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Anja Stiehler/Jutta Fricke Illustrators

Frau Fried fragt sich … - … ob Ampelmädchen mehr Geschlechtergerechtigkeit bringen

Vielleicht übertreiben es manche Feministinnen, wenn sie Ampelmädchen oder eine Frauenquote für Straßennamen einfordern. Vielleicht sollte man ihr Grundanliegen deshalb trotzdem nicht so leicht verwerfen, findet unsere Kolumnistin Amelie Fried

Autoreninfo

Amelie Fried ist Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin. Für Cicero schreibt sie über Männer, Frauen und was das Leben sonst noch an Fragen aufwirft

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Es ist so leicht, sich lustig zu machen: über Unisex-Toiletten – für den Fall, dass man sich übers eigene Geschlecht nicht im Klaren ist. Über Lann Hornscheidt, der/die vorschlug, geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie Professx einzuführen, und dafür einen Shitstorm kassierte. Über eine Frauenquote für Straßennamen, wie sie in Berlin-Kreuzberg existiert – oder eben über die mancherorts eingeführten Ampelmädchen, deren größter Vorteil darin besteht, dass ihr Röckchen mehr Leuchtfläche bietet als die Hosenbeine der Ampelmänner (interessant auch, dass man hier von „Männern“ und „Mädchen“ spricht, statt von Männern und Frauen). Ja, auch ich finde das alles lustig, um nicht zu sagen: lächerlich. Auch ich habe keine Lust, anstrengende politisch korrekte Sprachschöpfungen wie „Bürger_innensteig“, „Menschin“ oder „jedermann und jedefrau“ zu verwenden oder auf Veranstaltungen die „Gäste und Gästinnen“ zu begrüßen.

Gleichzeitig frage ich mich, wie man Geschlechtergerechtigkeit ohne entsprechende Sprache herstellen will. Wie soll sich etwas an der Sicht auf Frauen ändern, wenn Alltagskultur und -sprache männlich dominiert bleiben, und sich hinter den hämischen Kommentaren in Medien und sozialen Netzwerken Männer verstecken, die einfach keine Lust haben, sich mit dem Thema zu befassen? Empört faseln sie von einer „Sprachpolizei“, wo einfach Vorschläge gemacht werden. Aber irgendwo muss man schließlich anfangen. Eine Sprache, die Frauen nicht genügend beachtet, schafft ein Bewusstsein, das Frauen nicht genügend beachtet, schafft eine Realität, die Frauen nicht genügend beachtet. Kein Mann würde sich heute mehr trauen, Frauen öffentlich als minderwertig oder zweitrangig zu bezeichnen. Genau diese Botschaft wird aber durch unsere Sprache vermittelt – sie drückt die seit Jahrhunderten herrschende Geringschätzung von Frauen aus.

Geschlechtsneutrale Bezeichnungen wie „Studierende“, „Lehrende“, „Teilnehmende“ et cetera zu verwenden, verlangt uns nicht viel ab, schärft aber unser Bewusstsein. Für andere Probleme müssen noch Lösungen gefunden werden, aber dafür müssen wir erst mal die Vorschläge diskutieren. Die Wahl der richtigen Toilette gehört da zu den kleineren Problemen. Machen Sie’s doch wie ich und gehen einfach auf die, die gerade frei ist.

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