Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
Ahmed Alsoudani/Courtesy Gladstone Gallery, New York and Brussels

Cicero im Februar - Die Prophezeiung

In Paris bringen Islamisten den Terror, in Dresden Islamgegner den Protest auf die Straßen: Ist das der „Kampf der Kulturen“, den Samuel P. Huntington einst beschwor? In der Februar-Ausgabe begibt sich das Magazin Cicero auf die Spuren des legendären Politikwissenschaftlers

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

So erreichen Sie Christoph Schwennicke:

Das Buch stand schon in zweiter Reihe. Bei Geschichte. Hinter Winkler, Münkler, Clark. Aus dem hinteren Winkel im Regal habe ich es wieder herausgezogen. Das weiße Cover ist etwas vergilbt nach fast 20 Jahren. „Kampf der Kulturen“ leuchtet noch rot unter dem Namenszug des Autors. Verwaschen, unscharf, verschwommen dazu der Originaltitel „The Clash of Civilizations“. 1996 kam es auf den Markt. In meinem Exemplar steht „5. Auflage 1997“, der Verlag kam mit dem Druck kaum nach.

Samuel P. Huntington hat mich damals gefesselt. Empört und gefesselt. Überall künden in meinem Exemplar wilde Bleistift­striche, Fragezeichen, Ausrufe­zeichen von dieser Empörung zu jener Zeit. Auf Seite 79 steht daneben, doppelt unterstrichen: „Schwachsinn!“ Es ist die Passage, in der Huntington beschreibt, dass es sehr wohl ein paar junge Männer in Jeans geben könnte, die Cola trinken, Big Macs essen und Rap hören, „aber zwischen Verbeugungen in Richtung Mekka eine Bombe basteln, um ein ame­rika­nisches Flugzeug in die Luft zu jagen“.

Was habe ich mich aufgeregt damals! Was ist Huntington angefeindet worden! Schon nach dem 11. September 2001 gab es Anlass, darüber nachzudenken, ob Huntingtons Erklärung nicht einfach stimmte. Ob wir nur nicht hören wollten, was er sagte, weil der Befund so bitter ist. Dass Konflikte dort entstehen, wo große, religiös geprägte Weltkulturen aufeinanderprallen – und dass der Islam „an seinen Rändern blutig“ sei. Nach den Attentaten von Paris und den Massenmorden der Boko Haram in Nigeria zeigt sich für mich: Huntington hatte recht, und meine Bleistiftempörungen waren zwar emo­tional nachvollziehbar, aber borniert.

Ein Buch und seine Wirkung: Cicero-Chefreporter Constantin Magnis hat sich auf die Spuren von Huntingtons Werk gemacht, hat mit Weggefährten über den Autor und die Debatten um das Buch gesprochen.

Auch im zweiten Text unseres Titelkomplexes geht es um ein Buch und seine Wirkung: Bruno Schirra, als Geheim­dienstexperte ein vertrauter Name in Cicero, schildert, wie gefährlich der Dschihad in Europa wirklich ist. Weil Fanatiker ein Buch, in dem Fall den Koran, zu wörtlich nehmen.

Die digitale Ausgabe des Magazins für politische Kultur erhalten Sie ab Donnerstag, den 29. Januar, am Kiosk oder in unserem Online-Shop. Die digitale Ausgabe von Cicero können Sie als iPad-App, für Android oder Kindle in unserem Online-Kiosk erwerben.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.