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(picture alliance) Brennendes Asylantenheim in Rostock 1992

Geschichte des Rechtsterrors - Die lange Blutspur des Neonazismus

Im wiedervereinten Deutschland passieren rechtsradikale Übergriffe mit einer erschreckenden Regelmäßigkeit. Terrorismus von rechts gibt es sogar noch länger. Über die Entwicklung des Rechtsterrors in Deutschland

Die Morde der drei Neonazis aus Zwickau erschüttern die Republik. Unentdeckt verübten sie seit 13 Jahren ihre Anschläge. Schon ist die Rede von einer „Braunen Armee Fraktion“, wie der Spiegel jüngst titelte. Auf der Suche nach einer Vergleichsgröße werden Parallelen zum Terror der RAF gezogen. Dabei schreibt rechter Terror in der Bundesrepublik schon seit den siebziger Jahren seine eigene Geschichte. Dass vor allem in den achtziger Jahren zum Teil schwere Anschläge von rechter Seite verübt wurden, gerät dagegen immer wieder in Vergessenheit – obwohl der Rechtsterrorismus durchaus eigene Charakteristika ausgebildet hat, die sich über die Jahre erhalten haben.

Bis auf marginale Veränderungen, die durch wandelnde Kontexte angestoßen wurden, blieben die Angriffsziele rechtsextremen Terrors gleich: Migranten, Juden, Sinti, Roma, vermeintliche Besatzer und politische Gegner. Ebenso waren immer wieder Polizisten, Staatsanwälte oder Richter im Visier von Rechtsterroristen, gelten sie doch als Vertreter des verhassten Systems.

Bereits in den sechziger und siebziger Jahren konnten mehrere geplante Anschläge von Rechtsterroristen durch die Sicherheitsbehörden verhindert werden. Dennoch begann erst mit den Achtzigern das Jahrzehnt, welches durch eine Vielzahl rechtsterroristischer Anschläge geprägt war und etliche Opfer forderte. Im August 1980 verübten Mitglieder der Deutschen Aktionsgruppen, die von Manfred Roeder gegründet worden waren, einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft in Hamburg und töteten zwei vietnamesische Menschen.

Der schwerste Anschlag mit rechtsextremem Motiv in Deutschland fand am 26. September 1980 auf dem Münchner Oktoberfest statt. Durch eine Bombenexplosion wurden 13 Menschen getötet und über 200 weitere zum Teil schwer verletzt. Der mutmaßliche Täter Gundolf Köhler, der bei dem Anschlag selbst ums Leben kam, entstammte dem rechten studentischen Milieu und hatte zeitweilig Kontakt zur Wehrsportgruppe Hoffmann. Dass er das Attentat ganz alleine plante und ausführte, scheint heute zweifelhaft. Ebenfalls aus dem Dunstkreis der Wehrsportgruppe Hoffmann stammte der mutmaßliche Mörder des jüdischen Verlegers Shlomo Lewin. Dieser wurde im Dezember 1980 mit seiner Lebensgefährtin in seinem Haus ermordet.

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1982 plante der Rechtsterrorist Peter Naumann zusammen mit Odfried Hepp und Walter Kexel eine Befreiungsaktion für den Kriegsverbrecher Rudolf Heß. Zwar wurde dieser Plan wieder fallengelassen, doch verübten Hepp und Kexel in der folgenden Zeit eine Reihe von Anschlägen auf amerikanische Soldaten und Einrichtungen. Schließlich gelang es Hepp mithilfe des DDR-Regimes zu fliehen und sich der „Palästinensischen Befreiungsfront“ anzuschließen. Neben antisemitischen und ausländerfeindlichen Motiven, die den Rechtsextremismus seit jeher prägen, spielten beim rechten Terror der achtziger Jahre antisozialistische und antiimperialistische Motivationen eine zentrale Rolle, die sich seit dem Zusammenbruch des Ostblocks und der Verringerung amerikanischer Militärpräsenz jedoch zu einem guten Teil aufgelöst haben.

In den neunziger Jahren änderten sich die rechtsextremen Gewalttaten in ihrer Erscheinungsform. Die Tendenz zu eher kurzfristig geplanten Einzelaktionen ohne kohärente Programme und Strukturen, aber mit wiederkehrenden Motiven blieb bestehen. Jedoch waren gerade die frühen neunziger Jahre von spontanen Übergriffen auf Asylbewerberheime geprägt. Eine scharfe Trennung von einzelnen Gewaltakten und gezielten terroristischen Taten wird ab diesem Zeitpunkt immer schwieriger. Immer wieder tauchen die Ortsnamen Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda oder Mölln in diesem Zusammenhang auf. Waren es in Deutschland vor allem derartige Ausschreitungen, wurde Österreich durch die Brief- und Rohrbomben des Rechtsextremen Franz Fuchs erschüttert.

Auch in den vergangenen zehn Jahren kam es in der militanten rechtsextremen Szene immer wieder zu Waffen- und Sprengstofffunden oder gar zu Anschlägen. So konnte 2003 in München ein Anschlag auf die Grundsteinlegung des jüdischen Kulturzentrums im letzten Moment verhindert werden. Eine Gruppe um den Neonazi Martin Wiese, die in der Kameradschaft Süd organisiert war, hatte bereits Sprengstoff für das Attentat beschafft und sich auf ein Datum festgelegt. Wie im Fall der Zwickauer Terrorzelle kam es auch in diesem Fall später zu scharfer Kritik an der Rolle eines V-Manns, der in die Gruppe eingeschleust worden war. In Brandenburg verübte eine rechtsextreme Gruppe von 2003 bis 2004 zehn Brandanschläge auf Imbisse ausländischer Besitzer. Ziel des Freikorps Havelland, wie sich die Rechtsextremen selbst nannten, war die Vertreibung von Migranten aus Deutschland. 2006 bestätigte der Bundesgerichtshof, dass es sich dabei um eine terroristische Vereinigung handelte.

Trotz dieser rechtsterroristischen Kontinuität dient weiterhin die RAF als Deutungsfolie rechtsterroristischer Anschläge. Aber: Der spontane Vergleich zur RAF verkennt und verharmlost womöglich die Tendenz zu spontanen Aktionen in der rechtsextremen Szene, die nur schwer berechenbar sind. Es wäre fahrlässig, wie im Falle Gundolf Köhlers, an Einzeltäter zu glauben, die weitgehend auf eigene Rechnung operieren: In der gut vernetzten Szene ist dies kaum noch wahrscheinlich. Nahezu alle rechtsterroristischen Anschläge wurden von Personen begangen, die bereits Mitglied diverser rechtsextremer Organisationen waren. Die Täterinnen und Täter haben häufig einen langen Weg in der Szene hinter sich, auf dem sie sich – hochideologisiert – immer weiter radikalisieren. Eine gefestigte Organisationsstruktur, welche eine weitere Isolierung von der Gesellschaft bedingt, kann einer solchen Radikalisierung zusätzlich Vorschub leisten.

Durch die hochgradige Vernetzung des organisierten Rechtsextremismus können auch Querverbindungen zur NPD kaum verwundern. Immer wieder tauchen Personen aus rechtsterroristischen Kontexten bei der NPD auf. So kandidierte Manfred Roeder 1998 in Stralsund für die NPD, Peter Naumann arbeitete in verschiedenen Funktionen von 2005-2008 in der sächsischen NPD-Landtagsfraktion und das neue Buch von Karl-Heinz Hoffmann wird derzeit vom Verlag der Deutschen Stimme, der Parteizeitung der NPD, vertrieben. Die Grenzen zwischen rechtsextremer und rechtsterroristischer Szene sind fließend, erstere bedingt gar die Entstehung terroristischer Zellen.

Benjamin Mayer und Ulf Meyer-Rewerts arbeiten am Göttinger Institut für Demokratieforschung. 

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