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Maurice Weiss

Deutschlands First Lady im Gespräch - „Sendungsbewusstsein hatte ich nie“

Daniela Schadt hat keinen Titel, aber sie vertritt Deutschland. Die Partnerin des Bundespräsidenten über ihre Rolle als Gastgeberin auf Schloss Bellevue, die Vorzüge des Protokolls und das Lachen der Fürstin, der sie auf die Schleppe trat

Autoreninfo

Georg Löwisch war bis 2015 Textchef bei Cicero. Am liebsten schreibt er Reportagen und Porträts. Zu Cicero kam er von der taz, wo er das Wochenendmagazin sonntaz gründete. Dort kehrte er im Herbst 2015 als Chefredakteur zurück.

So erreichen Sie Georg Löwisch:

Frau Schadt, wird man als Frau des Bundespräsidenten zur Meisterin im Smalltalk?

Daniela Schadt: Man trifft in dieser Rolle viele Menschen. Meistens würde ich mich gerne ausführlich mit ihnen unterhalten. Aber gerade bei offiziellen Anlässen bleibt oft nur wenig Zeit und Gelegenheit dazu. Also führt man oft eher kurze und lockere Gespräche, gegen die allerdings nichts zu sagen ist. Smalltalk klingt ja ein bisschen abwertend. Dabei ist er eine Gesprächsform, die es Menschen erlaubt, rasch und unkompliziert in Kontakt miteinander zu kommen. Selbst wenn man sich zunächst nur über das Wetter unterhält, über ein Buch, das man gerade gelesen, oder über einen Film, den man gerade gesehen hat – man bekommt einen ersten Eindruck von seinem Gegenüber. Wo der andere politisch steht, wie seine familiären Verhältnisse aussehen oder welches Verhältnis er zur Religion hat – darüber kann man sich auch später noch austauschen. Das muss man nicht gleich fragen, wenn man jemandem zum ersten Mal begegnet.

Was fragen Sie?

Die Kunst des Smalltalks besteht darin, mit den Themen zu jonglieren, zu schauen, was den anderen interessiert, wo seine Schwerpunkte liegen. So halte ich es auch.

Wenn Sie sich durch Festivitäten und Staatsakte parlieren, schalten Sie dann Ihr Sendungsbewusstsein als ehemalige politische Journalistin einfach ab?

Sendungsbewusstsein hatte ich nie. Ich bin in erster Linie Journalistin geworden, weil ich neugierig auf Politik und auch auf Menschen bin. Mich interessieren inhaltliche Standpunkte und Lebenswelten. Und das ist auch der Grund, warum ich die Rolle der Gastgeberin hier in Bellevue sehr gerne einnehme.

Fällt es Ihnen schwer, sich aufs Fragenstellen zu konzentrieren und sich die Kommentare zu verkneifen?

Man muss seine eigene Funktion im Auge behalten. Ich werde während eines Abendessens zu Ehren eines ausländischen Präsidenten ihm oder seiner Frau natürlich nicht meine Meinung zu, sagen wir mal, den jüngsten Wirtschaftsreformen in ihrem Land aufdrängen. Aber ich kann schon danach fragen – und dort, wo mir die Antwort nicht gleich einleuchtet, oder wo die Position mich nicht gleich überzeugt, auch ein zweites oder drittes Mal nachfragen. Worüber ich mich übrigens immer wieder richtig freue, ist, dass ich nun Menschen kennenlerne und Fragen stellen kann, die ich auch als politische Journalistin sehr gerne kennengelernt und befragt hätte.

Wen?

Beim Staatsbesuch in Israel zum Beispiel hatte ich das Glück, einen ganzen Abend neben Schimon Peres zu sitzen, dem Friedensnobelpreisträger – eine wirklich eindrucksvolle Persönlichkeit.

Reden Sie bei der Sitzordnung mit?

Nein, schon deswegen nicht, weil mir dafür die protokollarischen Kenntnisse fehlen. Wer muss unbedingt neben wem sitzen und wo kann man es mit der Platzierung etwas lockerer nehmen? Das ist eine Wissenschaft für sich. Wenn wir im Großen Saal von Schloss Bellevue rund 120 Gäste haben, die in Gruppen von je acht Personen platziert werden, dann gehen dem eine Reihe von Überlegungen voraus. Da gilt es, sich damit zu beschäftigen, welchen Gast was interessiert und neben wem er sich wohlfühlen könnte. Wie man es schafft, durch die Zusammensetzung eines Tisches eine angenehme Atmosphäre und ein gutes Gespräch zu ermöglichen – darin sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Präsidialamts außerordentlich geübt.

Wie verläuft ein typisches Staatsbankett in Schloss Bellevue?

Zu Beginn gibt es ein sogenanntes Defilee. Da stehen der Ehrengast, meist mit Partnerin oder Partner, der Bundespräsident und ich in einem Salon, hinter uns die Flaggen. Die Gäste werden dann von uns einzeln begrüßt, nachdem der Protokollchef den jeweiligen Namen vorgelesen hat, sie werden also vorgestellt. Häufig wird ein Foto gemacht. Danach geht es in den Großen Saal zu Tisch, dort gibt es zunächst zwei kurze Reden – erst die des Bundespräsidenten, dann folgt die Erwiderung des Staatsgasts. Anschließend beginnt das Essen.

Wer wird eingeladen?

Eingeladen werden Menschen, die mit dem Heimatland des Staatsgasts etwas zu tun haben: Künstler, Wissenschaftler, Vertreter von Kultureinrichtungen oder zivilgesellschaftlichen Initiativen zum Beispiel. In der Regel schlagen die Fachleute des Präsidialamts und des Auswärtigen Amtes Frauen und Männer vor, die eine Verbindung zu dem jeweiligen Land haben. Und natürlich bringen auch der Bundespräsident und ich die eine oder andere Idee ein.

Müssen Sie bis zuletzt bleiben oder dürfen Sie auch früher nach Hause?

Manchmal ist es fast ein bisschen schade, dass man aufbrechen muss, wenn man sich gerade angeregt unterhält. Aber anders als im privaten Bereich gilt es bei so einem Bankett als unhöflich, wenn der Gastgeber zu den Letzten gehört, die die Veranstaltung verlassen – schon weil sich durch unsere Anwesenheit manche Gäste genötigt fühlen könnten, selbst länger zu bleiben, als sie eigentlich vorhatten. Meist finden Staatsbankette ja mitten in der Woche statt, sodass viele Gäste am nächsten Tag wieder arbeiten und früh aufstehen müssen. Deshalb verlassen der Bundespräsident und ich das Schloss meist gegen 22.00 Uhr.

Können Sie dann hinterher noch mal kommen?

Das könnte ich theoretisch tun und sozusagen inoffiziell zurückkommen, aber ich mache es nicht. Von Theodor Heuss gibt es dazu eine nette Geschichte: Er saß nach einem Termin vergnügt beim Wein, als ein Mitarbeiter ihm zuflüsterte: „Herr Bundespräsident, Sie sollten jetzt gehen.“ Worauf er ebenso spontan wie hintersinnig antwortete: „Also der Bundespräsident geht jetzt heim und der Theodor Heuss bleibt sitzen und trinkt noch ein Viertel.“

Sie nennen Ihren Mann „Jochen“ und mal „den Bundespräsidenten“.

Es gibt ja auch den Mann und das Amt.

Aber Sie sind Frau Schadt und Frau Schadt?

Ich bin Frau Schadt und Frau Schadt. Nur manchmal kommt mir das etwas zweigeteilt vor. Und es hört sich sonderbarer an, als es tatsächlich ist. Denn in jedem Beruf und übrigens auch in jedem Ehrenamt stellt man bei der Begegnung mit anderen Menschen die Privatperson zurück und begegnet sich in der Regel erst einmal auf einer professionellen Ebene. Als ich als Journalistin Politiker befragt habe, blieb die Privatperson Daniela Schadt auch außen vor.

Fühlen Sie sich manchmal vom Protokoll eingeengt?

Ich nehme es genau andersherum wahr. Das Protokoll mit seinen sehr erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt mich. Sie erläutern mir die teils recht komplexen Abläufe: Wie begrüßt man einen Staatsgast korrekt? Oder wenn man selber ins Ausland reist: Welche Kleidung signalisiert Respekt vor dem Anlass und dem Gastgeber, ohne dass man sich verkleidet fühlt? Das sind wichtige Fragen, bei denen mir die Mitarbeiter des Protokolls weiterhelfen.

Das Protokoll muss doch ein Korsett für Sie sein.

Ich muss jetzt mal eine Lanze für das Protokoll brechen. Die Kolleginnen und Kollegen sind schon fast Helden des Alltags. Sie helfen allen Beteiligten. Zum Beispiel durch die Organisation von zeitlichen Abläufen. Wenn ich mich mal irgendwo festgeredet habe, komme ich immer schlecht wieder weg, weil ich so viel fragen möchte. Das wäre ja an sich nicht so schlimm, aber meistens stehen da noch weitere Menschen, die sich darauf eingestellt haben, dass zu einer bestimmten Uhrzeit der Bundespräsident und Frau Schadt vorbeikommen. Dann gibt es zum Glück die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Protokolls mit der nicht immer einfachen Aufgabe, mich da wieder loszueisen.

Gab es für Sie und Ihren Mann einen Crashkurs: Wie verhält sich das Präsidentenpaar?

Nein, einen Crashkurs gab es nicht. Es war im Wesentlichen Learning by Doing. Ich kann mich noch an den ersten Empfang mit militärischen Ehren erinnern. Der Protokollchef hat uns angeleitet: „Der Staatsgast geht vor, da ist der rote Teppich, dann gehen Sie zum Auto, dann gehen Sie rein, dann kommt die Eintragung ins Gästebuch, denn geht es raus zu den militärischen Ehren, und Sie gehen dann dahin, und Frau Schadt bleibt hier stehen, und dann gehen Sie dorthin.“ Jochen und ich haben uns angeschaut. Und eigentlich sahen wir auf der Ablaufskizze nur noch Pfeile. Wie im Verkehrsgarten. Dankenswerterweise sind aber immer Menschen da, die einem geduldig den Weg zeigen.

Gab es mal eine Panne?

Nur eine, aber was für eine! Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich der Fürstin von Monaco während ihres Deutschlandbesuchs auf die Schleppe getreten. Das war vor gefühlten 380 Fotografen. Wir haben beide gelacht. Natürlich tauchte das Bild später in den Magazinen auf. Das Bild hätte ich auch gedruckt.

Wann kommen Sie nach einem Anlass glücklich heim?

Ich bin jedenfalls noch nie nach Hause gegangen und habe gedacht: ein verlorener Abend. Wahrscheinlich hängt es mit meiner Neugierde an eigentlich allen Themen und den Menschen, denen ich begegne, zusammen. Und es ist für mich beglückend, in Deutschland und im Ausland so viele leidenschaftlich engagierte Menschen kennenzulernen, die sich oft ehrenamtlich und in ganz unterschiedlichen Projekten vor allem für andere Menschen engagieren.

Was wollen die Leute eigentlich von Ihnen? Die Einflussmöglichkeiten der Partnerin eines Bundespräsidenten dürften begrenzt sein. Sie sind ja nicht einmal gewählt.

Es gibt schon viele, die auf einen zukommen und fragen: Können Sie da nicht mal in der Richtung was bewegen? Auch wenn die konkreten Möglichkeiten hier leider nicht unbegrenzt sind: Man kann auf jeden Fall versuchen, Öffentlichkeit für ein Problem herzustellen. Wir können Menschen zusammenbringen und das Anliegen an die zuständigen Experten herantragen. Das ist schon mal sehr viel, aber es ist nicht immer gleich ganz konkret.

Enttäuscht das die Menschen, denen Sie begegnen?

Wenn wir zum Beispiel karitative Einrichtungen besuchen, kann ich mir schon vorstellen, dass einige der Betroffenen dann aus ihrer schwierigen Lage heraus denken: „Der Mann ist Präsident von Deutschland, da ist jemand, der ganz viel Macht hat und Dinge einfach per Fingerschnips regeln kann.“ So einfach ist das aber natürlich nicht. Es gibt geregelte Verfahren und genaue rechtliche Vorgaben. In einer brandenburgischen Einrichtung für Asylbewerber hat eine Frau, die lange nichts von ihrer Familie in ihrem Heimatland gehört hatte, gefragt, ob der Präsident ihr nicht helfen kann. Wir können die Frau dann – als ersten Schritt – zum Beispiel mit den Vertretern des Roten Kreuzes zusammenbringen. Und wir können natürlich in der Öffentlichkeit darauf hinweisen, wie schwierig die Lage für Flüchtlinge in Deutschland sein kann. 

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