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Griechenland-Rettung - Merkels Schmach

Jeder fünfte Abgeordnete von CDU und CSU hat der Kanzlerin am Mittwoch im Bundestag die Gefolgschaft verweigert. Das ist ein gefährliches Zeichen erodierender Macht.

Autoreninfo

Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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An dieser Stelle hat mein Kollege Christoph Seils über die Abstimmung zum dritten Hilfspaket für Griechenland geschrieben, es handle sich dabei um einen Triumph der Kanzlerin. Sie habe den griechischen Premier Alexis Tsipras zur Einsicht in Reformen gezwungen, ihre europäischen Kollegen von ihrem Kurs überzeugt und nun die Zustimmung des Parlaments für ihre Politik bekommen.

Einspruch, Euer Ehren!

Dieses Abstimmungsergebnis im Bundestag ist kein Triumph Merkels. Es ist vielmehr eine Schmach. Merkels Schmach. Es ist ein Ausweis erodierender Macht in den eigenen Reihen. Wenn aus vier Gegnern in der CDU/CSU-Fraktion beim ersten Hilfspaket nun 66 geworden sind, dann kann von einem Triumph Angela Merkels nicht ernsthaft die Rede sein.

Denn was bedeutet die Zahl 66? Jeder fünfte Unionsabgeordneten verweigert der Kanzlerin in einer Schlüsselfrage ihrer Amtsgeschäfte die Gefolgschaft. Das ist kein Schönheitsfehler. Das ist eine Niederlage.

Verzicht auf Vertrauensfrage
 

Da hilft auch nicht der Hinweis, dass Merkel darauf verzichtet habe, zum Mittel ihres Vorgängers zu greifen, darauf verzichtet habe, die Abstimmung in der Sache mit der Vertrauensfrage zu verknüpfen. Hätte sie machen können, ja, dann wäre es auch mit einiger Sicherheit zu einem etwas anderen, aus ihrer Sicht erfreulicheren Ergebnis gekommen. Aber so bleibt stehen: Eine starke Minderheit in der eigenen Fraktion trägt die Politik ihrer Kanzlerin nicht mit.

Punkt.

Wir Beobachter des politischen Geschehens tun gut daran, uns nicht die Sinne vernebeln zu lassen. Und das passiert dann, wenn man dieses Ergebnis zu Merkels Gunsten schön redet.

Ganz ähnlich wurde auch einmal das Agieren ihres Vorgängers schöngeredet. Nachdem Gerhard Schröder mit seinen Vertrauensfragen nicht mehr weiter kam, musste er 2004 den SPD-Vorsitz abgeben, weil ihm seine eigenen Genossen in großer Zahl die Gefolgschaft bei der Agenda 2010 verweigerten. Es war eine Notmaßnahme, ein Sandsackabwurf in höchster Not, die von seinen hauptamtlichen Interpreten damals sehr erfolgreich ins Positive umgedeutet wurde.

In Wahrheit war die Übergabe des Parteivorsitzes an Franz Müntefering das und nichts als das: der Anfang vom Ende Gerhard Schröders als Bundeskanzler.

So weit ist das bei Merkel und dem Griechenlandpaket nicht. Noch nicht! Aber es zahlt bei ihr auf der Sollseite ein. Nicht auf der Habenseite. Viele solche Niederlagen kann sich die Kanzlerin nicht leisten.

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