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Zunahme deutscher Waffenexporte - Freund und Helfer der Rüstungsindustrie

Die deutschen Rüstungsexporte steigen erneut. Die Waffenhersteller können bei ihren Ausfuhren auf die Regierung Merkel und die Bundeswehr zählen

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Hauke Friederichs arbeitet als freier Journalist. Seit dem Studium der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Politik und Journalistik interessiert er sich für die Themen innere Sicherheit, internationale Sicherheitspolitik, Verteidigungspolitik, Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte

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Offiziere in Ausgeh-Uniform und Geschäftsmänner in teuren Anzügen stehen an der Reling, sie schauen auf die Messehallen vor sich, hinter ihnen weht die deutsche Flagge. An Bord der Korvette Ludwigshafen bekommen sie deutsche Rüstungstechnik präsentiert. Das Kriegsschiff der Marine liegt vom 15. bis zum 18. September 2015 auf der Themse in London, in der „Naval Zone“ der Defence and Security Equipment International (DSEI) in Großbritannien. Sie gilt als eine der größten Rüstungsmessen der Welt und als eines der wichtigsten Branchentreffen.

In diesem Jahr warben dort 1500 Aussteller aus 50 Ländern um Kunden. Wer auf der DSEI für Aufmerksamkeit sorgen will, muss aus der großen Menge herausstechen. Dabei konnten die deutschen Schiffsbauer auf die Bundeswehr zählen. Sie schickte mit der Korvette Ludwigshafen eines ihrer neusten Kriegsschiffe nach England, um Rüstungstechnik „made in Germany“ zu präsentieren. Die Geschäfte der deutschen Waffenbauer laufen momentan exzellent – auch Dank der Exportunterstützung der Bundesregierung.

Rüstungsexporte steigen wieder
 

Zwar hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im vergangenen Jahr angekündigt, die Rüstungsausfuhren senken zu wollen, vor allem an Staaten außerhalb der NATO und EU. Und 2014 ging die Zahl dieser Exporte tatsächlich zurück. Doch das scheint nur eine kurze Episode gewesen zu sein. Die am Mittwoch veröffentlichen Halbjahreszahlen zeigen, dass 2015 die Rüstungsausfuhren wieder ansteigen werden. Von Januar bis Ende Juni genehmigte die Regierung bereits Einzelausfuhren in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 1,3 Milliarden Euro weniger.

Zu den florierenden Geschäften der deutschen Rüstungsindustrie trägt das Kabinett Merkel seinen Teil bei. Nicht nur in London half die Bundeswehr der Wehrbranche beim Messeauftritt. Als weiteres Beispiel für das Engagement der Truppe dient die Eurosatory in Paris. Dort stießen die Besucher im vergangenen Jahr auf mehrere Kriegsgeräte der deutschen Streitkräfte. Zu sehen gab es das geschützte Transportfahrzeug vom Typ Trakker, hergestellt von Iveco Magirus. Der Münchner Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann (KMW) zeigte einen Mungo des Heeres. Dieses Fahrzeug nutzen „Spezialisierte Kräfte“ der Bundeswehr wie Fallschirmjäger. Zudem war der Radpanzer Boxer, der von KMW und Rheinmetall gemeinsam produziert wird, in Paris auf der Messe zu sehen.

Hersteller Iveco Magirus und KMW haben die von ihnen ausgestellten Militärfahrzeuge von der Bundeswehr für die Messe gemietet. KMW durfte den Mungo fast zwei Monate behalten, vom 12. Mai bis zum 11. Juli 2014. Noch länger mietete Rheinmetall Defence Electronics ein Marine-Leicht-Geschütz 27. Die Waffe blieb „im Rahmen eines Mietsverhältnisses mit der Firma“ von „2011 bis 21. Dezember 2014“ bei dem Rüstungsunternehmen. Rheinmetall präsentierte sie auf den Messen in London, Paris, Singapur, Orlando und Abu Dhabi „sowie bei öffentlichen Auftraggebern“. Das teilte die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei mit. Und stellt fest: „Der Bundeswehr sind keine Kosten entstanden.“ Auch bei der Präsentation von Eurofightern bei Shows in Dänemark 2014 und 2015 soll die Industrie die Flüge gezahlt haben.

Auf die Bundeswehr kann sich die Industrie nicht nur bei Präsentationen in Europa verlassen. Das Verteidigungsministerium förderte auch Geschäfte mit Algerien und Staaten auf der arabischen Halbinsel. In Katar war von März bis Oktober 2014 ein „schweres geschütztes Sanitätskraftfahrzeug“ der Bundeswehr im Einsatz. In dem Land wurde im vergangenen Jahr zudem ein Turm des Schützenpanzers Puma vorgeführt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten landete ein „Fahrmodul GTK Boxer“ auf der Rüstungsmesse International Defence Exhibition (IDEX). 2011 und 2012 präsentierte die Bundeswehr zudem ihren Kampfpanzer Leopard auf der arabischen Halbinsel. Sie stellte dafür Besatzungen und einen Offizier ab für Schießtest und Manöver. So waren deutsche Soldaten samt Leoparden in Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Einsatz. Katar beschaffte bereits 62 Panzer und 24 Panzerhaubitzen aus Deutschland und soll weitere Einkäufe planen.

Restriktiv auf dem Papier
 

Solche Geschäfte passen kaum zur offiziell verkündeten Rüstungsexportpolitik der Großen Koalition. Als „restriktiv“ bezeichnet die Bundesregierung ihre Genehmigungspraxis. Sie entscheide „im Einzelfall und im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen“. Leitlinie sollen dabei die Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (PDF) sein. Darin steht unter anderem, dass Staaten, die in Spannungsgebieten liegen oder eine schwierige Menschenrechtslage aufweisen, „grundsätzlich“ nicht beliefert werden sollen. Exporthilfe mit deutschen Soldaten an solche Länder sollte eigentlich ausgeschlossen sein.

Auch deswegen kritisiert die Opposition im Bundestag die Ausfuhrunterstützung durch die Streitkräfte. „Ohne die Bundeswehr als Exporthelfer würden manche Exporte gar nicht erst stattfinden“, kritisiert Jan van Aken, Rüstungsexperte der Linkspartei. „Das ist aus meiner Sicht eine illegitime Exporthilfe.“

Deutlich wird auch Tobias Lindner, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen: „Der Verteidigungsetat ist nicht dazu da, Industriepolitik zu betreiben. Die Bundeswehr ist kein Förderinstrument der Rüstungsindustrie.“ Ihre Haushaltsmittel sollte die Truppe nutzen, um ihren eigentlichen Auftrag zu erfüllen. „Rüstungswirtschaftsförderung gehört mit Sicherheit nicht zum Auftrag der Bundeswehr“, sagt Lindner.

Das sieht die Bundesregierung anders. In einem Strategiepapier zur Stärkung der Verteidigungsindustrie in Deutschland vom 8. Juli 2015 formuliert das Kabinett Merkel als Ziel: „Exportaktivitäten nach Einzelfallprüfung mit dem außenwirtschaftlichen und sonstigen Instrumentarium zu flankieren und dabei auch speziell verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien zu berücksichtigen“. Das Verteidigungsministerium stelle dafür seine „Fachexpertise in Entwicklung, Beschaffung, Ausbildung und Nutzung“ zur Verfügung.

So schulen deutsche Trainer aktuell die algerischen Besatzungen von Fregatten des Typs MEKO-A-200 und die singapurischen Crews von U-Booten der Klasse 218. Die Schiffe wurden in der Bundesrepublik beschafft. Sie bildeten zudem in Saudi-Arabien einige Soldaten an der in Deutschland gekauften Drohne Luna aus. Zwar versichert die Bundesregierung, dass „eine Unterstützung kommerzieller Rüstungsexporte (...) nur im Rahmen freier Kapazitäten geleistet werden“ könne. Doch gerade bei der Marine ist die Belastungsgrenze bereits erreicht. Auch in Munster klagten deutsche Ausbilder darüber, dass sie ausländische Panzerbesatzungen ausbilden mussten, etwa aus Singapur. Das Land gehöre nicht einmal mehr zur Nato, sagte ein Offizier. „Wir sollen doch Deutschland dienen, nicht der Industrie.“

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