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() Masataka Shimizu am Tag seines Rücktritts

Macht - Die Riesenmänner und die Lehre aus Fukushima

Riesenmänner wie Shimizu, ehemaliger Chef des Energiekonzerns Tepco, bevölkern die Wirtschaft. Überall in der Welt. Auch in Deutschland. Frank A. Meyer darüber, wie uns die Bosse dieser Erde in immer neue Krisen stürzen.

Masataka Shimizu war ein großer Mann: Chef des Energiekonzerns „Tokyo Electric Power Company“, besser bekannt unter dem Kürzel „Tepco“, noch besser als Betreiberfirma des Atomkraftwerks Fukushima. Ein Atomkraftlobbyist war er, der seine Landsleute mit aggressiver Werbung aufforderte, Heizen und Kochen von Gas auf Strom umzustellen, denn noch mehr Atomkraftwerke sollten Japan schmücken.

Ein Führer war Masataka Shimizu. Ein Wirtschaftsführer, dem das Atomsprech in Fleisch und Blut übergegangen war: Durch „hohes ethisches und soziales Verantwortungsbewusstsein“ müsse sich jeder auszeichnen, der bei „Tepco“ beschäftigt ist, denn selbstverständlich sei es „die oberste Pflicht, die Sicherheit des Atomkraftwerks zu gewährleisten“. So sprach und so versprach der große Mann.

Masataka Shimizu war ein Riesenmann.

Dann kam das Erdbeben vom 11.März; dann kam der Tsunami; dann kam der GAU von Fukushima-Daiichi: Zuerst schloss sich Shimizu in seinem Büro ein. Dann flüchtete er ins Krankenhaus. Ihm sei – so wurde berichtet – „schwindlig“. Der ganzen Welt wurde schwindlig. Matasaka Shimizu hatte sich aus dem radioaktiven Staub gemacht. Erst sehr viel später tauchte er wieder auf – bei einer bizarren Gedenkfeier, einen Monat nach dem GAU.

Riesenmänner wie Shimizu bevölkern die Wirtschaft. Überall in der Welt. Auch in Deutschland.

Jürgen Großmann ist ein deutscher Riesenmann, „einer der mächtigsten Manager des Landes“, wie der Stern ehrfürchtig notiert.

Riesenmann Großmann befehligt den Essener Energiekonzern RWE. Er war es, der Angela Merkel noch im Herbst die verlängerten Laufzeiten für Atomkraftwerke diktierte – für Klitschen also, die mit größerer Sicherheit Gewinne erzeugen als Energie, was inzwischen erkannt wurde, weshalb Angela Merkel die Altmeiler dann doch fürs Erste hat abschalten lassen.

Auch Jürgen Großmann ist des Atomsprechs mächtig: „Die Kernenergie ist verantwortbar, wenn sie höchsten Sicherheitskriterien genügt.“ Ein merkwürdiger Satz. Japanisch klingt er so: „Genshiryoku enerugi wa, saidaigen no anzen kijun o mitasu baai ni wa unten kanodesu.“ Der euphemistische Sinnspruch ist das globale Mantra der Riesenatommänner.

Riesenmänner wie Großmann und Shimizu beherrschen nicht nur die Atomwirtschaft. Auch die Finanzwirtschaft wird von ihnen geprägt. Ein anderer Riesenmann ist Josef (Joe) Ackermann, Chef der Deutschen Bank, Vorsitzender des „Institute of International Finance“, der einflussreichsten, weil einzigen weltweiten Vereinigung von Finanzinstitutionen.

Riesenmann Ackermann war einer der Mitverantwortlichen für die Finanzkrise, die 2008 die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds brachte. Der gebürtige Schweizer trug maßgeblich dazu bei, dass viele Staaten die Statik des Weltfinanzgebäudes mit Steuergeldern stützten – und deshalb heute unter monumentalen Schulden ächzen, verhöhnt von denselben Riesenmännern, denen sie gerade erst zu Hilfe eilen mussten.

Josef Ackermann hat Angela Merkel die Bankenrettung aus Staatsmitteln diktiert. Er sieht sein Wirken in jenen düsteren Tagen als Beleg staatsmännischer Verantwortung. Der Täter als Retter.

Gern erzählt er von einer kuwaitischen Politikerin, die ihm offenbart habe: „Ich denke, dass die deutsche Regierung tut, was Sie sagen.“

2008 richtete Angela Merkel im Kanzleramt eine Feier zum 60.Geburtstag für Josef Ackermann aus. In der Talkshow von Maybrit Illner, sonst mit Plaudertaschen reich bestückt, durfte er alleine thronen. Ein Damenknicks, wie er eigentlich der Kanzlerin vorbehalten wäre.

Verbeugungen und Verbiegungen vor den Riesenmännern gehören in der durchökonomisierten Gesellschaft mittlerweile zum guten Ton. Doch sind die Übermächtigen der Wirtschaft tatsächlich Riesen?

Josef Ackermann ist ein ordentlicher Schweizer Milizoberst. Er hat sich das Selbstverständnis zu eigen gemacht, wie es helvetischen Offizieren nun mal vermittelt wird: „Du hast kein Geheimnis – aber verrate es niemandem.“ Ausdruck dessen ist das ewige Lächeln im Gesicht des ewigen Jungen aus dem Kanton St.Gallen. Es suggeriert, da wisse einer mehr als andere – ein Riesenmann.

Jürgen Großmann ist, anders als Ackermann, ein brillanter Causeur. Ein Gesprächspartner mit Esprit. Er beherrscht die polternde Bonhomie ebenso wie das politische Berserkertum. Wenn er zu Fukushima sagt: „Wir können alle nur hoffen und beten“, ist man geneigt, ihm diese Demütelei abzunehmen, steckt dahinter doch – ein Riesenmann.

Es ist die Fatalität der Riesenmänner, dass sie Sätze machen, die größer sind als sie selbst, dass sie für Dinge stehen, deren Dimensionen sie nicht gewachsen sind – seien es Atomkraftwerke und ihr kleingeredetes Restrisiko, seien es der Finanzkapitalismus und sein schöngeredetes Crashrisiko.

Masataka Shimizu war ein Riesenmann.

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