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FDP - Brüderles Putsch

Jetzt fordert auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle einen vorgezogenen FDP-Parteitag. Egal wie die niedersächsische Landtagswahl am Sonntag ausgeht. Die Forderung ist ein Affront gegen den Parteichef. Das kann nur eines heißen: Rösler soll und muss weg

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Rainer Brüderle ist ein gern gesehener Gast im Frühstücksfernsehen. Für einen flotten Spruch am Morgen ist der FDP-Fraktionsvorsitzende immer gut. Der Freitag vor einer wichtigen Landtagswahl ist zudem eine gute Gelegenheit noch einmal die Wähler der Liberalen zu mobilisieren. Doch der Auftritt von Rainer Brüderle an diesem Freitagmorgen in der ARD war viel mehr als der letzte Mobilisierungsversuch einer ums politische Überleben kämpfenden Partei. Der Aufritt Brüderles war vielmehr ein versteckter Affront gegen den Parteivorsitzenden Philipp Rösler. In Wahrheit zündete Brüderle die Lunte einer politischen Bombe, die nach der Wahl in Niedersachsen explodieren soll, und zwar unabhängig davon, wie die Wahl ausgeht. Die tatsächliche Botschaft seines Auftritts im ARD-Morgenmagazin lautet: Rösler muss weg.

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Auf den ersten Blick redet Brüderle in dem Interview gewohnt harmlos, er lobt die erfolgreiche Politik seiner Partei, nimmt Rösler gegen Kritik in Schutz. Er sagt artig, man dürfe „die Situation einer Partei nicht auf den Vorsitzenden reduzieren“ und er erklärt: „Ich stehe hinter Rösler.“ Dabei ist in dem Interview nicht zu übersehen und zu überhören, dass das Gegenteil der Fall ist. Denn ein wenig verschwiemelt, aber in der Sache unmissverständlich fordert Rainer Brüderle einen vorgezogenen Parteitag. Nicht erst im Mai, sondern schon „Anfang März, Ende Februar“ solle die FDP ihre Führung neu wählen. Und das bedeutet, Brüderle steht nicht mehr hinter seinem Parteichef. 

Erstens macht ein vorgezogener Parteitag nur dann Sinn, wenn ein neuer Vorsitzender gewählt wird. Wenn es für die FDP nur darum ginge, einen erfolgreichen Amtsinhaber zu bestätigen und zu Beginn der heißen Wahlkampfphase zu feiern, dann könnte die Partei mit ihrer Vorstandswahl auch bis Mai warten. Wenn jedoch ein neuer Vorsitzender gewählt werden soll, weil es der Amtsinhaber nicht mehr bringt, dann steht die FDP im Wahljahr unter großem Zeitdruck. Es ist deshalb auch kein Zufall, dass die Forderung nach vorgezogenen Vorstandswahlen zuerst von den Rösler-Kritikern in der FDP erhoben wurde, etwa von Entwicklungsminister Dirk Niebel.

Und wenn Rainer Brüderle zweitens der Meinung wäre, das politische Schicksal von Parteichef Rösler hinge vom Ausgang der Landtagswahl ab, dann hätte er seine Forderung nicht jetzt platziert. Dann hätte er abgewartet, wie die FDP in Niedersachsen abschneidet. Dann hätte er gewartet, bis Rösler nach einer Niederlage selbst seinen Abschied erklärt. Oder er hätte Rösler im Falle eines Wahlsieges die Gelegenheit gegeben, das Ende aller Führungsdebatten sowie einen liberalen Neustart mit ihm als Vorsitzenden zu verkünden.

Man darf in diesem Zusammenhang getrost davon ausgehen, dass Rainer Brüderle ein Profi ist, einer der seit vielen Jahrzehnten im politischen Geschäft ist und alle Tricks des Gewerbes kennt, auch die schmutzigen. Und deshalb darf man auch davon ausgehen, dass Rainer Brüderle nicht zufällig zwei Tage vor der Niedersachsenwahl ausgerechnet mit der Forderung nach einem vorgezogenen Parteitag ins Fernsehen geht.

Die Tage des FDP-Vorsitzenden sind also gezählt. Rösler steht mittlerweile ohne eigene Truppen da. Alle einflussreichen Liberalen haben sich inzwischen gegen Rösler positioniert: Wolfgang Kubicki und Dirk Niebel, Christian Lindner und Hans Dietrich Genscher, jetzt auch Fraktionschef Brüderle. Eine Putschankündigung, wenn auch eine versteckte, kurz vor der Wahl, so etwas hat es in der deutschen Politik noch nicht gegeben.

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