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Dirk Niebel - Putschist will Minister bleiben

Dirk Niebels Aufstand in der FDP ging daneben. Bleibt er Minister? Er meldet schon mal Ansprüche an 

Einst war er mit einem klapprigen Auto in Israel angekommen, um in einem Kibbuz zu arbeiten; gleich nach Abschluss der Schule war das. Jetzt landet er in einem schicken Regierungsjet in Tel Aviv. Ein Moment der Nostalgie muss das für Dirk Niebel sein, denn es ist das letzte Mal, dass er als Minister den Nahen Osten im Airbus der Luftwaffe bereisen darf. Oder doch nicht?

Beim Dreikönigstreffen im Januar hat der Entwicklungsminister zum Putsch gegen FDP-Parteichef Philipp Rösler aufgerufen. Ein neues Führungsteam müsse her. „Es zerreißt mich innerlich, wenn ich den Zustand meiner Partei sehe“, schleuderte er Rösler entgegen. Von da an ging’s bergab. Nicht mit Rösler, sondern mit Niebel. Denn Rainer Brüderle verweigerte sich dem Putschisten, und die Partei strafte Niebel ab. Beim Parteitag im März flog der ehemalige Fallschirmjäger aus der Führungsriege der FDP.

Dem „Dirk“ als Minister werde dort „keiner eine Träne nachweinen“, meint einer aus der FDP-Spitze. Sein Nachfolger im FDP-Präsidium Wolfgang Kubicki sagt sarkastisch, er bewundere Niebels Geschichtskenntnisse, weil er doch mit seiner Fallschirmjägermütze auf Kreta und in Namibia aufgetreten sei – beides Orte blutiger deutscher Militäraktionen. „Auf die Idee muss man kommen“, ätzt Kubicki.

Im Bus vom Flughafen nach Jerusalem gibt es sie wieder als Souvenir für die Mitreisenden: eben diese Fallschirmjägermütze, sein Markenzeichen, das Original hat er dem Haus der Geschichte in Bonn vermacht. Ein Abschiedsgeschenk?

Nicht, wenn es nach Dirk Niebel geht, der auf dieser Reise auf einen breitkrempigen Sonnenhut ausgewichen ist. Bei politischen Gesprächen, einer Grundsteinlegung für eine Schule, der Eröffnung eines Klärwerks im Westjordanland und einem Frühstück mit israelischen Wirtschaftsbossen bringt er immer wieder eine Botschaft unter, die mindestens so an die Delegation der deutschen Mitreisenden wie an seine lokalen Gesprächspartner gerichtet ist: Mit mir ist noch zu rechnen, eine Kampfansage Richtung Berlin.

Ganz so aussichtlos ist Niebels Lage nicht mehr. Er hat sich zum Spitzenkandidaten der Liberalen in Baden-Württemberg für die Bundestagswahl hochgekämpft. Die Südwest-FDP ist zwar tief zerstritten, hat aber als zweitgrößter Landesverband einigen Einfluss in der Partei. Auch Niebel glaubt freilich nicht an Wunder. Nein, ein Ergebnis von 18,8 Prozent wie 2009 in Baden-Württemberg werde es wohl nicht wieder. Aber: „Zweistellig muss es in jedem Fall werden.“ Er sei überzeugt, dass er im Ländle mit einem guten Ergebnis dazu beitragen werde, eine Mehrheit für Schwarz-Gelb zu erreichen. „Und ich sehe nicht, dass gute Leistung dann nicht auch entsprechend belohnt werden sollte.“

Mit anderen Worten: Wer käme an Niebel als Minister vorbei? Rösler etwa? Da wird Niebel trotzig: „Ich bin überzeugt, dass Philipp Rösler genau weiß, wer gute Arbeit geleistet hat. Und welche Landesverbände er braucht, um eine vernünftige Regierungspolitik zu betreiben, die liberal unterlegt ist.“ Noch Fragen, Herr Rösler?

Nun gibt es noch die Chefin im Ring. Warum sollte Angela Merkel den Liberalen – falls es erneut für Schwarz-Gelb reicht – noch einmal fünf Ministerien zubilligen, wenn die FDP um mehr als die Hälfte schrumpft? Selbst an der FDP-Spitze rechnet man fest mit nur drei Ressorts: Außenpolitik, Justiz und Wirtschaft, sprich Westerwelle, Leutheusser-Schnarrenberger und Rösler.

Auch da gibt sich der Fallschirmjäger-Hauptmann der Reserve kämpferisch: „Wenn man die Alternativen der Union betrachtet, muss man zur Kenntnis nehmen, dass bei einer sogenannten Großen Koalition natürlich viel mehr Minister abgegeben werden müssten als bei der Fortsetzung dieser erfolgreichen Regierung. Es spricht also nichts gegen die Beibehaltung der bisherigen Aufteilung.“

In seiner eigenen Partei sehen ihn dagegen manche nur noch in einer „gehobenen Funktion in der Fraktion“. Den Vorsitz der FDP im Bundestag dürfte Brüderle behalten. Ein Ausweg wird gesucht: Weg mit Niebel zu einer internationalen Organisation ist ein Modell. Ein anderer Ausweg wäre, so räsoniert einer in der FDP-Spitze, vielleicht doch die Zusammenlegung von Außen- und Entwicklungsministerium, mit einem Dirk Niebel als Staatsminister unter Westerwelle. Wäre das nicht genau das, was er früher gefordert hat – die Auflösung eben des Entwicklungsministeriums?

Heute will Niebel daran nicht erinnert werden. Im Gegenteil. Warum möchte er ausgerechnet in diesem Amt weitermachen? „Weil ich noch nicht fertig bin.“Nach außen hat er in seiner Amtszeit Schlagzeilen gemacht, weil er einen Teppich im BND-Flugzeug von Afghanistan unverzollt nach Deutschland bringen ließ (für den dann gar kein Zoll fällig war) und weil er auch FDP-Parteifreunde in seinem zuvor tiefroten Ministerium unterbrachte. Seine Reformen, die Zusammenlegung der Entwicklungshilfegesellschaften, finden auch bei der Opposition Anerkennung. Nun will er endlich die Reformen im internationalen Bereich angehen.

Niebel will’s noch mal wissen. Wenn sie ihn lassen würden. „Wenn ich nicht Optimist wäre, wäre ich nicht in der FDP.“

Dass er sich für hohe Ämter berufen hält, wird klar, wenn man in seinem Noch-Ministerium anruft. Die Musik in der Warteschleife kommt von Tim Bendzko: „Muss nur noch kurz die Welt retten …“ 

 

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