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Flüchtlingskrise und Staatsversagen - Nicht Bamf, Merkel heißt der Fehler

Kisslers Konter: Jede Verwaltung wäre mit den Flüchtlingsströmen überfordert. Die Kritik am Bundesamt für Migration ist wohlfeil. Verantwortlich ist die Kanzlerin mit ihrer Politik der offenen Grenzen

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Nun wird aber alles gut. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge („Bamf“) will sich zum Schichtdienst bereit erklären. Die derzeit rund 300.000 unbearbeiteten Asylanträge werden künftig vielleicht rascher entschieden, in der Folge könnte rascher verteilt oder abgeschoben werden. Dumm nur, dass aufgrund unverändert weit geöffneter Grenzen der Stapel mit den Anträgen schneller wächst, als jede noch so flexible Behörde reagieren, expandieren, umschichten kann. Oder entstehen bald in Sichtweite zu den „Flüchtlingsghettos“ kaum minder große „Beamtenbunker“? Von 4000 neuen Stellen ist die Rede. Um einen schlanken Staat und entvölkerte Regionen wird sich Deutschland jahrzehntelang nicht sorgen müssen.

So sehen es mittlerweile fast alle Beobachter, Experten, Wissenschaftler, innerhalb und erst recht außerhalb Deutschlands. Auch der frisch gekürte Wirtschafts-Nobelpreisträger Angus Deaton spricht aus, was Sache ist: „Zu viele Einwanderer werden Europa destabilisieren“, Deutschland sei kurz vor dem „Limit“. Die Kanzlerin sieht es anders. Mehr und mehr ähnelt sie auf tragisch-komische Weise dem einzigen Geisterfahrer, der sich gegenüber allen entgegenkommenden Fahrzeugen desto munterer im Recht wähnt, je forscher diese auf ihn zusteuern. Um ihr freundliches Gesicht nicht verhärten zu müssen, ist Frau Merkel hart gegenüber jenen, die ihren forcierten Fatalismus bezahlen müssen, den Lokal- und Regionalpolitikern, den Polizisten und Beamten, den Ehrenamtlichen, letztlich auch den Obdachlosen, um deren Nöte im Winter sich noch niemand vergleichbar großzügig gekümmert hat. Der große Fehler in der Asyl- und Staatskrise heißt nicht „Bamf“; er heißt Merkel.

„Es fehlt der politische Diskurs“


Es ist ein Donnerschlag, dass nun der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der sich in seiner Kanzlerinnentreue lange Zeit nicht übertreffen lassen wollte, zum harschen Wort von den „Flüchtlingsghettos“ griff. In einem halbstündigen Fernsehbeitrag des NDR gingen vier Autoren der Frage nach, wie sich der „Bürgerprotest gegen Flüchtlingsghettos“ artikuliere. In Neugraben-Fischbek im Süden Hamburgs soll ohne demokratische Partizipation „ein neuer Stadtteil für 3500 Flüchtlinge“ entstehen. Die Bagger sind da, Häuser werden gebaut. Schon heute indes seien im bestehenden Heim an der Schnackenburgallee Massenschlägereien keine Seltenheit, etwa zwischen Albanern und Afghanen. Ein Mitglied der Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek erklärt: „Es fehlt in unserem Land der politische Diskurs. Es wird nur noch über die Köpfe entschieden.“

Kaum besser ist es um die zentrale niedersächsische Landesaufnahmestelle in Braunschweig-Kralenriede mit derzeit 3600 Asylbewerbern bestellt. Laut Polizei gab es dort im Umfeld einen „starken Anstieg bei Ladendiebstählen und Einbrüchen“, einschließlich „Einbruchserien durch Asylbewerber“. Im ostfriesischen 600-Seelen-Dorf Seeth sollen gleichwohl 2000 Asylbewerber in einer ehemaligen Kaserne untergebracht werden. Die neue Bevölkerungsmehrheit, so Staatssekretärin Manuela Söller-Winkler (SPD) aus dem Innenministerium, habe ein Anrecht darauf, „wir müssen den Flüchtlingen ein Dach über den Kopf geben. Das schulden wir den Flüchtlingen.“ Ohnmächtig und sorgenvoll fühlt sich zur gleichen Zeit ein Polizist aus dem hessischen Büdingen, wo die vergleichsweise geringe Zahl von 800 Menschen aus Syrien, Eritrea, Afghanistan einquartiert werden soll. Der entsprechenden Büdingen-Dokumentation unter dem Titel „Gefragt hat uns keiner“, ebenfalls in Ersten, war zu entnehmen, dass derzeit täglich 750 Personen nach Hessen einwandern. Ob auf Dauer oder vorübergehend, weiß kein Mensch.

Polizei an den Grenzen überfordert


Da ist es kein Wunder, dass das Bundesinnenministerium seine Prognosen jetzt vom Tisch nahm und für das Jahr 2015 statt mit 800.000 mit über einer Million Asylbewerbern rechnet. Wobei jede Statistik nur jene Personen erfassen kann, die sich registrieren lassen. Die Sorgenfalten bei den Praktikern der inneren Sicherheit werden tiefer. Bereits jetzt hält die Gewerkschaft der Polizei „Strafverfolgung und Gefahrenabwehr“ im Bereich der Grenzpolizei für „praktisch lahmgelegt“. Aus Trier wird gemeldet, dass die „Bundespolizei nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei mit den zusätzlichen Kontrollen an den Grenzen zu Belgien und Luxemburg überfordert“ sei.

Auch innerhalb der CDU wächst knapp vor dem Parteitag die Erkenntnis, dass die Partei sich zwischen Vernunft und Merkels reiner Lehre entscheiden muss. Der Wirtschaftsrat der CDU verlangt eine Abkehr vom deutschen Sonderweg, die „soziale Sprengkraft einer hohen Zahl schlecht in Beschäftigung und Gesellschaft integrierter Immigranten“ sei „gewaltig.“ Carsten Linnemann von der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU fordert eine „Atempause“, also einen Aufnahmestopp, nicht bloß eine Merkel'sche Steuerung der Menschenmassen. Finanzstaatssekretär Jens Spahn sieht im unregulierten Zuzug ein „Sicherheitsrisiko“, Wolfgang Schäuble spricht von „unerträglich hohen Zugangszahlen“.

Merkel für „neues Denken“ in der Flüchtlingspolitik


Sie sagen damit nichts anderes als das, was fast alle Beobachter und Handelnden sagen, die ihre Aussagen an der Realität und nicht an einer Utopie messen. Seien es sozialdemokratische Politiker wie der französische Premierminister Manuel Valls („Wir können nicht noch mehr Flüchtlinge in Europa aufnehmen - das ist nicht möglich“), EU-Ratspräsident Donald Tusk („Diese Flüchtlingswelle ist zu groß“), der schwedische Integrationsminister Morgan Johansson („Wir haben die Grenze erreicht“). Oder profunde Denker wie Peter Sloterdijk, der in der Berliner Tageszeitung „B.Z.“ erklärte: „Man kann nur dann eine sinnvolle Willkommenskultur bilden, wenn man entscheidet, wer herein darf und wer nicht. Sich bloß überrollen zu lassen, ist unwürdig“.

Merkel setzt stattdessen auf ein „neues Denken“. So sagte sie es in der letzten Generaldebatte im Deutschen Bundestag mit volkspädagogischem Unterton. Die Forderung nach einem „neuen Denken“ setzt voraus, dass die Kanzlerin sich in dessen Besitz wähnt. Ein neues Denken meint, das Neue denkend zu akzeptieren – sich geistig darauf einzustellen, dass bald ein anderes, ein neues Deutschland da sein wird. Ein Deutschland, das große Teile seines Staatshaushaltes darauf verwendet, Ein- und Zugewanderte zu beherbergen. Ein Deutschland, das vom Konzept der Grenzen Abschied nimmt. Ein Deutschland, das Recht und Gesetz relativiert, wenn es die Flüchtlingslage erfordert. Wer es anders sieht, muss Merkel die Gefolgschaft verweigern.

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Wolfgang Brocke | Fr., 2. Juni 2017 - 15:23

Ich denke, Frau Merkel hat nie eine Doktorarbeit geschrieben! Eine solche Arbeit setzt voraus, daß man wissenschaftlich analysieren und entsprechende Schlußfolgerungen ziehen kann! Diese Frau hat in fast allen ihrer diktatorischen Entscheidungen gezeigt, daß sie die Folgen ihrer DENKE nicht absehen kann. So jemand darf einfach solche Entscheidungen nicht allein treffen!

Jutta Iredi | Do., 8. Juni 2017 - 17:16

Frau Merkel soll einsehen, dass Sie in den Jahren nur in der EU und der Auslandspolitik gepunktet hat.Innenpolitisch hat sie versagt. Für Griechenland hat sie sich stark gemacht; und das Flüchtlingsdebakel zu verantworten, sich während ihrer Amtszeit fast stets im Ausland aufgehalten. In der Innenpolitik hat sie keine Nottiz genommen, dass deutsche Kinder ohne Schulbrot in die Schule gehen müssen, weil viele Eltern keine Arbeit haben. Keine Ki Ta - dafür Flüchtlingsheime. Willkommensgeld und 33 € für Jedes Kind aber nicht für deutsche Kinder und Neugeborene. Altersarmut, wenn der Mitarbeiter erkrankt und seinen Beruf nach 30 Jahren nicht mehr nicht ausüben kann. Die Umschulung ist in diesem Alter nicht mehr vorgesehen. Aber dumme Reden halten über Bildung. Da wird in Bafög investiert, nicht in Bildung armer Menschen; alles Schönrederei.
Klar vor den Wahlen muss nun gegen jeden Anzatz von Martin Schulz gegenreden. So geht es nicht weiter- Soziale Gerechtigkeit und Rentenanpassung

Ich denke Sie erwarten zu viel von ihr. Einsehen können gehört wohl eher nicht zu Ihrem Repertoir im politischen Alltag.
Dabei findet Sie inzwischen mangels Alternative kräftige Beihilfe seitens ihrer Partei incl. der CSU.
Frau Dr. Merkel gehörte in den Ruhestand versetzt und kaum jemand würde einen Unterschied erfahren. Doch wie es aussieht wird sie demnächst sogar noch den Dauerkanzler Kohl übertreffen. Mit Unterstützung der SPD selbstverständlich wie möglicherweise der Grünen gleich mit. ;-) Zum Piepen unser Wahlvolk, nicht wahr?

Sie haben ja so Recht mit all Ihren Kritikpunkten.

Das ganze "Politikgeschäft" scheint nach anderen Maßstäben zu funktionieren, denn die Baustellen sind alle bekannt. Nur beim Handeln kommen sie nicht vorwärts o. wollen nix ändern. Ich persönliche denke, dass Lobbyisten die Macht haben. Der Einfluss des Wähler, alle 4 Jahre einen entscheidenden Einfluss auf die Gesetzgebung ausüben zu können, ist marginal u. beruht auf dem Prinzip Hoffnung u. Glaube. Der Lobbyist wirkt da tagtäglich ein o. setzt gleich seine Mitarbeiter ins Ministerium.

Merkel macht auch nur dass, was die wirklichen Bosse ihr sagen. Der Antrittsbesuch bei Trump war ein Lehrbeispiel: Alle Wirtschaftsbosse D. dabei u. sie redet in die Kameras von Freiheit u. meint stattdessen Freihandel (für die D.). Im Dialog mit den Amis ging es dann zur Sache u. Merkel vertrat lediglich die neoliberalen Interessen der dt. Wirtschaft u. nicht ganz D o. die Deutschen. Nein, so simpel, das es schon wieder erschreckt.

Torsten Knecht | So., 18. Juni 2017 - 21:33

... bloß die Probleme sind die alten (Langzeitarbeitslosigkeit, Altersarmut, zu wenig Einzahler bei höherer Lebenserwartung, zwei-drei-Klassengesellschaft durch Politiker/Beamte, AN plus Leihsklave u. die Vermögenden).

Merkel definiert das Problem einfach anders u. schon ist die Lösung in Sicht o. sie ignoriert glatt die Fakten (wie im ARB 2017 durch Passagen-Streichung). Nix sagen = Problem verschwunden.

Merkel kennt nur eine Denke. Und die heisst: Wirtschaft u. Freihandel first. Alle Macht den Neoliberalen. Der AN als Wähler hat das nachsehen. Ihre F-politik passt in dieses Raster. F. sind ihr eine "wirts. Herausforderung", das sagt alles!
Merkels neue Denke ist die alte Denke nur mit anderen Begriffen.

Peter Wagner | Mo., 19. Juni 2017 - 04:21

Kaum zu glauben, dass Merkels Beliebtheitswerte weiter steigen! Ist es der Mangel an vernünftigen Alternativen, oder das politische Unvermögen und die Vergesslichkeit vieler Wähler? Kein deutscher Kanzler hat bisher so viele schwerwiegende, verantwortungslose und nicht wieder gut zu machende fehler gemacht! In der Flüchtlingskrise hat Merkel mit ihrem freundlichen Gesicht auf niemanden Rücksicht genommen. Nicht aufs Parlament, nicht auf unsere Nachbarn, nicht auf unsere überlasteten Behörden und auch nicht auf die Steuerzahler, die diese unvorstellbaren, von Merkel verursachten Kosten, aufbringen müssen. Aber das durch die unkontrollierte Zuwanderung entstandene sicherheitspolitische Chaos, ist wahrscheinlich das noch größere Problem! Wann bekommen wir endlich eine Regierung mit Weitsicht, die die inzwischen schändlich vernachlässigten Deutschen Interessen, in den Mittelpunkt rückt!

Harro Meyer | So., 2. Juli 2017 - 14:43

Und jeder Christ hat dafür Sorge zu tragen, Dass ALLE Menschen dieser Erde diesen, "ihren einzigen wahren Gott Jesus Christus" verehren, um in den zugehörigen Himmel zu kommen. Die Katholiken und die zugehörigen Popen wie Kardinal Marx sind ihr eine sichere Bank. Das hat mit dem deutschen Volk nichts zu tun.
So einfach ist das!

PETER MECKEL | Sa., 8. Juli 2017 - 06:19

Das Chaos um den G20 Gipfel in Hamburg hat einmal mehr gezeigt, dass Merkel überhaupt nichts begriffen hat. Hamburg benötigt angebliche weitere Leuchttürme, da reicht ja eine Elbphilharmonie nicht, da müssen noch Olympische Spiele her, nur der Bürger hat sich dagegen entschieden, aber Scholz hat jetzt den Slogan FEUER & FLAMME auf fatale Weise erleben müssen, was passiert wenn man alles nur schön redet wie Merkel. Wenn der letzte begriffen hat was durch unkontrolllierte Einwanderung nach Deutschland passiert, werden in der ganzen BRD nicht nur die Mülltonnen brennen, dank Merkels brandgefährlicher Politik...
PETER MECKEL