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(picture alliance) Die Linke und Gauck: Klar in der Kontroverse, konstruktiv im Umgang

Stefan Liebich stellt klar - Gaucks Positionen sind nicht meine

Als einzige Partei hat Die Linke einen Gegenkandidaten für das Bundespräsidentschaftsamt aufgestellt. Linken-Abgeordneter Stefan Liebich aus Berlin erklärt, warum

Als Joachim Gauck gegen die Machthabenden in der DDR öffentlich Position bezog, war ich noch fest von meinem Land überzeugt. Erst Anfang 1990 kamen mir, 17 Jahre alt, leise Zweifel über diesen Sozialismus, der weiter seinen Lauf hätte nehmen sollen. Deswegen möchte ich nicht bewerten, wie Joachim Gauck in der DDR gewirkt hat. Für diese Debatte sind andere berufen. Ich würdige seine Arbeit als Abgeordneter des Neuen Forum in der ersten frei gewählten Volkskammer, aber bei der Frage, ob er ein guter Bundespräsident sein kann, sind mir seine Positionen im wiedervereinigten Deutschland wichtiger.

Der Kandidat Joachim Gauck konnte sich bereits zweimal der Fraktion DIE LINKE vorstellen. Wir erlebten ihn höflich im Ton, klar in der Kontroverse und konstruktiv im Umgang. Aber schon 2010, als er gegen den Kandidaten von Union und FDP unterlag, konnte ich nur wenige Übereinstimmungen mit meinen Positionen feststellen.

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Als Leiter der Stasi-Unterlagen-Behörde vermittelte er, anders als der heutige Behördenchef Roland Jahn, nicht den Eindruck, sich für eine Aufarbeitung dessen einzusetzen, was zu Recht zum Scheitern der DDR führte. Er stand eher für ein Klima, in dem Schuldige gesucht und an denen Exempel statuiert wurden. Zu Beginn der 1990er Jahre gab es durchaus bei einigen, die in der DDR Schuld auf sich geladen haben, die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung. Die damalige PDS trug die Einrichtung der Stasi-Unterlagenbehörde mit, das finde ich auch heute noch richtig. Joachim Gauck wurde in der Volkskammer auch von der PDS zum Sonderbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gewählt. Ein kritischer Umgang mit der Vergangenheit war und ist mir ebenso wichtig, wie die Möglichkeit, aus Fehlern zu lernen und eine zweite Chance zu bekommen. Dies war jedoch nicht die Maxime von Joachim Gauck und hat leider mit dazu beigetragen, dass es weniger Offenheit gab als möglich war.

Aber auch auf die Fragen der Gegenwart gibt Joachim Gauck andere Antworten, als ich mir von einem Bundespräsidenten wünschen würde. Die deutsche Beteiligung am Afghanistankrieg findet er gerechtfertigt - ein Krieg, der nicht nur in Deutschland auf weiter steigende Skepsis trifft und dessen vorgeblicher Grund, die Jagd nach dem Verbrecher Osama bin Laden, fragwürdig von Anfang an war. Hier sind mir die antimilitaristischen Positionen eines Gustav Heinemann deutlich näher.

Joachim Gauck ist Befürworter der Hartz-Gesetze, die vielen Menschen Armut bringen und ein gesellschaftliches Klima der Angst befördern. Angst ist jedoch kein guter Begleiter für Joachim Gaucks Thema: Freiheit. Diese ist ein hohes Gut und sollte von niemandem gering geschätzt werden. Das Belebende, Heilsame und Reinigende der politischen Freiheit versagt, wenn diese zum Privilegium wird, so Rosa Luxemburg. Freiheit für Andersdenkende gibt es, verglichen mit vielen anderen Staaten, in unserem Land sehr viel, daran hat auch Joachim Gauck seinen Anteil. Aber wo Freiheit durch Armut und Ausgrenzung begrenzt und ein an materiellen Besitz gekoppeltes Privileg ist, wird sie unzulässig eingeschränkt.

Die weltweite Occupy-Bewegung, die sich gegen die Übermacht der Banken wendet, findet Joachim Gauck „romantisch, um da das nettere Wort zu verwenden", wie er beim Gespräch mit unserer Fraktion formulierte. So eine Position, und jemanden der sie vertritt, kann ich nicht unterstützen.

Joachim Gauck findet eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit, für die ich mich seit vielen Jahren zusammen mit Mitgliedern dieser drei Parteien einsetze, nicht gut. Verständlich, dass sich meine Begeisterung für ein Staatsoberhaupt, das sein Amt auch bei einer solchen Konstellation ausüben müsste, in Grenzen hält.

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Wirklich unverständlich ist mir jedoch, dass Joachim Gauck, der die Folgen nachrichtendienstlicher Überwachung und den hohen Wert des demokratisch legitimierten Mandats kennt, sich für Beobachtung von gewählten Abgeordneten ausspricht und sich „nur“ darüber wundert, dass der Verfassungsschutz sich die aus seiner Sicht falschen Abgeordneten ausgesucht hat. Nein, die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern sind nicht gleichzusetzen mit dem Ministerium für Staatssicherheit. Aber hier klar „Stopp“ zu sagen, wäre mit Blick auf seine Biographie konsequent gewesen.

Bleibt also nur Negatives übrig? Nein. Joachim Gauck hat sich für Opfer der NS-Militärjustiz eingesetzt und einen von meinem Kollegen Jan Korte initiierten Antrag zur Rehabilitierung von „Kriegsverrätern“ durch eine positive Stellungnahme für den Rechtsausschuss unterstützt. Gut finde ich auch, dass er sich offen positioniert und bei Gegenwind nicht gleich umfällt. Ich fände es auch sehr gut, wenn er seine Ankündigung wahr machte, in der Integrationspolitik nicht hinter seinem Vorgänger zurückzubleiben.

Aber mein Kandidat ist er nicht und wird er auch nicht, denn wichtige seiner politischen Positionen sind nicht meine. Abgeordnete anderer Parteien sehen das übrigens ähnlich. Aber DIE LINKE hat ja - ein Hoch auf die Demokratie - eine Alternative vorgeschlagen.

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