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(picture alliance) Steuer-Irrtum Nr. 1: „Die Steuern müssen steigen, weil der Staat immer weniger Geld hat“

Umverteilung - Die sechs größten Irrtümer in der Steuerdebatte

Die Gerechtigkeitsfrage wird neben der Euro-Krise zum zentralen Wahlkampfthema. Grüne, SPD und Linke überbieten sich bereits gegenseitig in ihren Steuererhöhungsphantasien. Reine Ideologie, meint Hugo Müller-Vogg und nennt die schlimmsten Irrtümer in der Debatte

Eines lässt sich schon jetzt vorhersagen: Die Gerechtigkeitsfrage wird neben der Euro-Krise zum bestimmenden Thema im Wahljahr 2013. Die Umverteilungsparteien SPD, Grüne und Die Linke laufen sich bereits warm: Ihre Vorschläge für höhere Steuern und neue Abgaben liegen auf dem Tisch. Es ist ein Wettbewerb nach dem Motto: Wer schröpft die Reichen stärker?

Da die Piraten mehr oder weniger mit ihren internen Problemen beschäftigt sind, haben sie noch immer kein Programm, das diesen Namen verdient. Aber auch hier ist die Tendenz klar: Wer hat, dem wird genommen – und zwar kräftig.

Nun kann man mit guten Gründen für eine höhere steuerliche Belastung der Besserverdienenden und der Vermögenden plädieren. Es ist schließlich ein legitimes politisches Ziel, der Umverteilung höchste Priorität einzuräumen – vor internationaler Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Gleichwohl fällt auf, dass die Befürworter eines höheren Spitzensteuersatzes, höherer Erbschaftssteuern, von Vermögenssteuer und Vermögensabgabe gern Totschlag-Argumente verbreiten, die einem Realitätscheck nicht standhalten, bei den Bürgern aber auf fruchtbaren Boden fallen.

Steuer-Irrtum Nr. 1: „Die Steuern müssen steigen, weil der Staat immer weniger Geld hat“

Die Bürger werden immer reicher, der Staat immer ärmer. So lautet die altbekannte Steuererhöhungs-Litanei. Tatsächlich leben wir in einem Land mit munter sprudelnden Steuerquellen.

1991, dem Jahr 1 nach der Wiedervereinigung, nahm der Fiskus 338 Milliarden Euro an Steuern ein – von der Umsatz- bis zur Zündholzsteuer. 2012 werden es laut Steuerschätzung 597 Milliarden sein. Das ist ein Plus von 259 Milliarden oder von 3,7 Prozent pro Jahr. Da bleibt selbst nach Abzug der in den vergangenen 21 Jahren niedrigen Inflationsraten ein beachtlicher Zuwachs.

Der Staat hat also nicht immer weniger Geld. Er gibt nur permanent mehr aus, als ein einnimmt. Deshalb würden Steuererhöhungen nicht zu einer niedrigeren Verschuldung führen, sondern zu höheren Ausgaben.

Steuer-Irrtum Nr. 2: „Die Reichen zahlen keine Steuern“

Das stimmt nur für eine kleine Gruppe der Reichen und Superreichen, die ganz legal Deutschland verlassen und sich in einem Land mit einer geringeren Steuerbelastung niederlassen.

Schlimm ist, dass unsere Gesellschaft solche Steuerflüchtlinge nicht ächtet. Es ist ein Skandal, dass der Steuer-Österreicher Franz Beckenbauer noch immer von der Politik hofiert wird, obwohl dieser Staat ihm keinen Steuer-Euro wert ist.

Die meisten Reichen werden bei uns jedoch zur Kasse gebeten – und das nicht zu knapp. Es gibt bei uns rund 383.000 Spitzenverdiener mit mehr als 172.000 Euro im Jahr – ein Prozent aller Steuerpflichtigen. Die zahlen aber ein Viertel der gesamten Einkommensteuer.

Oder nehmen wir die oberen zehn Prozent mit Jahreseinkünften von 72.000 Euro und mehr. Die zahlen 53 Prozent der gesamten Einkommensteuer.

Nun kann man der Meinung sein, diese zehn Prozent müssten eigentlich 60 oder 70 Prozent der gesamten Einkommensteuer zahlen. Doch dass sie gar nichts zahlen, ist falsch.

Steuer-Irrtum Nr. 3: „Mit Steuerschlupflöchern lässt sich die Einkommensteuer auf Null senken“

In der Tat können Menschen mit viel Geld Immobilien kaufen oder sich an Filmfonds beteiligen. Solche Investitionen führen in den Anfangsjahren zu Verlusten und senken deshalb die Einkommensteuer-Belastung. Doch hat der Gesetzgeber längst ausgeschlossen, dass Verluste in beliebiger Höhe mit dem Arbeitseinkommen verrechnet werden.

Die Steuerersparnis gibt es aber nicht zum Null-Tarif. Werfen solche Investitionen später Erträge ab, dann müssen sie versteuert werden. Führen sie dagegen zu Verlusten, dann wird die anfängliche Steuerersparnis mit dem Verlust des eingesetzten Kapitals bezahlt – ein wirklich schlechtes Geschäft.

Davon können Hunderttausende ein Lied singen, die nach der Wende mit Ost-Immobilien Steuern sparten – und heute zum Beispiel stolze Miteigentümer von leer stehenden, verlustbringenden Gebäuden sind.

Seite 2: Steuer-Irrtum Nr. 4: „Der kleine Mann wird bei der Lohnsteuer stark belastet“

Steuer-Irrtum Nr. 4: „Der kleine Mann wird bei der Lohnsteuer stark belastet“

Die Vorstellung, die Reichen zahlten Einkommensteuer, der kleine Mann aber Lohnsteuer, ist schlicht Unsinn. Die Lohnsteuer ist nur eine Erhebungsform der Einkommensteuer. Anders ausgedrückt: Lohnsteuer ist nichts anderes als direkt vom Gehalt abgezogene Einkommensteuer. Deshalb zahlen auch Topmanager Lohnsteuer.

Dass linke Politiker dennoch immer wieder gern mit dem angeblichen Gegensatz von Lohn- und Einkommensteuer operieren, lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder sie wissen es nicht besser oder sie wollen die Menschen für dumm verkaufen.

Also: Zum Aufkommen der Einkommensteuer von rund 190 Milliarden Euro tragen Groß- wie Kleinverdiener bei, nur in höchst unterschiedlichem Maße. Denn die Hälfte der Haushalte zahlt dankt hoher Freibeträge überhaupt keine Einkommensteuer. Und die unteren 50 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen mit Jahreseinkünften bis 28.000 Euro zahlt zusammengenommen nur 6,9 Prozent.

Steuer-Irrtum Nr. 5: „Aber bei der Mehrwertsteuer muss der kleine Mann bluten“

Richtig ist: Der Staat nimmt mit rund 290 Milliarden Euro an indirekten Steuern (Umsatzsteuer, Tabaksteuer, Stromsteuer usw.) deutlich mehr ein als bei der Einkommensteuer (190 Milliarden). Richtig ist auch, dass die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen gar nichts oder nur wenig sparen können, weil sie ihr gesamtes Einkommen für den Bedarf des täglichen Lebens ausgeben müssen. Da wird dann bei fast jeder Ausgabe Mehrwertsteuer fällig.

Die These, mit der Mehrwertsteuer und anderen Verbrauchssteuern müssten die Armen mehr leisten als die Reichen, stimmt – aber nur relativ. Ein Einkommensmillionär gibt die rund 540.000 Euro, die ihm nach Abzug von Einkommensteuer und Soli noch bleiben, wohl nicht völlig aus. Anders der Hartz IV-Empfänger, der seinen Regelsatz zum Leben braucht.

Nur: Der Großverdiener zahlt natürlich absolut viel höhere Summen. Wer ein Auto für 50.000 Euro kauft, zahlt 8.000 Euro Mehrwertsteuer. Damit finanziert er ein Jahr lang den Regelsatz für zwei Hartz IV-Empfänger. Der Hartz IV-Empfänger zahlt aber im Jahr etwa 400 bis 450 Euro an indirekten Steuern.

Deshalb kann es auch nicht überraschen, dass die Bezieher höherer Einkommen – absolut wie relativ – auch bei den indirekten Steuern mehr zu schultern haben als die Kleinverdiener und Transferempfänger. Die schon erwähnten oberen 10 Prozent tragen eben nicht nur 53 Prozent der Einkommensteuer, sondern auch 19 Prozent der indirekten Steuern. Auch hier wird also umverteilt. Deshalb entfällt auch die Hälfte der indirekten Steuern auf die oberen 30 Prozent.

Natürlich kann man auch hier für eine noch höhere Umverteilung plädieren. Aber es ist und bleibt eine Mär, dass der kleine Mann über die Verbrauchssteuern sozusagen den größten Teil der Staatsausgaben stemmt.

Steuer-Irrtum Nr. 6: „Selbst die kapitalistischen USA nehmen ihre Reichen härter ran“

Noch so ein Märchen. Ja, die USA besteuern das Vermögen, in erster Linie im Wege der Grundsteuer. Aber bei der Einkommensteuer greift der amerikanische Fiskus viel sanfter zu als der deutsche. Der Spitzensteuersatz ist mit 39 Prozent niedriger als der deutsche mit 42 bzw. 45 Prozent (Reichensteuer). Zusammen mit den Zuschlägen der Einzelstaaten steigt er auf 42 bis 45 Prozent. Damit bleiben die USA immer noch unter der bei uns üblichen Belastung, weil  noch der Solidaritätszuschlag von 5,5 Prozent (auf die Steuerschuld) dazu kommt.

Was aber der entscheidende Unterschied ist: Bei uns greift der Spitzensteuersatz schon bei 52.000 Euro, in den USA erst bei umgerechnet etwa 250.000 Euro. Würden wir uns am amerikanischen Beispiel orientieren, wäre das für die bösen Reichen eine gigantische Steuerentlastung.

Aus all dem folgt: Wer aus ideologischen Gründen mehr Umverteilung für einen Wert an sich hält, der mag ja dafür kämpfen. Aber dann soll er doch bitte auch offen sagen, worum es ihm geht – und nicht mit halb wahren und ganz falschen Behauptungen auf Dummenfang gehen.

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