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(picture alliance) Merkel eröffnet vor der Sommerpause eine Kabinettsitzung

Kanzlerschaft ab 2013 - Gong! Merkel zum dritten Mal?

Angela Merkel ist gerade die Heidi Klum der Umfragen: Sie hat gute Chancen, eine dritte Runde im Kanzleramt zu drehen. Den Liberalen helfen die guten Werte der Kanzlerin allerdings gar nicht, und auch die SPD präsentiert sich dieser Tage alles andere denn als bissige Opposition

Augenblicklich wird die letzte Runde eingeläutet: Die Kanzlerin und die drei Fragezeichen an der SPD-Spitze sind allesamt wieder zurück in Berlin, bereits im September nächsten Jahres finden Bundestagswahlen statt. Alles kann wahlentscheidend sein, was jetzt noch geschieht. Bevor die Politik also wieder in ihren üblichen Trott verfällt, das Große (Beispiel Energiewende) kleinredet oder (Beispiel: Exporterleichterung für Häuserkampf-taugliche Leopard-Panzer in Krisengebiete) klammheimlich befördert, möchte ich der Frage nachgehen, um was es im September nächsten Jahres doch immerhin geht.

Wenn Angela Merkel es schafft, in welcher Konstellation auch immer – wahrscheinlich erneut an der Spitze einer Großen Koalition – ihr Ziel einer dritten Amtszeit als Kanzlerin zu erreichen, wird sie allein das schon herausheben unter den Kanzlern der Republik. Das und vielleicht noch die Liebe zu Richard Wagners Bayreuth. Das ist nicht nichts.

Sie hat schon den letzten Wahlkampf vollkommen personalisiert und sich als eine Art Heidi Klum der deutschen Politik in Szene setzen lassen, vielleicht ist das Topmodel-Modell aber noch steigerungsfähig? Denn nicht einmal Helmut Schmidt, als Kanzler sicher noch kein Nationalheiligtum wie heutzutage, aber doch schon überaus populär als Projektionsfläche deutscher Erwartungen an „gute Politik“ – nicht einmal Schmidt also überstand mehr als zwei Legislaturperioden. Hinterher seufzte er dann, acht Jahre seien genug, mehr halte ein Mensch in diesem kräftezermürbenden Gewerbe mit dem ganzen Gewicht der Verantwortung auf den Schultern nicht aus.

Einzig Helmut Kohl – an dessen Machteroberung im Oktober 1982 demnächst seine Partei mit viel Pomp erinnern  wird – stand sagenhafte sechzehn Kanzler-Jahre als eine Art unverrückbarer Eichenschrank im Amt durch. Gerhard Schröder sorgte nach gut sieben Jahren an der Spitze der rot-grünen Koalition selber für ein geordnetes Ende und öffnete der Großen Koalition mit Angela Merkel die Tür – ich glaube immer noch, wider allen Anschein sogar sehr bewusst, weil er meinte, die Lage des Landes erfordere das.

In der letzten Runde dieser Legislaturperiode geht es also darum, ob diese Regierungschefin und diese Koalition mit ihrer Politik bestätigt werden, ob sie dies verdienen, ob sie überraschenderweise mit einer plausiblen Perspektive für die nächsten Jahre aufwarten oder ob die Opposition hinreichend Format gewonnen hat, um einen großen (rot-grüne Koalition in Neuauflage) oder kleinen Machtwechsel (Große Koalition in Neuauflage) zu erstreiten.

Seite 2: Egal, was die FDP macht: Ihre Umfragen bleiben im Keller

Trotz aller guten Umfragewerte für Angela Merkel: Die Paradoxie bleibt und wird sich wohl kaum noch auflösen, dass zugleich die Umfragewerte für diese schwarz-gelbe Koalitionspolitik denkbar dürftig, ja erschreckend schlecht bleiben. Selbst wenn die Freidemokraten aus dem Tal herausfinden und die Fünf-Prozent-Marke erreichen – und das kann man aus heutiger Sicht vermuten –, würde das nicht ausreichen, um diese Koalition im Herbst 2013 neu aufzulegen. Ohnehin ist nie ein Projekt daraus geworden, dem man gemeinsame Ziele zutraut, es blieb eine Zufallsgemeinschaft derjenigen, die dank abenteuerlicher Übernotierung der FDP am Wahltag für kurze Zeit zustande kam und sich seitdem mehr schlecht als recht über Wasser hält.

Die Kraft oder auch bloß die argumentative Kompetenz, die christdemokratische Kanzlerin an einem stetigen Sozialdemokratisierungs-Kurs zu hindern, fehlte den Liberalen vollkommen. Dabei hat Angela Merkel dies nicht einmal aus Überzeugung betrieben, sondern aus taktischen Überlegungen heraus, um jeder Opposition beizeiten das Wasser abzugraben – was ja erlaubt ist.

Wenn überhaupt, brachten die Altvorderen wie Hans-Dietrich Genscher oder Gerhard Baum Linie in die Politik, manchmal, indem sie die Reißleine zogen wie zuletzt der Außenminister a. D., als er die derzeitige FDP-Führung warnte, weiterhin nationalistisches Blech zu reden und den Europa-Kurs aufs Spiel zu setzen. In die denkbare Rolle der politisch anregenden, weitsichtigen, vor allem anti-nationalen Partei, die auf intelligente Weise das Undefinierte, Verschwommene, Unausgesprochene der Merkel‘schen Politik korrigiert, sind diese Liberalen nie geraten – und das werden sie auch nicht mehr schaffen. In ihrer Not kokettieren die ersten mit einem SPD-Bündnis, was aber gleichfalls nicht inhaltlich unterfüttert ist.

Und da hat man von dem Hauptproblem der gegenwärtigen Regierungskoalition noch gar nicht geredet: Die Politik hat Höhe verloren, oder – offen gesagt – man vermisst schlicht Niveau. Im Kino würde man von B-Movies sprechen. Man nehme nur einmal für einen Moment die Zeitungsberichte über Berliner Interna aus den letzten drei Tagen zur Hand: Zwischen Christina Schröder, Thomas de Maizière, Wolfgang Schäuble oder Horst Seehofer wogt ein einziges Positionen-Chaos, Kraut und Rüben wild durcheinander, sodass man am Ende fast erleichtert aufatmet, wenn die Kanzlerin urlaubsgestärkt wenigstens klar macht, dass sie noch das Sagen hat. Einen wirklichen Trost aber bietet das nicht, denn damit lässt sich nicht beheben, was uns diese Koalition in drei Jahren beschert hat: Eine Entpolitisierung in hochdramatischen Zeiten nämlich. Will sagen, das Interesse an der Politik ist gedrosselt, wenn nicht in Ermüdung, Apathie oder Überdruss umgekippt.

In solchen Zeiten, bei einer solchen Leerstelle, wünscht man sich dringend eine potente Opposition. Einigermaßen tollkühn aber wäre es zu behaupten, die Sozialdemokraten, die Grünen und die Linkspartei hätten sich als attraktive Alternative zur schwarz-gelben Regierung entfaltet.

Seite 3: Egal, wer in der SPD Kanzlerkandidat wird, er wird wohl nur zweiter Sieger – nach Merkel

Dass sie derzeit etwas mutiger argumentieren auf dem Hauptstreitfeld, das auch im Zentrum dieses langen Wahljahres bleiben wird, Europa, ist damit nicht bestritten. Peer Steinbrück hat Recht, wenn er wie der SPD-Vorsitzende argumentiert, man dürfe auch vor einer „Vergemeinschaftung der Schulden“ nicht zurückschrecken, sofern dies an Bedingungen geknüpft werde – das sei allemal ehrlicher, als sich hinter der Europäischen Zentralbank zu verstecken, die doch nur die Kastanien heimlich aus dem Feuer holen soll. Natürlich hat er auch Recht mit dem Zusatz, für seine Partei werde eine solche Haltung im Wahlkampf sehr schwer. Risikolos aber ist ein Wahlsieg ohnehin nicht zu haben, und an Risikovermeidungstaktik haben wir nun allseits genug erlebt.

Nicht die Frage, wer von den dreien – Gabriel, Steinbrück oder Steinmeier – als Kandidat gegen Angela Merkel ins Rennen gehen solle, erweist sich als Hauptproblem. Für alle drei sind die Chancen groß, „zweiter Sieger“ zu werden, also mit der Silbermedaille abgespeist in die Juniorposition eines Großen-Koalitions-Kabinetts befördert zu werden. Wichtiger bleibt, die Opposition an ihren eigenen Vorgaben zu messen: So, wie Sigmar Gabriel im „Sommerinterview“ der ARD jüngst argumentierte, ist es im Prinzip ja richtig: Die Personalentscheidung soll sich ableiten aus den Sachpositionen, und derjenige, der die Position der Opposition am überzeugendsten und aussichtsreichsten verkörpert, soll ins Rennen gehen.

So betrachtet, sind die Sozialdemokraten – dreizehn Monate vor der Wahl – aber nicht sehr weit gekommen. Weder kann man ihnen bescheinigen, eine erkennbare Alternative zur „Krisenkanzlerin“ ausformuliert zu haben, noch lässt sich sagen, sie zögen zwar in die gleiche Richtung wie sie in Sachen Europa, aber beim Krisenmanagement traue man ihnen mehr strategische Umsicht und weniger Anfälligkeit für nationale Ängste und Ressentiments zu. Das heißt: Die Sozialdemokraten haben noch viele Hausaufgaben in relativ kurzer Zeit zu erledigen, wenn sie davon überzeugen wollen, dass sie mehr als ein Juniorpartner sind.

Gar so mysteriös oder widersprüchlich allerdings wie der Europa-Kurs der Kanzlerin nimmt sich das, was die drei Sozialdemokraten bieten, dann doch nicht aus. Nein, das Spiel, das sich der britische „Economist“ in seiner letzten Ausgabe erlaubte, hätte er mit Steinmeier, Steinbrück oder Gabriel nicht treiben können: Eine grübelnde Angela Merkel auf dem Cover des Magazins sann über einen angeblichen „Plan B“ nach, wie sie heimlich den Euro scheitern und einige Länder aus dem Euro aussteigen lassen könne, wenn Deutschland davon nicht länger profitiere.

Ja, die wirkliche Unsicherheit in die Politik trägt schon die Regierung, sie hat zuallererst die Bringschuld. Zuvörderst also muss Angela Merkel Klarheit schaffen, und zwar schon im Herbst. Es könnte sich dabei erweisen, dass ihre Vorstellung von einer „politischen Union“ Europa implizite sich gar nicht so sehr von dem unterscheidet, was die Opposition nach langem Zögern endlich befürwortet und was aus den Reihen der Regierungskoalition heraus mit geradezu deutsch-nationalem Unterton als fahrlässige Verschuldenspolitik auf dem Rücken der deutschen Steuerzahler denunziert wird.

Mit dem Farbe-Bekennen kann die Kanzlerin nicht bis zum Wahlabend im September 2013 warten, auch wenn sie es sehnlichst wünscht – das Abwarten, Nicht-Aussprechen, Finassieren und Taktieren seit zweieinhalb Krisenjahren war teuer genug. Ihr Krisenmanagement wurde an der Publikumsbörse bisher übernotiert. Aber ob sich das in der letzten Runde ändert, wer weiß? Zum Tango gehören zwei. Es hängt also auch von der Opposition ab und davon, ob bis zum Herbst nächsten Jahres eine Erneuerung von Rot-Grün aus dem Geist des Jahres 1998 als attraktiv, ja überfällig und als einleuchtende Alternative zum schwarz-gelben Flohmarkt erscheint.

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