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(picture alliance) Eene-meene-muh bei den Grünen: Katrin Göring Eckart (l.) soll's für die Realos richten, außerdem rangeln die Parteivorsitzenden Claudia Roth (2.v.l.) und Cem Özdemir (r.) um den Spitzenplatz

Personalquerelen - Ein Treppenwitz namens Grünen-Partei

Die Grünen nennen sich Programmpartei, doch was sich in ihren Reihen derzeit abspielt, ist eine Farce. Statt Sach- gibt es Personalpolitik. Wahlen wird man so aber nicht gewinnen können.

Eigentlich wäre jetzt die Stunde der Grünen. Im Angesicht der drohenden Erderwärmung fordert Kanzlerin Angela Merkel einen neuen Wachstumsbegriff. Derweil rasiert Bundesumweltminister Peter Altmaier die Energiewende – und übernimmt die Logiken der großen Lobbyplayer aus der konventionellen Energiewirtschaft. Außerdem wäre da noch die Frage nach dem Atomendlager zu klären.

Doch was machen die Grünen? Sie streiten darum, ob Katrin Göring-Eckardt neben Jürgen Trittin in den Wahlkampf-Ring steigen soll, oder doch lieber weiterhin Claudia Roth – oder beide neben Trittin in einer Troika. Die Bürgerinitiativen in und um Gorleben haben sich in einem offenen Brief entsetzt von den Grünen abgewandt.

Nun ist die Suche nach dem geeigneten Spitzenpersonal – außerhalb des Kanzlerinnenwahlvereins CDU – in der Tat keine ganz leichte Aufgabe. Der freidemokratische Königsmord, der Kalte Krieg um die Führung der Linken, die Verweigerung der K-Frage bei der Sozialdemokratie, informeller Ämtertausch bei den Piraten – es ist nicht leicht, zu führen, wenn man nicht aus dem Kanzleramt heraus führt. Und wenn dann noch Lager- und Geschlechterarithmetiken hinzukommen, scheint der gordische Knoten perfekt verschnürt.

Stühlerücken als Politikersatz

Diesen zu zerschlagen, „bemühen“ sich seit Monaten die Flügel in der Partei. Die eine (Claudia Roth) wirft ihren Hut gänzlich ungefragt in den Ring, ein anderer (Jürgen Trittin) hat diesen ohnehin auf und hält sich vornehm zurück. Und wieder andere (die Realos um Boris Palmer) bringen stellvertretend Hüte in den Umlauf – aktuell den von Katrin Göring-Eckardt. Mit ihrer Aufstellung soll, so das Kalkül der Realos, eine Doppelspitze der vermeintlichen Parteilinken Trittin und Roth verhindert werden, da diese allein wertkonservative Schichten verprellen würden.

Ganz anders Katrin Göring-Eckardt, die einst von Künast und Kuhn aus der engen Parteiführung verdrängte Ostdeutsche und Synodale, der ein ähnlich versöhnlicher politischer Stil unterstellt wird wie dem grünen Messias Winfried Kretschmann. Mit Göring-Eckardt, die lange keine bedeutende Rolle in der Partei spielte und nun plötzlich einen ganzen Flügel abzudecken hat, soll im Bund gelingen, was Kretschmann in Baden-Württemberg vollbrachte: der weite Sprung über das eigene Milieu hinaus! Das wird kaum reichen – und alle am Stühlerücken Beteiligten sollten das wissen.

Der Unterbau des grünen Erfolgs

Denn der Blick auf die vergangenen Jahre zeigt vor allem eines: Die Führungsfrage ist kein hinreichender Mobilisierungsfaktor alter – und vor allem neuer – Wählermilieus. Der Erfolg der Grünen der vergangenen drei Jahre speiste sich vielmehr aus der Wiederentdeckung der grünen Erzählung, dem Wiederanknüpfen an die eigene Gründungsgeschichte, an den grünen Gründungskonsens. Ein den Grünen zugewandter Zeitgeist tat sein Übriges.

Vieles begann mit der, inzwischen wieder rückläufigen, mindestens symbolischen Wiederannäherung an die Bewegungsherkunft der Partei. Die Grünen waren wieder präsent als Akteur und Bündnispartner der Zivilgesellschaft, auf den Anti-Castor-Protesten, am Stuttgarter Bahnhof und vor den Atomkraftwerken der Republik. Der Erfolg für dieses Bemühen blieb nicht aus. Das Meinungsklima trug die Grünen seit 2010, also noch vor Fukushima, in ähnliche Höhen wie nach den Kernschmelzen in den japanischen Katastrophenreaktoren.

Grüne Politik wurde wieder symbolhaft, die Grünen benannten, strukturierten den Konflikt um die Atomkraft. Mit dem programmatischen Wiederanknüpfen an ihre Gründungsgeschichte vermochte es die Partei, in den Umweltkrisen des Jahres 2010 und im Konflikt um die Laufzeitverlängerungen deutscher AKWs, den Protesten eine sinnstiftende Erzählung an die Seite zu stellen. Die Öko-Partei  vermochte es mithin, den Konflikt über Zeichen und Symbole auch kulturell zu überwölben – eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg von Parteien.

Seite 2: Auf Regierungs- statt auf Konfrontationskurs

Auf Regierungs- statt auf Konfrontationskurs

Doch statt hieran anknüpfend Gorleben als Endlagerstandort im Schulterschluss mit den lokalen Initiativen abzulehnen, heißt es 2012 seitens der Partei, es sei politisch nicht durchsetzbar, Gorleben von vornherein als Endlager auszuschließen. Statt die irritierten Endlager-Initiativen im Vorfeld des geplanten grünen Gesetzesentwurfes zu beteiligen, fordert man sie zum Stillhalten auf. Statt bei ESM und Fiskalpakt weitreichende programmatische Pflöcke einzuschlagen, arrangiert sich die Partei mit einer auf europäischer Ebene kaum durchsetzbaren Transaktionssteuer.

Aber warum eigentlich? Wären die Grünen 1980 mit solcher Sachzwanglogik angetreten, gebe es heute keine grüne Partei, also auch keine grüne Personaldebatte. Die Logik dahinter ist die einer Regierungspartei in spe, einer Partei, die im Höhenflug schon aufs Kanzleramt zusteuerte und nichts mehr fürchtet, als wieder Klientelpartei zu sein und sich auch deshalb den Zwängen und Logiken vermeintlicher Staatsräson zu beugen bereit ist. Die rot-grünen Granden der bleiernen Fischer-Zeit stehen bereit.

Wohin nur laufen?

Dieser Kurs wird aber nicht zu Wahlerfolgen führen. Denn das Erfolgsrezept der letzten Jahre hieß mitnichten Kompromiss oder Anpassung, sondern Konfrontation, wie im Stuttgarter Schlosspark, in Gorleben, in der Debatte um AKW-Laufzeiten, in der Einforderung der Energiewende. Was wirkte, vor allem auf neue Wählersegmente, war der absolute und unbedingte Fokus auf den ökologischen Markenkern der Partei, war die glaubwürdig grüne Erzählung von Brokdorf und Whyl bis nach Fukushima. Doch zumindest diese Geschichte ist (weitgehend) auserzählt, der konsensuale Ausstieg als Leistung der Kanzlerin verbucht. Geschichte ist nicht immer gerecht.

Vor allem nicht dahingehend, dass im derzeitigen medialen Diskurs um die Energiewende – als einzig logische Konsequenz des Ausstiegs – vor allem die Skeptiker zu Wort kommen. Je länger sich die Grünen der personellen Nabelschau widmen, desto mehr Terrain werden sie in dieser Debatte verlieren. Dabei sollte die Partei gewarnt sein. Schon einmal haben sich die Grünen von der „Klimakanzlerin“ ihr Kernthema streitig machen lassen – 2009 war die Umweltpolitik der Großen Koalition das am besten bewertete Politikfeld und die Grünen landeten in der Wahl auf Platz fünf von fünf im Parteienwettbewerb.

Können Trittin, Roth und auch Göring-Eckardt hier substantiell programmatisch gegenhalten, etwa bezüglich des im bürgerlichen Lager immer skeptischer verhandelten Wachstumsbegriffs, dann sind sie (noch) die richtigen Führungskräfte der Partei. Können sie dies nicht, bräuchten die Grünen zügig Ersatz. Doch auch der stünde vor der Herausforderung, Inhalte und Konzepte nicht durch simple Personalwechsel zu ersetzen, wie es sich Boris Palmer vorstellt.

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