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Grüne Missbräuche - Fetischisierung der Sexualität über die Grenzen hinaus

Kisslers Konter: Die Grünen geraten aufgrund früherer Positionen zur Pädophilie unter immer heftigeren Druck. Sicher ist: Das Thema wird die Partei noch lange beschäftigen

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Diese schwarze Wolke wird die Grünen nicht so schnell verlassen. Bis zur Bundestagswahl, vielleicht viel länger wird die Partei sich rechtfertigen müssen in eigener Sache, wird man ihr eine pädophile Vergangenheit vorhalten. Teile der Partei haben ganz offensichtlich einst die Fetischisierung der Sexualität über die Grenzen von Missbrauch und Vergewaltigung hinaus betrieben. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, warf im „Focus“ Daniel Cohn-Bendit vor, dieser habe „durch seine Äußerungen in den 70er- und 80er-Jahren der damaligen Pädophilenszene viel Futter und Rechtfertigungsgründe gegeben.“ Heute, so Rörig, bagatellisiere Cohn-Bendit seine Einlassungen. „Unangemessen“ sei es, wenn Cohn-Bendit die mittlerweile sattsam bekannten Formulierungen aus dem Buch „Der große Basar“ von 1975 als bloße Phantasie und Provokation darstelle.

Ans Licht getreten ist auch – durch einen Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ –, dass es entgegen der Beschwichtigungsversuche heutiger Grünen-Politiker sehr wohl einen offiziellen Parteitagsbeschluss zugunsten der Kindervergewaltiger gab. Im März 1985 verabschiedete der nordrhein-westfälische Parteitag mit 73 zu 53 Stimmen das Arbeitspapier „Sexualität und Herrschaft“, mit dem die Straffreiheit für jeglichen gewaltfreien Geschlechtsverkehr gefordert wurde, auch zwischen Erwachsenen und Kindern. Es war, kommentiert die FAS, „der größte Triumph der Päderasten“, wie sie sich etwa in der grünen Arbeitsgruppe „Schwul und pädophil“ („SchwuP“) sammelten.

Das stimmt, ist aber beileibe nicht erst seit Mai 2013 bekannt. Es gab entsprechende zeitgenössische Presseberichte, und es gibt seit 2010 den bei einem Kleinverlag erschienenen Sammelband „Die missbrauchte Republik“. Ein eigenes Kapitel ist den „grünen Vorstellungen zum Sex mit Kindern“ gewidmet. Bereits Anfang Februar 1985 hat demnach die grüne Bundestagsfraktion gefordert, die Gesetze zum Schutz Minderjähriger abzuschaffen. Die „sexuelle Selbstbestimmung“ von Knaben, „die sich ihrer homosexuellen Orientierung bereits gewiss sind“, dürfe nicht durch Strafandrohung eingeschränkt werden. Auch minderjährige Mädchen hätten ein Recht auf „sexuelle Interaktionen“. Wer es anders sehe, sei in „älteren Vorstellungen von ‚Marktwert‘ und ‚Heiratschancen‘ des Mädchens“ gefangen. Selbst Antje Vollmer, die Theologin und spätere Vorsitzende des Runden Tischs für misshandelte Heimkinder, unterzeichnete den Antrag.

Die „Alternative Liste Berlin“ habe sodann das Vorgehen gegen „pädosexuelle Neigungen“ ausdrücklich „unmenschlich“ genannt. Es folgte der besagte nordrhein-westfälische Landesparteitag, ehe wenig später, im April 1985, ein Arbeitskreis der baden-württembergischen Grünen die Straffreiheit für „einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern“ forderte. Volker Beck wiederum, heute menschenrechtspolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, schrieb 1988 in einem Aufsatz, der laut Beck „nicht autorisiert“ gewesen sei, „gewaltlose pädosexuelle Erlebnisse“ dürften nicht vom Sexualstrafrecht erfasst werden. Die „Entkriminalisierung der Pädosexualität“ sei dringend erforderlich.

Zwei Fragen stellen sich: Die Arbeitsgruppe „Schwul und pädophil“ löste sich Anfang 1987 auf. Was ist aus den Mitgliedern geworden? Besannen sie sich rasch eines Besseren – oder verfolgten sie das alte verbrecherische Ziel auf neuen Pfaden, innerhalb wie außerhalb der Partei? Und warum gab es in einer dezidiert hierarchiekritischen Bewegung kein hinreichend entwickeltes Sensorium für das Machtgefälle zwischen Kindern und Erwachsenen? Die Antwort könnte lauten: Wer im Menschen nur ein Sexualwesen sieht, für den beginnt das Menschsein mit dem ersten Geschlechtsakt. Guten Gewissens wollten die Propagandisten des Missbrauchs die Kinder aus ihrer Kindheit befreien – je eher, desto besser, aus Überzeugung und Neigung.

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