit dem Alter zu tun hat. Der 1943 in Königsberg in Ostpreußen geborene Jurist sieht dem Ende seiner politischen Laufbahn entgegen; bei der nächsten Landtagswahl 2013 wird für ihn wohl Schluss sein. Wichtiger noch könnten die traumatischen Erfahrungen des Jahres 2008 sein. Wagner, der 2005 aus dem Justizministerium in Wiesbaden an die Fraktionsspitze gewechselt war, hatte für seine Partei das Ziel ausgegeben, bei der Landtagswahl die absolute Mehrheit zu verteidigen. Es kam bekanntlich anders; gegen Andrea Ypsilanti erlitt die Regierung von Roland Koch eine demütigende Niederlage, die nur unter tollpatschiger Mithilfe der SPD in einen knappen Sieg bei Neuwahlen gewendet werden konnte.

Seither schreibt Christean Wagner. Nicht gleich ein ganzes Buch wie sein ehemaliger Weggefährte Koch, nur längere Besinnungsaufsätze für überregionale Zeitungen, jedes Jahr einen, zuletzt in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das Thema ist bei Koch und Wagner das gleiche: Es geht darum, die CDU daran zu erinnern, ihre konservativen Wurzeln nicht zu vergessen.

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Wer Wagners jüngsten Beitrag aufmerksam liest, bemerkt schnell, dass der Autor präzise und eloquent Schwächen und Fehler der CDU-Politik diagnostiziert. Abschaffung der Wehrpflicht, Forderungen nach einer Frauenquote in Unternehmen, Ausstieg aus der Kernenergie und Euro-Rettungsfonds sind nur einige der Entwicklungen, die ihm missfallen, weil sie seiner Meinung nach das Profil der Union gefährden und wichtige Teile der Wählerschaft verprellen.

Wagners Vorschläge für eine programmatische Erneuerung sind jedoch überaus vage. Er beschwört die Eigenverantwortung des Bürgers, soziale Marktwirtschaft, Christentum und Nation, Heimat und Familie. Wie diese mehr oder weniger abstrakten Traditionen und Wertvorstellungen auf die konkreten Herausforderungen der Gegenwart angewendet werden könnten, führt Wagner nicht aus. Es ist ein Unbehagen an den dramatisch beschleunigten Zeitläuften, das er artikuliert. Beschwörung des Alten und Warnung vor Experimenten, für viel mehr reicht es bei ihm nicht.

Vielleicht will Wagner auch gar nicht mehr. Vielleicht freut er sich über das kleine Echo, das seine Essays bei Kommentatoren und politischen Gegnern finden. Die analysieren dann genau, was als Kritik an Merkel zu verstehen sein könnte. Und sie fragen sich, für wen Wagner spricht. Nur für sich oder doch auch für seinen Chef, den hessischen Ministerpräsidenten, der seit August vorigen Jahres Volker Bouffier heißt?

Das kann Bouffier gar nicht gefallen, und es könnte durchaus sein, dass Wagner genau das Freude bereitet. Denn dem bei allem Charme stets auf Distanz achtenden Wagner ist der Kurs des leutseligen Ministerpräsidenten, der Politik in Kumpelmanier betreibt, zu lasch. Bouffier pflegt zwar in Interviews den konservativen Markenkern, in der politischen Praxis hat er sich jedoch längst auf ein Durchwursteln nach Merkel’schem Vorbild verlegt. Manche Beobachter in Wiesbaden meinen sogar, dass Bouffier auf ein Bündnis mit den Grünen nach der Wahl 2013 hinarbeitet.

Als Erwin Teufel unlängst mit Kritik am Führungsstil von Angela Merkel hervorgetreten ist, da unterstützte ihn Wagner und forderte einen Parteitag zu Grundsatzfragen. Bouffier dagegen schlug sich auf die Seite der Kanzlerin. Merkel wird das genau registriert haben. Vor Wagner muss sie sich nicht fürchten, schon weil er die Parteidisziplin stets gewahrt hat, wenn es darauf ankam. Vor allem aber fehlt es ihm am Rückhalt schon in der eigenen Fraktion. Sein Konservatismus kommt den meisten jüngeren Landtagsabgeordneten vorgestrig vor. Und Wagner ist zu intelligent und zu wach, um das nicht zu registrieren. Er steht für ein Milieu, das in den vergangenen zwei Jahrzehnten innerhalb der CDU dramatisch an Einfluss verloren hat, weil es selbst auch stark geschrumpft ist. Diesem Milieu gibt Wagner noch einmal eine Stimme. Mehr kann er nicht mehr tun.

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