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Hans-Olaf Henkels Rücktritt - Die AfD verlässt die Eurozone

Mit Hans-Olaf Henkel verlässt der letzte Liberale die Parteispitze. Für Lucke wird die Luft jetzt immer dünner. Ein Kommentar

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Timo Stein lebt und schreibt in Berlin. Er war von 2011 bis 2016 Redakteur bei Cicero.

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Angefangen hat das Ende im vergangenen Oktober. Hans-Olaf Henkel wütete gegen die Parteibasis und gestand offen, sich für so manche Aussagen auf Parteiveranstaltungen in Grund und Boden zu schämen. Man musste kein Prophet sein, um zu ahnen, dass der wirtschaftsliberale Henkel, bekannt für eine hanseatische Gradlinigkeit, mittelfristig vom unberechenbaren Wesen der jungen Partei genug haben und Lebwohl sagen würde. Ein halbes Jahr und etliche Personal- und Richtungsstreitigkeiten später erklärt Henkel schließlich seinen Rücktritt vom Posten als AfD-Vize.

Die Begründung: Henkel sehe die Gefahr, dass die Partei von „Rechtsideologen“ übernommen wird. Zum Rücktritt beigetragen haben, dürften die jüngsten Aussagen des brandenburgischen AfD-Chefs Alexander Gauland, der die Partei vor zu viel Bürgerlichkeit warnte und von einer Partei jener kleinen Leute schwärmte, „die eben kein Asylbewerberheim neben sich haben wollen“. Gauland trat zum wiederholten Male die Pegida-Tür sperrangelweit auf. Henkels rote Linie. „Heute muss selbst der verbohrteste Rechtsaußen in der AfD erkennen, was das für Leute sind“, ließ er Gauland und den rechtskonservativen Flügel wissen.

Henkels Exit-Strategie könnte nun zu einer Art Grexit der AfD werden. Mit dem Rücktritt Henkels, dem Hexit, marginalisiert die AfD weiter ihre anfängliche Akzentuierung auf Euro und volkswirtschaftliche Aspekte, schreitet voran beim Verlassen der hauseigenen Eurozone. Die neue Parteiwährung wurde längst im Osten geschmiedet. Sie heißt: Totale Konfrontation in Sachen Zuwanderung, Asyl, Islam, Gender und Anschlussfähigkeit in Sachen Pegida.

Henkels Kapitulation ist insofern ein deutliches Signal, dass es thematisch kein zurück hinter Alexander Gauland und Frauke Petry gibt, die ihren nationalkonservativen Kurs bereits im Felde erfolgreich erprobt haben. In Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sehen sie das Muster für die inhaltliche Aufstellung der ganzen Partei. Jetzt rächen sich für Lucke und den Euroflügel die thematischen Leerstellen, die die AfD bundespolitisch auf dem Papier zumindest bis heute kennzeichnen. Die Ost-AfD hat längst Tatsachen geschaffen.

Es wird kein Zurück geben hinter die Querfrontstrategie eines Gauland, hinter die Idee Petrys einer konservativen Kulturrevolution, hinter die neurechte Argumentation eines Björn Höcke. Nicht sie sind, sondern Lucke ist nun Einzelfall. Der Richtungskampf scheint entschieden. Parteichef Lucke steht zunehmend an der Spitze einer Bewegung, die ihm nicht mehr bedingungslos folgt.

Mit Henkel verliert der Euroflügel um „lonesome Lucke“ nicht nur einen Verbündeten im Kampf um die thematische Ausrichtung, sondern die Schnittstelle zu bürgerlichen Wählerschichten. Mehr noch: Es geht das latente (und bis heute einzulösende) Versprechen, doch noch irgendwie liberal zu sein.

Die Partei, die für sich Ideologiefreiheit beansprucht und ihre Politik nach dem gesunden Menschenverstand ausrichtet, ist längst Sammelbecken identitätssuchender Vollblutideologen. Der permanente Rekurs auf ‚das Volk‘, verstanden als abgrenzende Identitätssuche, als Wir-gegen-die – „Altparteien“, „Wirtschaftsflüchtlinge“, Nichtabendländer, Politisch Korrekte – ist festes Charakteristikum und richtet sich längst auch gegen jene, die dieses Spiel einst ins Leben riefen – gegen die Parteielite.

Zwei Monate vor dem richtungsweisenden AfD-Parteitag wird nach dem Henkel-Aus für Bernd Lucke die Luft immer dünner. In einer Email warnt er nun die Mitglieder vor einer verstärkten Einflussnahme der so genannten Neuen Rechten auf die AfD. Alexander Gauland sieht das naturgemäß anders: Lucke spalte die Partei, sagt er jetzt dem Handelsblatt. Nach dem Abgang Henkels scheint der Weg frei für einen Königsmord.

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