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(Heiko Sakurai) Durchhalten!!

Merkels Energiewende - Globales Verhandeln reicht nicht aus

Die Energiewende steht vor dem Scheitern, schimpfen die einen. Das ist „leicht gesagt“ - die Mittwochskolumne

Es sagt sich leicht, dass die Energiewende gescheitert sei. Nichts scheint derzeit rund zu laufen. Selbst das erste eigene Zwischenzeugnis der Regierung, das heute erscheint, fällt schlecht aus. Es gibt keinen Masterplan von oben; aber es gibt auch kein Zurück zur Kernkraft. So erinnert der so forsch begonnene Atomausstieg an einen anderen Umbruch, der zum Absturz wurde.

Vor 25 Jahren kritisierte Maggi Thatcher den sowjetischen Staats- und Parteichef Gorbatschow. Der sei gar kein richtiger Reformer. Er wolle das System nicht wirklich umstellen. Was er da experimentiere mit Glasnost und Perestroika im Ein-Parteien-Staat, sei nicht zu Ende gedacht. „Es ist, als würde man nur ein bisschen von Links- auf Rechtsverkehr umstellen. Das totale Chaos wird die Folge sein.“

Thatcher sollte Recht behalten. Gorbatschow wurde begraben unter der einstürzenden Sowjetunion, die er nur reformieren, aber nie abschaffen wollte. Thatchers treffender Vergleich vom Links-Rechts-Verkehr wie ihre Warnung vor dem Chaos, beides passt auch auf die große Wende unserer Tage: die Energiewende. Auch der Stromverkehr wird umgestellt – aber eben nicht total, sondern nach und nach. Aus Einbahnstraßen werden nun tatsächlich Stromstraßen mit immer mehr eingespeistem Gegenverkehr. Es wird ein Systemwechsel versucht, durch massive Eingriffe in den Markt; auf dem aber ebenso weiterhin die alten Regeln gelten sollen. [gallery:Von Photovoltaik bis Geothermie – Erneuerbare Energiequellen im Überblick]

Viele warnen, dass da Chaos entsteht, welches die Wirtschaftsmacht Deutschland massiv schwächen kann. Einer der Warner ist ausgerechnet Klaus Töpfer, Deutschlands renommiertester Umweltpolitiker, der als Vater der Energiewende gilt. Denn er war es, der Angela Merkel nach dem GAU von Fukushima als Vorsitzender einer eilig eingesetzten Ethik-Kommission zum abrupten Ausstieg riet.

Als Töpfer noch Helmut Kohls Umweltminister war, wurde er gepriesen als „Retter von Rio“. 1992 war er der Mann, der es geschafft hatte, dass die Welt ihren ersten Klimagipfel friedlich zu Ende brachte und einander „Nachhaltigkeit“ versprach.

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„Wir hätten nicht nur Bretter hinlegen, sondern auch gleich Nägel reinhauen sollen“, sagte Töpfer jetzt selbstkritisch, 20 Jahre nach der berühmten Umweltkonferenz von Rio. Denn die Weltklima-Versprechen wurden nicht eingehalten. Eben erst scheiterte der jüngste Klima-Gipfel in Doha. Dort wurden alte Versprechen aus Kyoto einfach wiederholt wurden, an die eh niemand mehr glaubt: vom Erderwärmungsanstieg um höchstens zwei Grad und der CO2-Begrenzung bis 2050.

Ausgerechnet Töpfer vermisst nun wieder etliche Nägel, und zwar in den Brettern für Merkels Energieweg, die er ihr zur Wende hinlegte: Der Netzausbau stockt. Eigentlich müssten jährlich 500 Kilometer Hochleistungsstromleitungen gebaut werden, wenn wir 2022 tatsächlich loskommen wollen von der Atomkraft. Doch bis jetzt, bald zwei Jahre nach Fukushima, wurden bloß 100 Kilometer geschafft.

Außerdem gibt es technisch immer noch kaum Möglichkeiten, den Strom zu speichern. Dadurch könnte später nicht zu wenig, sondern zu viel Strom zu Engpässen führen – wegen sogenannter Überkapazität.

So will der Bund mit Windkraftanlagen auf dem Land, also On-, anstatt Off-shore, bis zum Jahr 2020 insgesamt 36 Gigawatt Strom erwirtschaften. Die Ausbauziele der Länder summieren sich aber auf 68 Gigawatt – fast das Doppelte.

Beim jüngsten Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten versprachen die Länderchefs artig, sich mit ihren Ausbauplänen zu bescheiden. Das war an einem Freitag im November. Doch schon am Dienstag drauf kündigte Schleswig-Holstein an, die Flächen für Windkraft zu verdoppeln. Während Ministerpräsident Seehofer trompetet, er wolle Bayern energiepolitisch „autark“ machen, tönt sein Kollege McAllister, Niedersachsen solle zum Stromexporteur des Südens werden. Was für eine Koordination![gallery:Von Photovoltaik bis Geothermie – Erneuerbare Energiequellen im Überblick]

Vor zwei Wochen wurde ein drittes gewaltiges Problem der Energiewende publik: Es wird bald an konventionellen Kraftwerken mangeln, die auch in Zukunft dringend gebraucht werden. So haben fünf Stadtwerke angekündigt, dass sie eines der modernsten und umweltfreundlichen Gaskraftwerke, das erst vor zwei Jahren in Bayern ans Netz gegangene Irsching 5, still legen werden. Der Grund: Wegen viel hoch subventionierter erneuerbarer Energie lohnt es nicht mehr, das Werk zu betreiben nur für Zeiten, in denen weder Wind weht noch Sonne scheint.

An diesem Mittwoch stellt die Bundesregierung ihr erstes echtes Zeugnis vor, das sie für die Energiewende erhalten hat – und zwar von den Prüfern und Kontrolleuren, die sie selbst dafür eingesetzt hat vor einem Jahr. Darin wird ein zusätzlicher Grund für ein mögliches Scheitern offen angesprochen: „Ohne weitergehende Maßnahmen werden die Effizienzziele der Energiewende nicht erreicht“, schreiben die vier Prüfer in dem Monitoring-Bericht. Es wird wohl nicht gelingen, was schon 2008 versprochen war: Nämlich bis 2020 insgesamt 20 Prozent Strom einzusparen. Die Energiewende ist also bestenfalls eine Stromerzeugungswende. Wege zum Einsparen wurden nicht vorgezeichnet.

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Es müssten von heute an auf Hochtouren Gebäude saniert werden, zwei bis drei mal so viele wie bisher. Aber dazu gibt es nicht einmal Gesetzespläne. Klimaforscher halten eine Verfünffachung der Energie- und Ressourcenproduktivität für technisch machbar. Die Steigerung der Energieeffizienz Energie-intensiver Unternehmen liegt aber bei lächerlichen 1,3 Prozent im Jahr. Die Bundesregierung scheint ratlos, wie sie eine so dringend nötige Effizienzrevolution auslösen soll. Indem vielen Unternehmen die EEG-Umlage erlassen, also die zusätzlichen Öko-Cent pro Kilowattstunde, wird der Sparanreiz gewiss nicht erhöht.

Wenn also keine Bundesregierung und kein Weltklima-Gipfel diese Effizienzrevolution zur Energiewende schaffen – wo soll sie dann stattfinden?

Bei uns zu Hause, sagen nun findige Stadtväter und Unternehmer in Hessen. „Green Region“ – so heißt eine Initiative des hessischen Energiekonzerns HSE, welche die Gebiete Rhein-Main und Rhein-Neckar zu der Vorbild-Region der Energiewende machen soll. Hier wollen die Stromverkäufer beim Maßhalten helfen. Es soll dazu Kooperationen mit den Stadtwerken, den Kommunen und den lokalen Unternehmern und Handwerkern geben. Das alte Genossenschaftsmodell wird ausgemottet, Bürger sollen mit Renditeversprechen beteiligt und belohnt werden, wenn sie sparen. Geld soll verdient werden mit smarten Stromsparlösungen.

Vielleicht versucht sich da ein Stromunternehmen bloß ein ökologisches Image zu verpassen – aber die Idee hat Vorbeter in der Finanzwelt. So sagt Michael Liebreich, Geschäftsführer vom Londoner Finanzberater Bloomberg New Energy Finance: Superprojekte seien out. Er habe nie an Desertec geglaubt. Und er halte es auch für reine Zeitverschwendung, auf Welt-Klimagipfeln weltweite CO2-Begrenzung zu diskutieren.

Stattdessen werde es einen Trend zu kleineren, maßgeschneiderten Vorhaben geben. Denn da entschieden Menschen, die sich mit den lokalen Gegebenheiten auskennen. Das gebe Investoren Sicherheit.

Also lieber lokal handeln anstatt global verhandeln. Somit gibt es doch noch eine Chance für Merkels Energiewende. Wenn sie nur nicht von oben gemacht wird, sondern von unten.

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