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Best Of Koalitionsvertrag - Die trojanischen Kühe der GroKo

Es war ein zähes Ringen. Doch er wurde schließlich unterzeichnet – der Koalitionsvertrag. Alexander Marguier hat die zehn schönsten Passagen für Sie herausgearbeitet

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Sigmar Gabriel ist es zu verdanken, dass der Koalitionsvertrag neben dem neuen Thriller von Stephen King zum Lese-Hit dieses Herbstes wurde. Denn ich gehe mal davon aus, dass inzwischen nicht nur sämtliche 470.000 SPD-Mitglieder in dem 185-Seiten-Dokument geschmökert haben, sondern auch alle Anhänger der politischen Konkurrenz. Die dürfen zwar nicht darüber abstimmen, aber mitreden können möchte man halt schon. Zumal der Titel „Deutschlands Zukunft gestalten“ auch noch klingt wie ein Bestseller von Richard David Precht. Sollte Ihnen jedoch die Muße für dieses Lektüreerlebnis gefehlt haben, möchte ich Ihnen hier meine zehn Lieblingspassagen vorstellen. Viel Vergnügen!

1. „Wir treten für eine lebenswerte Heimat und gute Zukunftsperspektiven überall in Deutschland ein – in der Stadt und auf dem Land.“ (Seite 10)

Das klingt schon mal ungemein beruhigend. Offenbar konnten sich die Satanisten nicht durchsetzen.

2. „Der Tourismus in Deutschland ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der vielen Menschen Beschäftigung gibt, gerade auch in ländlichen Regionen. Dazu benötigt der Tourismus ein gutes Preis-Leistungsverhältnis, Qualität und Freundlichkeit im Service und weitere Anstrengungen mit Blick auf die Barrierefreiheit.“ (Seite 24)

Schön, dass CDU, CSU und SPD endlich etwas gegen freche und unfähige Kellner unternehmen wollen. Andererseits verliert die Stadt Berlin dann viel von ihrem Lokalkolorit.

3. „Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit müssen Markenzeichen der Bahn sein.“ (Seite 42)

Echt? Ich dachte, das Markenzeichen der Bahn sind die leckeren Eintopfgerichte von Horst Lichter?

4. „Die Entwicklung auf dem Fernbusmarkt beobachten wir aufmerksam auch mit Blick auf die Auswirkungen auf den Schienenverkehr, die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards und die Sicherheit.“ (Seite 44)

Hier bahnt sich ein neues Berufsbild an: Fernbusmarktentwicklungsbeobachter. Wir erwarten ein abgeschlossenes Hochschulstudium.

5. „Neben der Klärung der rechtlichen Fragen möchten wir die Etablierung heterogener, frei vernetzter und lokaler Communities und ihrer Infrastrukturen forcieren. Durch die Förderung dieser sowie von Ad-hoc-Netzwerken im Rahmen der F&E-Strategie sollen lokale, dezentrale Netzwerke unterstützt werden, die eine komplementäre Infrastruktur für einen fest definierten Nutzerkreis umfassen.“ (Seite 48)

Und zur Klärung der inhaltlichen Aussagen möchten wir die Etablierung eines verständlichen Vokabulars für angestrebtes Regierungshandeln forcieren. Der Nutzerkreis wird es danken!

6. „Wir werden Gewalt an Frauen und Kinder konsequent bekämpfen und Schutz und Hilfe für alle Betroffenen gewährleisten.“ (Seite 104)

Ausweitung der Kampfzone. Aber hätten Frauen und Kinder nicht mehr davon, wenn man Gewalt gegen sie bekämpfte anstatt an ihnen?

7. „Wir entwickeln die Kreislaufwirtschaft zu einem effizienten Instrument einer nachhaltigen Stoffstromwirtschaft. Wir schaffen rechtliche Grundlagen zur Einführung der gemeinsamen haushaltsnahen Wertstofferfassung für Verpackungen und andere Wertstoffe.“ (Seite 119)

Effizienz und Nachhaltigkeit sind immer prima, die Stoffstromwirtschaft sollte sich freuen! Apropos: Was war Stoffstromwirtschaft noch gleich? Klingt so, als hätte es etwas mit Pfandflaschen und leeren Joghurtbechern zu tun. Umso besser!

8. „Die Koalition sorgt gemeinsam mit anderen Staaten für einen besseren Vogelschutz entlang der Zugrouten.“ (Seite 119)

Endlich ein beherztes Eintreten der Großen Koalition auch zugunsten von Fremdvögeln!

9. „Wir würdigen die Leistungen der Land- und Ernährungswirtschaft in Deutschland für die Sicherung einer gesunden Ernährung und den Erhalt vielfältiger Kulturlandschaften.“ (Seite 121)

Kultur als Staatsziel nimmt den Umweg über den Magen. Egal, Hauptsache, es schmeckt!

10. „Die deutschen Milcherzeuger leisten einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung in ländlichen Räumen und zum Erhalt der Kulturlandschaft.“ (Seite 122)

Noch mehr Kultur, dabei ist das doch Ländersache. Oder ist die Kuh womöglich das trojanische Pferd der Föderalismuskommission? Und wo bleibt die Würdigung der Imker in einem Land, wo Milch und Honig fließen sollen?

Mein Fazit: Ich würdige die Leistung der Koalitionäre bei einer möglichst vollumfänglichen, effizienten und nachhaltigen  Bestandsaufnahme von Problemen und Chancen in deutschen Städten und ländlichen Räumen. Manches bleibt ein wenig lückenhaft, aber der Wille ist vorhanden. Im Sinne der Stoffstromwirtschaft und der kulturellen Landschaftspflege stimme ich dem Vertrag zu. Und jetzt wird regiert.

 

 

 

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