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(picture alliance) Einmal mehr bezeichnet Merkel die Bundesregierung als „erfolgreichste seit der Wiedervereinigung“

Merkel auf dem CDU-Parteitag - Ein Hauch von Obamawahlkampf

Ob Homo-Ehe, Betreuungsgeld oder Frauenquote: Die Gräben in der Union sind tief. Doch wenn es um ihre Chefin geht, ist sich die Partei einig. Angela Merkel schaffte es auf dem CDU-Parteitag wieder einmal, alle hinter sich zu bringen. Sie wurde mit ihrem bisher besten Ergebnis wiedergewählt

Als Angela Merkel mit ihrer Parteitagsrede fertig ist, tritt sie herab vom Pult und schaut mit diesem schüchtern-lächelnden Kanzlerinnenblick in den Saal. Nachdem sie etwa eine Stunde lang gemahnt, erklärt, erinnert und auch gepoltert hat, spiegelt sich auf den Gesichtern der Parteitagsdelegierten der Ausdruck eben dieser Kanzlerin. Eine Art nüchterne Beseeltheit.

Verhaltene Rufe, Klatschen, keine übertriebenen Jubelchöre, keine Poster, die hochgehalten werden wie noch zuvor beim Einpeitscher David McAllister, dem niedersächsischen Ministerpräsident. Der läuft noch zwei Stunden nach seiner Rede mit vor Aufregung geröteten Wangen über den blauen Teppich des Parteitags.

Angela Merkel hat es wieder geschafft, ihre Partei hinter sich zu vereinen. Nach Parteiangaben wurde sie mit 97,94 Prozent der Delegiertenstimmen im Amt bestätigt – zum siebten Mal. Es ist Merkels bisher bestes Ergebnis.

Die Hauptaufgabe der Vorsitzenden einer so großen Volkspartei wie der CDU ist es, jeden Wähler und jeden Delegierten mitzunehmen und ihm das Gefühl zu vermitteln, der Einzelne sei gemeint. Gleichzeitig muss sie aber eine große Masse an Menschen erreichen.

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Wenn Merkel an diesem Dienstag spricht, geht es vor allem darum, vergessen zu machen, dass innerhalb der CDU die Schützen ihre Gräben ausbauen, dass Betreuungsgeld, Homo-Ehe, Frauenquote und Griechenland-Rettung die Partei bis ins Bundeskabinett hinein spalten.

Merkel beginnt fast trotzig, indem sie ihre Regierung einmal mehr als „erfolgreichste seit der Wiedervereinigung“ bezeichnet. Mit dem Ausspruch hatte sie vor einigen Tagen im Bundestag selbst bei Parteimitgliedern Verwunderung ausgelöst. Nun liefert sie die „Fakten“: Man habe den tiefsten Stand der Arbeitslosigkeit, die höchste Erwerbstätigkeitsquote erreicht.

Das alles habe man der CDU-geführten Regierung zu verdanken. Zu rot-grünen Zeiten waren die Menschen auch fleißig, es habe „nur nicht gewirkt.“ Jubel im Saal. Überhaupt: Die Agenda 2010, die im Zusammenhang mit den positiven Entwicklungen im Arbeitsmarkt auch genannt werden muss, war richtig. Die SPD mache daraus aber eine Art von „Vergangenheitsbewältigung“, die dem Land nicht gut tue.

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In ihrer CDU solle es vor allem um die Zukunft gehen. Merkel skizziert drei Leitsätze: Erstens: Kinder. Das Grundgut unserer Gesellschaft müsse man „Fördern und Fordern“. Darunter verteidigt Merkel Betreuungsgeld, Elterngeld, Ansprüche auf den Kitaplatz. Jedes Kind müsse deutsch sprechen, es ginge um Teilhabe und Integration, die CDU stehe für ein durchlässiges Schulsystem, den Aufstieg durch Leistung. Für Wahlfreiheit und Wahlmöglichkeiten.

Als weiteren Leitsatz formuliert Merkel das entschlossene Nutzen von Möglichkeiten: Wohlstand für alle, ein Hoch auf den Mittelstand, dieses „Rückgrat der gesamten deutschen Gesellschaft“. Ihnen dürfe man keine Knüppel zwischen die Beine schmeißen, wie die Sozialdemokraten dies täten. Deren Programm sei ein „Mittelstandsgefährungsprogramm“. Gejohle – das kommt gut an im Saal.

Seite 2: Das Hauptthema kommt erst am Schluss

Merkel macht klar: Sie steht hinter der Flexiquote. Zufriedenes Lächeln bei Familienministerin Kristina Schröder auf der Bank. Aber – mit Hinblick auf Arbeitsministerin Ursula von der Leyen – auch ihre Geduld bei dem Thema gehe zu Ende: „Wenn mehr Frauen Abitur und mehr Frauen bessere Abschlüsse machen, dann kann mir keiner mehr erzählen, dass sie keine 50 Prozent Frauen in Führungspositionen bringen.“

Die Energiewende beschreibt sie als ehrgeizigstes, aber auch schwierigstes Projekt. Gerade bei der Sanierung von Altbauten müsste einer Bezuschussung endlich der Weg frei gemacht werden. Kleiner Seitentritt nach Rot-Grün: Nirgends würde so geheuchelt wie bei diesem Thema.

Das Hauptthema aber arbeitet Merkel gegen Ende ihrer Rede ab: Europas größte Bewährungsprobe, die Rettung des Euro. Mit Schuldenbremse, ESM und Fiskalpakt lägen zwar Instrumente auf dem Tisch. „Wenn ich es mir leicht machen würde, würde ich sagen: Das Gröbste ist überstanden.“ Aber das Ganze sei ein anstrengender und langer Prozess, bei dem man nicht nachlassen dürfe.

Und um der wachsenden Zahl von mosernden Abweichlern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Deutschland gehe es nur gut, wenn es Europa gut geht. Ein Europa, deren Einwohner nur noch sieben Prozent der Menschen dieser Welt ausmachen, müsse den Euro stärken, wenn es noch Einfluss haben wolle. Sorge bereite Merkel aber die Finanzmarktregulierung. Sie kämpfe für eine Finanztransaktionssteuer und eine bessere Bankenaufsicht, die den Namen auch verdient.

Sicherheit und Zusammenhalt sind der letzte Punkt, den die Kanzlerin anspricht. Solidarpakt, demografische Entwicklung, Rente und der Kampf gegen Altersarmut. Starke Schultern müssten mehr tragen als schwache, mahnt Merkel. Und dann weht ein muffiger Hauch von Obamawahlkampf durch die niedersächsische Messehalle. Man sei die Partei des Physikers aus Kaislerslautern, der an der Krebsforschung arbeite, die Partei der Mutter aus Neubrandenburg und des Mannes aus Dellbrück, der seine türkische Heimat verlassen hat und nun Vorsitzender eines Integrationsvereins ist. „Wir alle sind die Christdemokratische Union. Das sind wir.“ Auf einem Brunnen in ihrem Rügener Wahlkreis gäbe es eine Inschrift: „Gottes sind Wogen und Wind. Aber Segel und Steuer sind Euer. So machen wir es.“

Angela Merkel hat die Richtung vorgegeben. Nun muss sie nur Sorge tragen, dass ihre Mannschaft auch die Segel richtig setzt. Auf dem Parteitag sprechen nach der Kanzlerin schon die ersten Euro-Abweichler und die Wilde 13 scharrt mit den Hufen ob der Antragsstellung der steuerlichen Gleichstellung der Homo-Ehe.

Zumindest nach außen hin bettet der Parteitag die Vorsitzende auf Rosen. Beim letzten Mal klatschten die Delegierten sechs Minuten lang. Am Montagabend im ZDF-Interview sagte Merkel noch, es sei ihr egal, wie lange geklatscht würde. Sie würde die Zeit nicht stoppen, das täten andere.

Wir zum Beispiel: Es waren siebeneinhalb Minuten.

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