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Flüchtlinge treten zum Christentum über - Konvertieren für die Integration?

Die Verzweiflung ist groß unter den Tausenden von Menschen, die in den vergangenen Monaten nach Deutschland gekommen sind. Um die Aussicht auf ein Bleiberecht zu erhöhen, konvertieren viele muslimische Flüchtlinge zum Christentum

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Riham Alkousaa ist eine syrisch-palästinensische Journalistin. 

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„Die nächsten Sekunden werden alles verändern. Benjamin, ein junger Iraner, wurde als Muslim geboren. Jetzt ist er Christ.“ Ein Beitrag der Tagesthemen befasste sich mit den Flüchtlingen, die von einem Priester der freien evangelischen Gemeinde in Hamburg bei ihrer Konversion zum Christentum begleitet werden. „Ich bin froh, dass Gott jetzt an meiner Seite ist“, sagt Benjamin darin nach seiner Taufe in einem Schwimmbad.

Wenn jemand zu einem anderen Glauben konvertiert, ist das ein großer Schritt. Sei es vom Christentum oder Judentum zum Islam oder umgekehrt. Auf Youtube gibt es zahlreiche Videos, in denen Konvertiten ihren Alltag dokumentieren. Die Resonanz auf diese Menschen ist sehr positiv. Die Youtube-Gemeinschaft lobt ihr Bemühen, den passenden Gott, die richtige Religion zu finden.

Die Geschichte eines jungen Mädchens mit europäischen Wurzeln, die zum Islam konvertiert ist und ihren Gott in Allah gefunden hat, wird mit unzähligen Kommentaren bedacht, die sie beglückwünschen.

Eine andere Konfession anzunehmen, ist in islamischen Ländern alles andere als leicht – egal, in welche Richtung. Es gehört sich nicht und wird weder von der Gesellschaft noch vom Gesetz akzeptiert. Im Islam steht auf die Konversion die Todesstrafe. Inwiefern der Glaube dann jedoch gelebt wird, steht auf einem anderen Blatt. Dennoch ist allein der Gedanke an eine Abkehr vom Islam nichts, das man öffentlich machen sollte.

Politisches oder religiöses Bekenntnis
 

Nach dem Tod des Propheten Mohammed erklärten Tausende von Muslimen, dass sie wieder zu ihrer ursprünglichen Religion zurückkehren und sich vom Glauben, den Mohammed begründet hatte, abwenden wollten. Dieses Vorhaben ging als „Ridda“-Krieg in die Geschichtsbücher ein. Viele arabische Stämme wandten sich vor allem gegen das politische System des Islam. Sie fürchteten, dass mit dem Islam ein staatenähnliches Gebilde geschaffen würde, das die gesamte arabische Halbinsel für sich vereinnahmen könnte.

Ihre Konversion ist deshalb eher als ein politisches und nicht als religiöses Statement aufzufassen. Viele arabische Stämme erkannten, dass die Religion Mohammeds auch die Religion seines Stammes Qureish war. Daher fürchteten sie, dass sein Stamm den Islam als Instrument nutzen könnte, um über die anderen Stämme der Region zu herrschen.

Die neu gegründete Religion Mohammeds war von Anfang an darauf bedacht, die eigene gute Position zu behaupten. Aus Angst vor weiteren Abtrünnigen entstand der Grundsatz, diejenigen, die sich vom Islam abwenden, mit dem Tode zu bestrafen. Die große Befürchtung, die diesem Abschnitt im Koran zugrunde liegt, ist, dass Konvertiten andere Menschen mit der Idee der Konversion anstecken könnten. Und wenn es keine Muslime mehr gäbe, wäre das ein Hinweis auf den nahenden Untergang der Welt, prophezeite Prophet Mohammed.

Eine Konversion kann vielfältige Gründe haben
 

Auch die Beispiele aus dem Tagesthemen-Beitrag lassen eher an eine politisch motivierte Konversion denken. Denn die Konversion zum Christentum ist ein gutes Argument, wenn man sich um Asyl in Europa bemüht. Dann kann man sich darauf berufen, dass Konvertiten in ihren Heimatländern die Todesstrafe erwarten würde. „Die Hälfte der zum Christentum übergetretenen Konvertiten ist vor allem darauf bedacht, die eigene Situation als Flüchtling in Deutschland zu verbessern“, schätzt der Pastor Albert Babajan von der pfingstkirchlichen Gemeinde „Alpha & Omega International“ in Hamburg. Er störe sich daran jedoch nicht besonders und sei froh, dass seine Kirche so viel neuen Zulauf durch die Flüchtlingskrise erfahre, sagt er in dem Beitrag.

Menschen, die sich zu diesem großen Schritt entscheiden, haben dafür vielfältige Gründe. Ob die neue Konfession den Flüchtlingen letztlich hilft, schneller und besser in Deutschland Fuß zu fassen, wird sich herausstellen. Es mag ebenso den Willen zur Integration zeigen, wenn man seinen Glauben der Mehrheitsgesellschaft des Landes anpasst, in dem man in Zukunft leben möchte. Genauso gut kann eine Konversion Ausdruck eines „Hinter-Sich-Lassens“ des alten, vielleicht mit schmerzhaften Erinnerungen verbundenen Lebens sein.

Ohne Zweifel ist es immer schwierig, die Aufrichtigkeit einer Konversion zu beurteilen – zumal, wenn es um so etwas Gewichtiges geht wie ein Bleiberecht in Deutschland. Ob man Gott näherkommt, wenn man den Glauben ändert, wie es Benjamin aus dem Iran sagt, ist darüber hinaus eine andere Frage.

 

Übersetzung: Nils Leifeld

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