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Gescheiterte Familienpolitik - An der Realität vorbeiregiert

Deutschland debattiert über seine Familienpolitik. Ein pekunärer Flickenteppich aus verschiedensten Anreizen soll die hiesigen Familien unterstützen und dazu animieren, mehr Kinder zu bekommen. Das Unterfangen scheint gescheitert

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Deutschland debattiert über seine gescheiterte Familienpolitik. Damit ist ein Thema auf der Agenda, das auch dem wahlkämpfenden Peer Steinbrück und seiner SPD zu Pass kommt: Regierungsbashing an der schwächsten Stelle. Kristina Schröder ist so etwas wie Angela Merkels Achillesverse. Wenn sich die Republik darin einigen müsste, dass ein Ministerium personell falsch besetzt ist, dann wäre es wohl jenes für die Familien.

Die Familienpolitik also hat ihre Ziele verfehlt. Diese wären: die gerechte Umverteilung der Mittel Kinderloser auf Familien, die Gleichstellung und Integration der Frau am Arbeitsplatz, die Vereinbarung von Kind und Beruf, eine erhöhte Geburtenrate. Der Spiegel zitiert aus einer Untersuchung, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums handelt: Seit drei Jahren werden hier die Erfolge der 13 wichtigsten Leistungen der Politik an deutsche Familien evaluiert. Das vorläufige Ergebnis lautet: Ein großer Teil der jährlichen 200 Milliarden Euro verläuft im Sande. Und gerade die teuersten Leistungen scheinen die wenigsten Resultate zu erbringen. Das Kindergeld –  mit 40 Milliarden Euro an der Spitze aller Transferleistungen – sei „wenig effektiv“, das Ehegattensplitting „ziemlich unwirksam“, die beitragsfreie Mitversicherung vom Ehepartner in der gesetzlichen Krankenversicherung „besonders unwirksam“. Und überhaupt kommt man zu dem Schluss: Jene positiven Effekte, die es zweifellos gäbe, ließen sich auch „mit geringeren unerwünschten Nebenwirkungen erreichen“.

Kristina Schröder wiegelte ab: Das Ganze sei keine Regierungsstudie, es handele sich lediglich um „Ergebnisse einer Fachtagung“, so lies sie ihr Ministerium verkünden. Es ist nicht das erste Mal, dass der hiesigen Familienpolitik ihre Unwirksamkeit bescheinigt wird. Zuletzt ließ Familienministerin Schröder die Ergebnisse einer Studie des Bundesinstitut für Bevölkerungsentwicklung an sich abtropfen. Da hieß es, Kinder würden nicht mehr für alle Deutschen einen zentralen Lebensbereich darstellen. Kritik an Schröders Idee der Flexiquote, nach der sich Unternehmen ihre Frauenquote nach Gutdünken selber basteln können, weicht sie ebenso aus wie der Schelte für die Einführung des Betreuungsgeldes. Und all das nährt den Gedanken: Bei Schröders Politik handelt es sich um einen schlecht vernähten pekunären Flickenteppich. Maßnahmen wie das Elterngeld und die flächendeckende Kitabetreuung – zu deren versprochener Schaffung im August 2013 noch mindestens 220.000 Plätze fehlen – sind dazu da, Eltern in Arbeit zu bringen. Das Betreuungsgeld aber setzt Anreize, die Mütter aus dem Arbeitsmarkt herauszuhalten.

In Anbetracht solcher Politik muss man fragen, wo die familienpolitischen Ziele sind. Man habe in Deutschland eine „heterogene Anreizkultur“ entwickelt, erklärt auch Michaela Kreyenfeld vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung. Heute sei nicht mehr klar, ob es darum gehe, die von Kristina Schröder propagierte Entscheidungsfreiheit zu stützen oder etwa Anreize in alle Richtungen mit der Gießkanne zu verteilen.

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Wohin will also Kristina Schröder? Wohin wollen wir mit unserer Familienpolitik? Wollen wir das schwedische Modell, in dem beide Elternteile Vollzeit arbeiten, in dem Frauen und Männer Karriere machen, während die Kinder ganztags professionell betreut werden? Wenn der Spiegel moniert, dass viele Frauen nach einer Geburt nur „halbherzig“ wieder in den Beruf einstiegen, möchte man fragen: Wie denn sonst? Immerhin gibt es nun ein Kind, das sich – trotz bester Kinderbetreuung – nach ihr sehnt.

Neuste Umfragen ergeben in dieser Frage denn auch meist ein ganz anderes Bild: Es geht nicht darum, die Frauen auch in die Vollzeitrolle zu pressen, sondern vielmehr darum, „die Männer aus dem alten Vollzeitmodell zu lösen“, sagt Michaela Kreyenfeld. Die meisten Familien wünschen sich ein Modell, in dem beide Eltern Zeit haben, sich phasenweise um die Kinder zu kümmern. In dem beide auch einmal Teilzeit arbeiten. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Berliner Wissenschaftszentrums für Sozialforschung, prägte vor einigen Wochen den Satz: „32 Stunden sind für mich die neue Vollzeit.“ Anspruchsvolle Arbeitsstellen aber, die auch in Teilzeit besetzt werden können, sind rar gesät. Bisher entwickelt sich der Arbeitsmarkt in entgegengesetzte Richtung. Und die Politik tut sich schwer, in dieser Frage auf die Unternehmen Einfluss zu nehmen.

Ein „sehr dickes Brett“ müsse eben auch in der Frage des Ehegattensplittings gebohrt werden, meint Kreyenfeld. Es sei keine besonders effiziente Maßnahme und halte Frauen vom Arbeitsmarkt ab. Eine Alternative wäre die Umwandlung in ein Familiensplitting, das nicht das Alleinverdienermodell bevorteilen würde. Das allerdings bedeutet große politische Schwierigkeiten in der Umsetzung. Zu viele Familien lebten heute noch nach diesem Modell, für sie würde die Abschaffung große Verluste bedeuten. Womit der Ball wieder in Kristina Schröders Feld liegen bliebe. Die aber bekennt sich selber als „Fan des Ehegattensplittings“.

Nicht alles aber war schlecht in der Familienpolitik. Mit der Umwandlung des Erziehungsgeldes zum Elterngeld hat die Politik damals unter Ursula von der Leyen sehr wohl Erleichterung für Familien geschaffen. Während das Erziehungsgeld, das bis 2007 ausgezahlt wurde, dem nicht-arbeitenden Familienmitglied 300 Euro im Monat einbrachte, bietet das Elterngeld mit seinen 63 Prozent des Monatsgehalts einen weit größeren Mehranreiz, sich auch um den Nachwuchs zu kümmern – selbst für die meist besser verdienenden Väter. Dass sich hierbei der Missbrauch erhöht hat und sich gut verdienende Elternpaare während einiger Elternmonate einen gemeinsamen Urlaub gönnen, ist ein Problem, das allerdings angegangen werden müsste.

Deutschlands Familienpolitik ist nicht gescheitert. Die Familien-, Arbeits- und Gesellschaftsstrukturen aber befinden sich in einer Phase des Wandels, die mit Traditionen brechen muss. Es muss eine stringente Richtung gefunden werden. Das ist keine leichte Aufgabe. Erst recht nicht für eine konservative Partei.

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