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(picture alliance) Nicht alles, was Guttenberg heute von sich gibt, ist schlecht.

Alexander Marguier über Guttenberg - Der Märtyrer aus Oberfranken

Das politische Comeback Karl-Theodor zu Guttenbergs kann spätestens zwei Tage nach dem vollständigen Erscheinen seines Exkulpationsinterviews als vorerst gescheitert betrachtet werden. Der nächste Schritt nach Guttenbergscher Logik dürfte also nicht lange auf sich warten lassen

Das politische Comeback Karl-Theodor zu Guttenbergs kann spätestens zwei Tage nach dem vollständigen Erscheinen seines Exkulpationsinterviews als vorerst gescheitert betrachtet werden. Schon die ersten Reaktionen auf den Vorabdruck in der Zeit hatten ahnen lassen, dass das Projekt einer schnellen Rückkehr auf die politische Bühne nicht so geschmeidig verlaufen würde, wie es sich der Befragte womöglich gewünscht hatte.

Der nächste Schritt nach Guttenbergscher Logik dürfte also nicht lange auf sich warten lassen: ein Statement etwa in der Art, dass dieses durchaus lesenswerte Gespräch mit Giovanni di Lorenzo überhaupt kein Comeback-Versuch gewesen sei, weil er natürlich von Anfang an gewusst habe, welchen Widerstand er mit seinen Worten bei den Funktionsträgern in seiner eigenen Partei, der CSU, auslösen würde. Oder in direkter Analogie zum gewundenen Rechtfertigungsversuch wegen der Plagiatsaffäre (Seite 18): „Wenn ich die Absicht gehabt hätte, schon bald in die Politik zurückzukehren, dann hätte ich mich niemals so plump und dumm angestellt, wie es an einigen Stellen dieses Interviews der Fall ist.“[gallery:Karl-Theodor zu Guttenberg – Aufstieg und Fall eines Überfliegers]

Insofern ist es auch einigermaßen abwegig, di Lorenzo zu unterstellen, er habe sich als Steigbügelhalter des ehemaligen Verteidigungsministers hergegeben. Denn als erfahrenem Journalisten muss ihm spätestens nach erster Durchsicht des Manuskripts klar gewesen sein, dass sich Guttenberg allein schon mit den hanebüchen erscheinenden Erklärungen für die aus Plagiaten zusammengefriemelte Promotionsschrift an den Rande der Lächerlichkeit manövrieren würde. Aber dazu ist inzwischen hoffentlich alles gesagt.

Warum lohnt es sich dennoch, „Vorerst gescheitert“ zu lesen? Zunächst einmal ist das Buch eine Herausforderung für den Willen zu sachlicher Kritik. Denn der Autor ist nicht nur ein überführter Täuscher (über die Vorsätzlichkeit seines Tuns sei damit nicht geurteilt), sondern wurde öffentlich immer wieder als Hochstapler beschrieben. Da fällt es ehrlich gesagt schwer, objektiv zu bleiben. Und sich nicht mit Wonne an gespreizten Floskeln abzuarbeiten wie „Er ist ein wunderbarer Mensch. Ob er mir verzeihen kann, vermag ich nicht zu ermessen“ (über seinen Doktorvater Peter Häberle) oder „Ich bin von Herzen gerne stolz auf andere Menschen“, von denen das Buch „ein gerüttelt Maß“ (auch so eine typische Guttenberg-Sentenz) enthält. Wer also richtige Lust auf Häme hat, kann hier aus dem Vollen schöpfen. Die meisten Rezensenten tun genau dies

Andererseits finden sich etliche aufschlussreiche Passagen, in denen Guttenberg beispielsweise von seiner Jugend auf dem väterlichen Schloss erzählt, wo Politiker, Geistesgrößen und Künstler ein- und auszugehen pflegten und deren Tischgesprächen er schon als Zwölfjähriger mit Interesse (und zugegebenermaßen wenig Verständnis für die Materie) lauschte. Gerne hätte man dem gefallenen politischen Star auch länger dabei zugehört, wie er über die zersetzenden Auswirkungen des Lobbyings der Finanzindustrie auf die Gesetzgebung spricht – doch bleibt Guttenbergs Räsonnement an dieser Stelle leider zu diffus. Ähnliches gilt für den Exkurs über die demografische Entwicklung und ihre Herausforderungen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was zu Guttenberg von seinem "barocken Vater" geerbt haben könnte

Ziemlich abwegig finde ich es allerdings, ihm wegen leicht grotesker Geschichten wie jener von der „reizenden indischen Ärztin“, die ihn von der Bürde des Brilletragens befreite, die politische Untauglichkeit zu bescheinigen, wie dies soeben in der FAZ geschah. Karl-Theodor zu Guttenberg beschreibt seinen Vater an einer Stelle als barocken Charakter, und ich maße mir die Vermutung an, dass der Sohn einiges davon geerbt hat. Das schließt eine gewisse Selbstgefälligkeit ein, die Guttenberg junior nicht nur durch seine ständige Demuts-Diktion besonders neckisch zur Schau stellt. Sondern eben auch durch die Überhöhung von Petitessen zu nachgerade mystischen Ereignissen.[gallery:Karl-Theodor zu Guttenberg – Aufstieg und Fall eines Überfliegers]

Die Verehrung Karl-Theodor zu Guttenbergs hatte bis zu seinem jähen Sturz ja durchaus quasi-religiöse Züge. Und es gab fast niemanden in seinem politischen Lager, der es gewagt hätte, diesem Wahnsinn laut zu widersprechen. Jetzt sieht er sich wegen eines Vergehens (nach Eigenwahrnehmung: Versehens) ans Kreuz genagelt und die einstigen Jünger von sich abgewendet. Das spricht zunächst einmal weniger gegen den Ausgestoßenen selbst, sondern vor allem gegen seine alte Anhängerschaft. Und macht es vielleicht erklärlich, warum Guttenberg in „Vorerst gescheitert“ – zumindest nach meinem Eindruck – märtyrerhafte Züge an sich erkennt.

So sagt er beispielsweise über seinen Urgroßonkel Karl Ludwig Guttenberg, der sich vom ausgesprochenen Monarchisten zum Demokraten gewandelt habe und kurz vor Kriegsende von den Nazis hingerichtet wurde: „Legendenbildung nutzt niemandem, aber ich finde es problematisch, wenn man das Hauptaugenmerk auf bestimmte Schwächen legt, um damit die Tat herabzuwürdigen – und um auch die Kraft und den Mut, den diese Menschen besessen haben, in einem weniger hellen Licht erscheinen zu lassen.“

Ein paar Seiten später antwortet Guttenberg auf die Frage, ob er neidfrei sei: „Ich hoffe schon. Aber ich gebe zu, dass ich in den letzten Jahren manchmal neidisch war auf Menschen, die ein komplett selbstbestimmtes Leben führen können und viel persönliche Freiheit haben.“ Kurz darauf die Klage: „Dann gibt es im politischen Geschäft diese Neigung zur Überhöhung und zur ,Unterhöhung‘: Erst wird jemand in die Höhe gehoben, dann wieder heruntergeholt, wenn auch nicht immer komplett abgeschossen.“

An anderer Stelle, zum Thema Religiosität: „Was ich grauenvoll finde, ist ostentative Bigotterie.“ Und über Papst Benedikt XVI.: „Er ist zweifellos ein sehr kluger Mann – und mit der Gabe versehen, auch hochkomplexe Dinge so schreiben zu können, dass sie einem breiten Publikum verständlich werden.“ Vielleicht liege ich falsch, aber es fällt mir schwer, solche Sätze aus dem Munde Guttenbergs ohne Bezug auf ihn selbst zu verstehen. Da hat sich einer aufgeopfert und zum Volke Klartext gesprochen, dröhnt es im Subtext, aber trotzdem wird er bespuckt.

Seine Abiturrede hat Guttenberg, so erzählt er es Giovanni di Lorenzo, an dem Satz festgemacht „ultra posse nemo obligatur“, zu Deutsch: „Unmögliches zu leisten kann niemand verpflichtet werden.“ Das sei als Provokation der Schulleiterin gedacht gewesen, aber „das Zeugnis habe ich dann doch erhalten“. Gut möglich, dass Karl-Theodor zu Guttenberg den Eindruck hat, ihm stehe jetzt noch etwas zu.

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