Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Adoptionsrecht Homosexueller - Die Justiz treibt die CDU vor sich her

Die CDU muss bei der Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften in der Moderne ankommen. Was die Realität nicht an Überzeugungsarbeit zu leisten vermag, richtet nun das Bundesverfassungsgericht. Ein Kommentar

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

So erreichen Sie Marie Amrhein:

Wenn eine Partei in ihrer Ausrichtung von den real existierenden Lebenswelten eingeholt wird, dann hat sie ein Problem. Die Führung kann längst erkannt haben, dass Umdenken und Handeln nötig ist – aber wenn die Basis nicht mitzieht, brechen Gräben auf, die selbst über Jahre nicht wieder zu kitten sind. Die SPD hat dies bei der Einführung der Hartz-IV-Gesetze zu spüren bekommen, als sich der zunehmend globalisierte hiesige Arbeitsmarkt an neue Strukturen, an mehr Flexibilität anpassen musste.

Was für eingefleischte Sozialdemokraten die Welt der Arbeit, ist für die Christdemokraten die Familie. Und auf diesem Feld hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gerade einen Paukenschlag getan: Ab sofort soll die sogenannte Sukzessivadoption möglich sein. Bisher galt eine Regelung, dass homosexuelle Paare, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, Kinder ihrer Partner nicht als ihre eigenen annehmen dürfen. Das sei verfassungswidrig, urteilten nun die Richter. Sie schaffen damit in Deutschland eine Realität, die der Politik der CDU noch immer diametral gegenübersteht.

Dabei wird der Kampf an familiärer Front in der CDU schon mehrere Jahre erbittert geführt. Er bringt die CDU und ihre Schwesterpartei CSU an argumentative Grenzen. Das Betreuungsgeld wurde so zum Zankapfel der C-Parteien. Auf dem Bundesparteitag der CDU in Hannover konnten Beobachter im vergangenen Dezember eine Partei erleben, die ebenso aufbrausend den Umgang mit homosexuellen Lebenspartnerschaften diskutierte. Damals ging es um die Einführung des Ehegattensplittings für Homosexuelle. Zum Schluss stimmten zwei Drittel für den von Kanzlerin Merkel favorisierten Antrag gegen die steuerliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. Es bleibt also eine Minderheit der Christdemokraten, die bereit ist zu akzeptieren, dass heterogene Familienkonzepte längst Realität sind. Und die bereit sind, ihre Politik dieser Realität anzupassen.

Nächste Seite: Homosexuelle drängen mit Recht darauf, nicht diskriminiert zu werden

Stattdessen wird darüber debattiert, ob Männer Kinder erziehen oder lesbische Paare auch im Steuerrecht gleich gestellt werden dürfen. Denn auch wenn das Ehegattensplitting – einst entwickelt zur steuerlichen Fairness zwischen Verheirateten und Nicht-Verheirateten – an sich ein überholtes Instrument ist und einer gleichberechtigten Familienpolitik nicht unbedingt zuträglich: Homosexuelle drängen mit Recht darauf, als Paare gleichbehandelt und nicht diskriminiert zu werden.

Es wäre ein Zeichen, Politik so zu ändern, dass diese nicht mehr an den Lebenswirklichkeiten der – im Jahr 2010 – 23.000 eingetragenen Lebenspartnerschaften vorbei ins Leere läuft. Denn: Nur wer auch rechtlich als Elternteil eingetragen ist, kann zum Beispiel Kinderfreibeträge geltend machen, wenn er sich in seinem Haushalt um ein Kind kümmert. Nur die Kinder rechtlich eingetragener Eltern können auf ihr Unterhaltsrecht pochen. Nur sie leben im sicheren Wissen, im Todesfall des einen Elternteils von der verbleibenden Bezugsperson groß gezogen werden zu dürfen.

All dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung berücksichtigt. Und dabei klar gestellt, was ein Großteil der CDU-Anhänger bis heute so nicht wahrhaben mag: Dass die „behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen von Kindern ebenso fördern können wie die einer Ehe.“ Denn in der „ganz überwiegenden Zahl der sachverständigen Stellungnahmen“ seien die Bedenken, die sich gegen das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Elterngemeinschaften im Allgemeinen richten, „zurückgewiesen“ worden, heißt es in der Erklärung der Richter.

Jene in der CDU, die längst begriffen haben, dass sich die Partei mit ihrer rückwärtsgewandten Haltung keinen Gefallen tut, können nun mit Freude beobachten, wie die Justiz die Christdemokraten vor sich hertreibt. Denn wenn sich die Partei nicht zu einer einheitlichen Entscheidung durchringen kann, ist es im Zweifel leichter, sich auf die höheren Mächte vom Bundesverfassungsgericht berufen zu können, als eine verbohrte Basis auf Linie zu bringen.

____________________________________________________________

Jetzt den Newsletter von Cicero Online abonnieren!

Liebe Leserinnen und Leser, gerne informieren wir Sie regelmäßig über das aktuelle Angebot von Cicero Online. Bitte tragen Sie hier Ihre E-Mail-Adresse ein und wir schicken Ihnen montags bis freitags unseren täglichen Newsletter.

____________________________________________________________

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.