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(picture alliance) Sitzen, beschließen, fertig: Pirat Hilberer bezweifelt die Effizienz der öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien

Pirat im Rundfunkrat - „Die Verantwortung verpufft in den Strukturen“

Als erster Pirat hat er das Entscheidergremium eines öffentlich-rechtlichen Senders von innen gesehen: Der saarländische Fraktionschef Michael Hilberer sitzt im Rundfunkrat des Saarländischen Rundfunks. Im Interview erklärt er, warum er der CSU „ein absurdes Menschenbild“ bescheinigt und warum es in Ordnung ist, dass Parteien die Sender beaufsichtigen

Herr Hilberer, haben Sie schon mal beim Saarländischen Rundfunk angerufen?
Sie meinen, um die Berichterstattung zu beeinflussen? Nein, noch nie.

Auch nicht aus anderen Gründen?
Lassen Sie mich mal nachdenken. Hin und wieder, rein geschäftlich, nach dem Motto: Wir haben da demnächst eine Veranstaltung...

Was sagt Ihnen die ZDF-Anrufaffäre über den Zustand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Das ist ein klares Symptom für viele Probleme im Rundfunksystem. Besonders gravierend an dem Fall ist die Arroganz, mit der die Christsozialen hier vorgegangen sind. Sie haben die Verantwortung nachher zwar auf ihren Sprecher abgewälzt. Da steckt eine totale Missachtung der Pressefreiheit dahinter, ein absurdes Menschenbild.

Das Bundesverfassungsgericht wird demnächst prüfen, ob es beim ZDF noch genügend Staatsferne gibt. Sollte sich Karlsruhe eigentlich auch mal die ARD-Programme vorknöpfen? Offenbar hat die ARD ja der CSU verraten, dass sie nicht über den SPD-Landesparteitag berichtet.
Schön wär’s. Aber man braucht sich auch nichts vorzumachen, man wird keinen rauchenden Colt finden. Es ist ja meist eher eine sanfte Einflussnahme. Im Saarland haben wir auch schon gesehen, wie die Regierung zumindest subtil versucht, ihre Berichterstattung unterzubringen.

Der ZDF-Fernsehrat soll den Fall jetzt aufklären. Aber das Ganze geschieht nicht-öffentlich. Wie soll das gehen?
Gar nicht. Das ist ja genau das Problem. Von außen ist nicht klar, was da gemacht wird. Deswegen fordern wir mehr Transparenz.

Aber auch der Saarländische Rundfunk tagte doch geheim. Sitzungsprotokolle fanden sich nirgendwo – übrigens auch nicht auf der Webseite der Piratenfraktion.
Bei uns ist es momentan noch ein Zeitproblem. Aber das steht ganz klar auf der Agenda, da müssen wir uns noch mal mit dem Intendanten zusammensetzen, welche Möglichkeiten wir haben.

Sie wollen die Protokolle also online stellen?
Ich fürchte ehrlich gesagt, dass das nicht viel bringt. Diese Sitzungen sind stark getaktet. Sie sind eher mit einem Plenum zu vergleichen: Die Entscheidungen wurden bereits im Vorhinein gefällt – und dann wird nur noch abgestimmt. Was daher interessanter ist, ist das Drumherum, der ganze Prozess, der zu diesen Entscheidungen hinführt. Ich hoffe, da auch den einen oder anderen Mitstreiter zu finden.

Seite 2: „Ein ziemlicher Papierwust“

Wie muss man sich so eine Rundfunkratssitzung vorstellen?
Es gab bisher zwei Sitzungen. Ich konnte persönlich nur an einer teilnehmen, bei der anderen hat mich mein Fraktionskollege Andreas Augustin vertreten. Aber im Grunde genommen ist es immer dasselbe: Sie bekommen viele Informationen zugeschickt, es gibt eine sehr stramme Tagesordnung, die sich über Stunden hinzieht. Ein Beschluss folgt dem anderen. Und dann geht es darum, weitere Gremien und Untergremien – z.B. bei arte – zu besetzen, die vom Rundfunkrat entsendet werden. Das ganze System ist sehr aufgefächert. Letztendlich wird die Verantwortung verteilt – und verpufft in diesen Strukturen.

Sie fühlen sich also nicht verantwortlich?
Doch, na klar. Zwar bin ich nur ein kleines Stimmchen in diesem Rundfunkrat. Aber ich habe die ganz klare Agenda, die Arbeit dort transparenter zu machen.

Die Piratenpartei Niedersachsen lehnt Parteienvertreter in den Rundfunkräten generell ab. Im Juni haben die Piraten in Baden-Württemberg Landtagsabgeordnete noch aufgefordert, anstelle von Parteimitgliedern überparteiliche Vertreter in den Rundfunkrat des SWR zu entsenden. Bei den Saar-Piraten gilt das offensichtlich nicht, sonst säßen Sie nicht im SR-Rundfunkrat.
Bei uns war das eine recht kurzfristige Hoppla-Hopp-Aktion. Wir mussten gleich am Anfang unserer Zeit im Parlament jemanden bestimmen. Wir wussten auch nicht, wie das alles funktioniert. Ganz ehrlich. Ich hätte auch kein Problem, jemand anderes zu schicken, wenn wir eine geeignete Person an der Hand hätten, die auch Zeit für diese Arbeit hat. Ich als Abgeordneter habe den Vorteil, dass ich die fraktionelle Infrastruktur im Hintergrund nutzen kann, um die Sitzungen vorzubereiten. Denn das ist schon ein ziemlicher Papierwust, der da kommt.

Aber in Schleswig-Holstein wurde auch ein Pirat in den Medienrat geschickt, der die Landesmedienanstalten überwacht. Offenbar gilt also die Regel, dass der politische Konkurrent bitteschön andere entsenden soll, während die Piraten ihre eigenen Leute schicken.
Das sehe ich nicht so. Für uns ist es wichtig, erst einmal dieses Gremium zu verstehen und sich dann Lösungen zu überlegen. Problematischer ist es etwa, dass dann auch noch die Gewerkschaften Abgeordnete als Vertreter schicken.

Ich verstehe Sie aber schon richtig, dass Sie in einem Gremium sitzen, das Sie eigentlich ablehnen?
Den Rundfunkrat ablehnen? Nein, nein.

Sie lehnen es aber ab, dass der Rundfunkrat von Vertretern der Parteien besetzt wird – und deshalb zu politisch ist…
Die Parteien sind Vertreter des gesellschaftlichen Diskurses. Deswegen sollen die Parteien ihre Vertreter schicken. Damit habe ich kein Problem. Problematisch finde ich, dass die Parteien zusätzlich zu diesen Vertretern noch mehr Vertreter über andere Gremien schicken. Also: Der SPD-Abgeordneter X ist DGB-Vorsitzender und sitzt als Vertreter des DGB im Rundfunkrat. Er stimmt aber natürlich mit der SPD. Somit ist er eben auch nur wieder ein Parteisoldat. Von der Theorie her sind die gesellschaftlichen Gruppen im Rundfunkrat halbwegs ordentlich vertreten. Auch die Parteien hätten eigentlich kein Übergewicht an sich. Aber es gibt eben diese Hintertüren.

Herr Hilberer, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Petra Sorge

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