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Griechenland-Krise - Die Politik wütet, das Volk bleibt cool

Kolumne: Leicht gesagt: Immer mehr Politiker in Brüssel und Berlin schimpfen offen über Griechenland. Sie glauben, das wolle das Volk hören. Doch dort ist die Stimmung weiser geworden. Europa wird die Griechen nicht fallenlassen, sondern kann Athen lässig verachten

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Oje, es sagt sich wirklich nicht mehr leicht: Griechenland muss gerettet werden! Die Regierung in Athen scheint doch nicht das zu sein, was noch vor Wochen im Kanzleramt heimlich gehofft wurde: eine Art Schröder-Lafontaine-2.0. Der im Kern eigentlich pragmatisch machtinteressierte Regierungschef Tsipras, der alsbald seinen ideologisch hartleibigen Finanzminister aus dem Amt ekelt.

Diese Hoffnung erklärte den Langmut nicht nur der Kanzlerin, sondern auch den des Europa-Parlamentspräsidenten Martin Schulz wie den des Kommissionschefs Jean-Claude Juncker. Doch derzeit ist kein Riss mehr erkennbar, der zu einer Abspaltung der Kommunisten aus der Syriza-Partei führen könnte. Dort herrscht, so heißt es in Berlin und Brüssel, tatsächlich ein Duo infernale.

Auf Enttäuschung folgt Wut
 

Wie das immer ist bei vertaner Liebesmüh, folgt nun auf Enttäuschung die Wut. Merkel-treuste CDU/CSU-Manager schließen den Grexit nicht mehr aus. Der Tsipras-Umarmer Juncker bricht Gespräche ab. Dem Tsipras-Schulterklopfer Schulz gehen inzwischen die Griechen „gewaltig auf die Nerven“. Zu Recht, wird da die Mehrheit in Deutschland sagen.

Deshalb ist nun auch Vizekanzler Sigmar Gabriel verbal ins Lager der Griechen-Nicht-Versteher gewechselt. Wörtlich fackelt er in der Bild-Zeitung, deren Leser er wohl für besonders leicht entzündbar hält: „Wir werden nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen.“ Wumm!

Doch eines erstaunt. War das Volk nicht schon lodernder in seiner Empörung als es jetzt auf dem Höhepunkt griechischer Dreistheit ist? Wollte es die Griechen nicht schon viel energischer aus dem Euro-Raum werfen als Tsipras noch ein krakeelendes Oppositionsfrüchtchen war und Varoufakis niemand kannte? Als in Deutschland Professoren eine Partei gründeten, die sie stolz „Euro-Gegner“ nennen ließen?

Heute errechnen manche Ökonomen, dass es vielleicht besser, zumindest billiger gewesen wäre, wenn man Griechenland damals hätte Pleite gehen lassen. Andere sagen, gottlob habe die Politik da nicht auf ihr Volk gehört. Denn dann wären Zypern, Portugal, Spanien, Irland gleich mitgerissen worden und der Euro samt EU eingestürzt.

Antisemiten und Antikapitalisten erpressen Europa
 

Heute – das sagen alle – sei dieser Mitriss unwahrscheinlich. Wir könnten uns demnach, rein Euro-statisch sozusagen, den Grexit leisten. Und dennoch scheint die Stimmung milder zu sein, zumindest noch. Besser gesagt: weiser. Und das dem theatralischen Donnerwetter der bisherigen Griechenland-Verteidiger zum Trotz. Die Athener Regierung wird verachtet, ganz klar. Kaum ein Ernstzunehmender kann eine Koalition ernst nehmen, in der ausgewiesene Antikapitalisten und Linksaußen im Bunde mit ausgewiesenen Antisemiten und Rechtsaußen unablässig versuchen, ganz Europa zu erpressen.

Denn genau das macht die Regierung Tsipras-Kammenos. Sie hat zwei fundamental gegensätzliche Forderungen: Griechenland bleibt im Euro. Und: Griechenland zahlt seine Schulden nicht zurück! Mehr noch: Griechenland akzeptiert auch keine Reformvorschläge, kürzt weder Sozialausgaben – was die Linksaußen nicht wollen – noch Rüstungsprojekte – was die Rechtsaußen nicht wollen.

Und nun? Warum lässt Europa diese griechischen Gaukler nicht endlich von ihrem völlig überspannten Hochseil stürzen, indem sie es einfach kappt? Weil den Schaden dann das ganze EU-Zelt hätte. Das selbstzerstörte Griechenland würde ein weit krasserer Sozialfall der EU als bisher. Denn es bliebe ja Mitglied der Gemeinschaft, übrigens auch der Nato. Alle Hilfe würde dann für wertlose und gleichermaßen verweigerte Drachme fließen. Bessern würde sich nichts.

Tragischerweise wissen eben genau das die Regierenden in Athen – und werden dafür von anderen Krisenstaaten des puren Zynismus bezichtigt. Spanien, das mit enormer Kraft den Rettungsschirm losgeworden ist, haftet mit 26 Milliarden Euro für die Reformverweigerer in Athen – so oder so.

Am Ende wird die Weisheit der EU-Völker und ihrer Regierenden über allen berechtigten Zorn siegen. Griechenland wird bald sichtbar in seinem Seil hängen ohne Reformen. Doch um Europas Wirtschaft wirklich zu lähmen, ist es zu klein. Zu unbedeutend mit zwei Prozent Wirtschaftskraft der gesamten EU – Tendenz sinkend, solange diese Regierung bestimmt. Das werden irgendwann auch die Griechen kapieren. Ökonomische Stümper regieren in Demokratien nie allzu lang.

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