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(picture alliance) "Für Stuttgart 21" – leiser aber offenbar mit besseren Argumenten.

Volksabstimmung über „Stuttgart 21“ - Die Wut der Wähler auf die Wutbürger

Nur wenige Wahlbürger haben neben den Anhängern der Grünen gegen Stuttgart 21 gestimmt. Wut empfinden sie, weil sie sich einer Diktatur der grünen Minorität in Politik und Gesellschaft ausgeliefert sehen

An der Volksabstimmung über das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ beteiligten sich im Gegensatz zu den meisten bisherigen Plebisziten in der Republik beachtlich viele Bürger. Mit 48,3 Prozent war die Beteiligung im gesamten Land Baden-Württemberg in etwa so hoch wie bei der letzten Kommunalwahl im Juni 2009 (50,7 %). Und in der vom Bahnhofprojekt unmittelbar betroffenen Landeshauptstadt Stuttgart beteiligten sich sogar über zwei Drittel (67,8 %) aller Wahlbürger. [gallery:Der Streit um Stuttgart 21]

Für den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs haben sich am 27. November im ganzen Land fast 2,2 Millionen Stimmberechtigte entschieden. Damit haben mehr Bürger für den Umbau des Bahnhofs gestimmt als bei der Landtagswahl im März die SPD (1,2 Millionen), aber auch die CDU (1,9 Millionen) gewählt haben. In Stuttgart war diese Diskrepanz noch ausgeprägter: 132.000 Wahlberechtigte stimmten in der Landeshauptstadt für den Umbau, während im März bei der Landtagswahl nur 54.000 die SPD und 84.000 die CDU gewählt hatten.

Gegen das Bahnhofsprojekt stimmte in ganz Baden-Württemberg, aber auch in Stuttgart, nur eine Minderheit der Wahlberechtigten. Im ganzen Land waren nur 1,5 Millionen oder 19,8 Prozent der Wahlberechtigten gegen den Umbau des Bahnhofs. Neben den Anhängern der Grünen dürften somit nur wenige andere Wahlbürger gegen Stuttgart 21 gestimmt haben; denn schon bei der Landtagswahl im März hatten 1,2 Millionen Wahlberechtigte grün gewählt. Und da die Anhänger der grünen Bewegung bei Wahlen auf allen Politikebenen (und auch bei sie interessierenden bzw. von ihnen initiierten Volksentscheiden) ihre Stimme abgeben, dürften landesweit nur etwa 300.000 Wahlberechtigte aus anderen politischen Lagern gegen Stuttgart 21 votiert haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso der Begriff „Wutbürger“ unangemessen ist

In Stuttgart war es ähnlich: Von den 107.000 Bahnhofsgegnern in der Stadt hatten 92.000 bereits im März die Grünen gewählt. Nur 15.000 der Bahnhofsgegner dürften keine grünen Sympathisanten sein. Über den Kern der grünen Wähler hinaus gibt es somit in Baden-Württemberg und in Stuttgart kaum Gegner des Bahnhof-Projektes in nennenswerter Zahl. Die Gegner sind also eine kleine Minderheit, während die große Mehrheit der Bürger im Ländle das Projekt Stuttgart 21 befürwortet und entsprechend für das Projekt gestimmt oder sich nicht an der Abstimmung beteiligt hat. [gallery:Der Streit um Stuttgart 21]

Das Ergebnis der Volksabstimmung zeigt im Übrigen auch, wie unangemessen der Begriff der „Wutbürger“ zur Beschreibung der wirklichen Lage in Stuttgart oder auch in anderen Regionen war und ist. Die von großen Teilen der Medien und in der öffentlichen Diskussion gefeierten „Wutbürger“ repräsentierten nicht – wie unterstellt – eine neue Bewegung der Mehrheit der Bürger. Die Proteste gegen Stuttgart 21 wurden und werden wie die Anti-AKW-Bewegung oder andere Proteste gegen Großprojekte im Kern im Wesentlichen von Anhängern der Grünen getragen, allenfalls ergänzt durch wenige „normale“ Bürger mit Partikular-Interessen.

Wut aber empfindet die Mehrheit der Bürger, die sich der Diktatur einer grünen Minorität in Politik und Gesellschaft ausgeliefert sehen; denn der grünen Minderheit gelingt es mit Hilfe vieler Sympathisanten in den Medien (schon 2005 hatte Siegfried Weischenberg festgestellt, dass über ein Drittel der deutschen Journalisten der grünen Ideologie verhaftet sind) den Eindruck zu erwecken, als gäbe es einen durchgängig grünen Zeitgeist in der Gesellschaft.

Und da SPD und zunehmend auch Teile der Union diesem vermeintlichen Zeitgeist verfallen, setzen sich zunächst in der lokalen Politik, zunehmend aber auch auf Landes- und Bundesebene grüne Positionen durch. Bei einem derartigen Übergewicht „grüner“ Inhalte in der Politik sehen viele Bürger dann bei Wahlen keine Alternative mehr – außer der der Enthaltung in großem Umfang.

Bei der Volksabstimmung in Baden-Württemberg aber hatten die wirklichen „Wutbürger“ ein Vehikel, um ihrer Wut auch Ausdruck zu verleihen. Politische Akteure, vor allem aber auch die Medien, die über die Befindlichkeiten der Menschen wahre Zerrbilder verbreiten, wären gut beraten, aus dem Ergebnis der Volksabstimmung in Baden-Württemberg die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Nur am Rande sei vermerkt, dass es eigentlich keiner aufwendigen und teuren Volksabstimmung bedarf, um den Menschen „eine Stimme zu geben“. Eine seriöse Umfrage mit den richtigen Fragestellungen vermag dies schneller, zuverlässiger und sehr viel billiger.

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