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Iran bleibt auf Anti-Israelkurs - Diplomaten-Sigmar abgeblitzt

Kolumne: Leicht gesagt. Vizekanzler Sigmar Gabriel war auf großer Handelsfahrt – und wollte nebenher ein bisschen Diplomatie spielen. Doch außenpolitisch ist er in Iran abgeblitzt, anti-israelische Tiraden riefen ihm höchste Diplomaten noch hinterher

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Wandel durch Handel, das sagt sich leicht für Sozialdemokraten. Doch Sigmar Gabriels Reise nach Iran hat gezeigt, wie der alte Reim in der Realität nicht aufgeht.

Zur Abreise des deutschen Wirtschaftsministers hat die Teheraner Regierung das noch einmal brutal offen klar gestellt. Soll Gabriel fordern, was er will: Iran denkt gar nicht an einen Kurswechsel in der Nahost-Politik. „Unsere Politik in der Region wird sich genauso wenig ändern wie unsere Beziehung zu unseren Verbündeten“, sagte der stellvertretende Außenminister Abbas Araghchi.

Ausbuchstabiert heißt das: Iran wird weiter im syrischen Bürgerkrieg das Regime Assads unterstützen. Es wird unbeirrt den schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen helfen, wie die jemenitische Exil-Regierung verzweifelt beklagt. Teheran wird Hauptsponsor der libanesischen Hisbollah bleiben wie wohl auch der als Terrororganisationen eingestuften Palästinensergruppen Islamischer Dschihad und Hamas.

Der iranische Spitzendiplomat rief dem abgereisten Gabriel sozusagen hinterher: Vergiss es! Wir werden unseren Erzfeind Israel nie als souveränen Staat anerkennen. Mehr noch: Dessen aktiven Feinden bleiben wir verbunden. Ihr, werte Deutsche, könnt mit uns Handel treiben – aber verlangt keine diplomatischen Zugeständnisse!

Genau das hatte der SPD-Vorsitzende zum Auftakt seiner Iran-Reise mit großen Worten getan: „Für Deutschland muss klar sein: Wer immer mit uns nachhaltige Beziehungen hat, der kann nicht das Existenzrecht Israels politisch infrage stellen.“

Iran stellt das seit 1980 infrage; und lässt sich durch Gabriels vermeintliches Junktim in keiner Weise einschüchtern: „Wir haben im Nahen Osten eine vollkommen andere Politik als Deutschland und haben die in den letzten 35 Jahren auch mehrmals klar artikuliert“, sagte schon an Gabriels erstem Besuchstag eine iranische Außenamtssprecherin in der heimischen Nachrichtenagentur ISNA. Iran betrachte Israel als Bedrohung im Nahen Osten und Wurzel der Krisen in der Region. Außerdem gehe es bei Gabriels Reise auch mehr um die Ausdehnung der bilateralen Beziehungen und beidseitiger Interessen.

Die deutsche Wirtschaft jubelt
 

Mit anderen Worten: Minister, bleib´ bei deinen Leisten! Kümmere dich um das deutsch-iranische Geschäft. Gabriel konnte mit dieser schroffen Begrüßung rechnen. Die Regierung in Teheran glaubt, sich diesen Affront leisten zu können. Denn sie weiß, was auch Gabriel weiß und was der eigentliche Grund seiner Reise war: Iran ohne Sanktionen – das begeistert die deutsche Wirtschaft.

Vor allem ihr will der deutsche Wirtschaftsminister gefallen. Dafür war sein Auftritt perfekt: Als erstes deutsches Regierungsmitglied seit 13 Jahren war er in Iran unterwegs. Um den Boden für Geschäfte zu bereiten; Boden, der seit Beginn der Sanktionen vor zwölf Jahren brach liegt und nach Wirtschaftskontakt geradezu dürstet.

Gabriel war in Iran als erster Großer aus dem Westen überhaupt unterwegs. Und das unmittelbar nachdem die iranische Regierung mit den fünf Veto-Mächten und Deutschland in Wien den sogenannten Atom-Deal unterzeichnet hat, dessen Abmachung lautet: Teheran baut keine Atombombe, dafür werden die Sanktionen weitgehend aufgehoben.

Israel hat auf dieses Ankommen äußerst scharf reagiert und fühlt sich dadurch bedroht. Das Ende der Sanktionen sei ein fataler Fehler. Denn dadurch werde Iran nun sehr schnell zu sehr viel Geld kommen. Es heißt, dass Iran wegen der Sanktionen Ausfälle von etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr hatte. Den kommenden möglichen Reichtum könne und werde das Mullah-Regime nutzen, um die Feinde Israels konventionell aufzurüsten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagt: „Die Iraner versuchen gar nicht, die Tatsache zu verstecken, dass sie die Hunderten von Milliarden, die sie mit diesem Abkommen bekommen werden, zur Finanzierung ihrer Terrormaschinerie missbrauchen werden.“

So gesehen trägt Deutschland indirekt zur Bedrohung Israels bei. Obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verteidigung des Existenzrechts Israels zu Beginn ihrer Amtszeit zur deutschen Staatsräson erhoben hat. Jetzt gräbt ihr Wirtschaftsminister als erster für große Geschäfte mit jenem Land, dessen vormaliger Präsident ein Holocaust-Leugner war. Von Ahmadinedschads Lügen hat sich die jetzige Regierung zwar distanziert. Dennoch verweigert sie hartnäckig die Anerkennung des Nachbarstaats Israel.

Ein Dilemma für Deutschland. Deshalb gab Gabriel sich als Vermittler. Sein Diplomatie-Versuch diente einzig den deutsch-israelischen Beziehungen, nicht den iranisch-israelischen. Es war nur eine symbolische Besänftigung Jerusalems – mehr nicht. Ja, ja, wir haben´s angesprochen. Und Menschenrechte auch...

Deutsche Exporte wachsen
 

Vom eigentlichen Ziel seines lange geplanten und nun so punktgenauen Iran-Besuchs hat das den Bundeswirtschaftsminister nicht abhalten können. „Wir freuen uns auf die Intensivierung unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit“, sagte Gabriel in Iran – und die mitreisende deutsche Wirtschaftsdelegation applaudierte. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags ist auch dabei, und hat allerbeste Zahlen im Gepäck, die sein DIHK ausgerechnet hat: Die deutschen Exporte nach Iran könnten auf zehn Milliarden Euro pro Jahr wachsen. Derzeit sind es 2,4 Milliarden.

Bei einer möglichen Vervierfachung des Exports wird sich der deutsche Wirtschaftsminister gründlich überlegen, ob er seinen eigenen Worten nun treu bleibt. Ob er „nachhaltige Beziehungen“ Irans tatsächlich ablehnt wegen der altbekannten Haltung seiner Gastgeber zu Israel.

Ist Handel durch Wandel dennoch möglich? In der Union wird das bezweifelt. „Die ablehnende Reaktion des iranischen Außenministers auf Sigmar Gabriels Vorschläge zur Aussöhnung zeigt eindrücklich, wie weit der Weg noch zu gehen ist“, sagt der JU-Vorsitzende Paul Ziemiak, der zeitgleich zu Gabriels Iran-Reise Israels Knesset besucht hat, wo er die jüdische  Sorgen unmittelbar erfuhr. „Dass wenige Tage nach der Atom-Einigung unser Bundeswirtschaftsminister die Geschäftsmöglichkeiten deutscher Unternehmen ausloten möchte, ist insgesamt ein gefährliches Signal in die Region. Erstes Ziel des Abkommens war die Sicherheit Israels und des gesamten Nahen und Mittleren Ostens vor einer iranischen Atombombe und nicht wirtschaftliche Wachstumschancen durch die Lockerung der Sanktionen.“ Jungpolitiker wie Ziemiak mögen noch an Ideale glauben. Gabriel ist Realpolitiker.

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