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George Soros - Ein US-Milliardär bittet Deutschland zur Kasse

Der Börsen-Guru George Soros sieht nur zwei Möglichkeiten, wie Deutschland den Euro retten kann. Entweder mehr zahlen oder die Euro-Zone verlassen. Wulf Schmiese hat sich die polemischen Thesen des Milliardärs genauer angeschaut

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich immer leicht, mit dem Euro laufe alles in die falsche Richtung. Die einen mosern, Deutschland habe längst zu viel investiert, um die Gemeinschaftswährung zu retten. Die anderen behaupten das Gegenteil und fordern viel höheren finanziellen Einsatz. Angela Merkel bezieht hier ihre liebste Position: die Mitte. Sie will den Euro erhalten. Doch sie will nicht, dass gemeinsames Geld auch gemeinsame Verschuldung bedeutet. Das ist ein schmaler Grat, auf dem sie die drei Monate bis zur Europa-Wahl sichtlich balancieren wird.

Einer der wenigen Sätze Merkels, die Pathos à la Kohl haben, war: „Scheitert der Euro, scheitert Europa.“ Es klingt ein bisschen wie: Euro, Euro über alles! Doch das täuscht. Die Kanzlerin will keineswegs, dass aus der Währungsunion auch eine politische Union wird, in der die rein nationale Verantwortung für das eigene Haushalten nicht mehr gilt. Weil sie das nicht will, zieht nun einer der reichsten Männer der Welt gegen die Bundeskanzlerin zu Felde. Der zig Milliarden schwere George Soros, der sein Geld mit Hedgefonds machte, will die EU retten – und hält Merkel für eine der größten Gefahren des geeinten Europas.

Schildkröte wird der 83 Jahre alte Amerikaner Soros in der Finanzwelt genannt; weil er oft bedächtig wirkt, zugleich emotionslos und zäh. Diese Schildkröte aber zeigt nun heftige Gefühle – eben gegen Merkels Europa-Politik. Seine Angriffserklärung liegt jetzt druckwarm in jeder Buchhandlung: „Wetten auf Europa. Warum Deutschland den Euro retten muss, um sich selbst zu retten.“ Es ist ein Gespräch mit dem Brüsseler Spiegel-Korrespondenten Gregor Peter Schmitz; ein streitbares, kluges wie dreistes Gespräch.

Die Geschichte beeinflussen
 

Soros will mit seinen Einlassungen zur Euro-Krise nichts Geringeres erreichen, als die „Geschichte zu beeinflussen“, wie er in dem Buch sagt. Er hofft sogar, dass er nicht nur die deutsche, sondern gleich „die europäische Öffentlichkeit überzeugen kann, dass sie den Euro und die Europäische Union retten muss, um sich selbst zu retten“. Soros fühlt sich als Europäer. Als Georg Schwarz kam er in Budapest zur Welt. Sein Vater änderte den Nachnamen in Soros, weil das weniger jüdisch klingen sollte. Dennoch überlebte die Familie nur in Verstecken vor den deutschen Besatzern. 1956 emigrierte Soros vor den Kommunisten in die USA, wo er sein Vermögen als wohl weltweit erfolgreichster Spekulant gemacht hat.

Zum Guru der Finanzinvestorenszene wurde er 1992, weil er gegen das damals überbewertete Britische Pfund spekulierte und so buchstäblich über Nacht eine Milliarde Dollar verdiente. Schwerer aber wog die Folge seines finanziellen Erfolgs. Die durch ihn erzwungene Abwertung des Pfunds verhinderte, dass Großbritannien später Mitglied der Euro-Zone wurde. Vor diesem Hintergrund ist es schon mehr als Chuzpe, wenn Soros nun der deutschen Politik Egoismus vorwirft: Sie verfolge „viel kompromissloser nationale Interessen“ als zu Kohls Zeiten. Anders als damals gehe es Berlin „nicht ums europäische Gemeinwohl“. Merkel sei nur „so pro-europäisch, dass sie den Euro bewahren möchte. Aber sie scheint nicht zu begreifen, dass der Euro nur ein Mittel zum Zweck ist. Das viel wichtigere Ziel ist, die Europäische Union zu bewahren.“

Merkel verschulde den „folgenschwersten Fehler der gesamten Euro-Krise“, wirft ihr Soros vor. Sie habe nämlich kurz nach Ausbruch der Finanzkrise vor sechs Jahren eine gemeinsame Garantie-Erklärung wertlos gemacht. Nachdem die EU-Finanzminister versprochen hätten, keine systemrelevanten Banken pleitegehen zu lassen, habe Merkel das eingeschränkt. Mit Blick auf die deutschen Wähler sei ihr wichtig gewesen zu betonen, „dass jedes Land einzeln haften werde“.

Also nicht einer für alle, alle für einen. „Kohl hätte wahrscheinlich genau das Gegenteil getan und das Euro-Projekt auf die nächste Stufe gehoben, indem er die Schulden der einzelnen Staaten in Euro-Bonds umgewandelt hätte“, schwärmt Soros über den Vater des Euro. „Das hätte die Märkte dauerhaft beruhigt. Nach Merkels Aussagen kehrte zwar kurz Ruhe ein, doch sehr bald fanden die Investoren heraus, was nicht stimmte: dass nämlich unter diesen Umständen EU-Mitgliedsstaaten pleitegehen können, weil sie nicht über genug Mittel verfügen, um ihre Banken mit gewaltigen Garantien zu stützen.“

Auch wenn hier ein wahrer Insider vor Spekulanten warnt: Es ist in der EU trotz Bankenkrise und Staatshaftung kein Land Bankrott gegangen. Soros aber glaubt, dass erst nach den Banken-Stresstests, die für dieses Jahr geplant sind, die Gefahren wieder real werden – und seine Kollegen Spekulanten dann aktiv.

Soros sieht zwei Möglichkeiten, wie Deutschland sich verhalten müsse, um die EU zu erhalten. Entweder solle es die südlichen Nachbarstaaten weit selbstloser unterstützen, also sich die Euro-Rettung weit mehr kosten lassen als die bislang – wohlgemerkt vorerst nur als Garantiesumme gegebenen – 150 Milliarden Euro. Schließlich sei das dann immer noch ein einträgliches Investment in Staaten, die sich nur auf diese Weise deutsche Waren leisten könnten und so dem deutschen Export Flügel verliehen. „Das Land müsste ein wohlwollender, ein großzügiger Hegemon werden, so wie die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Rückkehr zur D-Mark?
 

Oder Deutschland sollte die Euro-Zone verlassen. „Das wäre ein großer Schock für Deutschland, aber eine große Erleichterung für den Rest des Kontinents“, sagt Soros. „Die D-Mark würde stark, der Euro hingegen schwach. Spanische, griechische oder italienische Exporte wären mit einem Schlag wieder wettbewerbsfähig.“ Was DM-Nostalgikern wie eine Win-Win-Situation erscheinen mag, bricht der Buchautor Schmitz auf derbe Verluste herunter: Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung vom letzten April habe errechnet, „dass eine Rückkehr zur D-Mark das Land in den nächsten 13 Jahren fast 1,2 Billionen Euro Wirtschaftswachstum kosten und das Bruttosozialprodukt zwischen 2013 und 2025 im Schnitt um einen halben Prozentpunkt senken würde. Ein solcher Schaden wäre keineswegs kurzfristig.“

Was nun, Deutschland? Mehr Geld geben für die Zukunft des Euro oder gar keins mehr und alleine weiter machen? Im Kanzleramt dreht man die Augen über beides: sowohl über Soros´ Anklage, nicht genug Geld zu geben, als auch über D-Mark-Wünschelrutengänger. Merkels Strenge, die einzelnen Finanzminister der EU nicht aus ihrer Sparpflicht zu entlassen, habe doch zu spürbaren Reformen geführt, heißt es bei der Kanzlerin. In Irland, Spanien, Italien und bald auch Portugal sei das Krisental durchschritten.

Eben hat die EU-Kommission ihre Winter-Prognose vorgelegt. Die Euro-Zone verzeichnet danach wieder Wachstum. „Die Konjunktur in Europa fasst nun Tritt“, sagt der Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn. Und wie eine Sensation liest sich, was es seit sieben Jahren nicht gab: Griechenland hat angeblich wieder ein Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent.

Soros sagt in dem Gesprächsbuch: „Die Deutschen, auch Schäuble, haben die Rettung Griechenlands komplett vermasselt.“ Laut dem Wirtschaftsausblick der EU jedoch soll die griechische Wirtschaft im nächsten Jahr sogar um 2,9 Prozent wachsen. Kaum zu glauben.

 

 

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