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CSU - Seehofer in der Mautfalle

Je länger in Deutschland über die PKW-Maut für Ausländer gestritten wird, desto schlechter für die CSU. Was die Hotelsteuer für die FDP, könnte die Ausländermaut für die CSU werden. Doch Horst Seehofer beharrt auf der Umsetzung seines Wahlversprechens, er hat den Schuss offenbar nicht gehört

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Gut gebrüllt, Crazy Horst. Der bayerische Ministerpräsident stellt also die Koalitionsfrage. Horst Seehofer will die gemeinsame Regierung von CDU, CSU und SPD sprengen, sollte seine Ausländermaut am Widerstand von Sozialdemokraten oder Christdemokraten scheitern. Unter keinen Umständen werde seine Partei von der Maut abrücken. Sie sei ein zentrales Versprechen der CSU im Bundestagswahlkampf gewesen. Käme diese nicht, „würde sich die Frage der Legitimation der Koalition ebenfalls stellen“, sagte er in einem Interview der Welt am Sonntag. Viel Spaß möchte man dem CSU-Politiker wünschen, gute Reise.

Horst Seehofer hat sich völlig in die Forderung nach einer Abgabe für ausländische Autofahrer in Deutschland verbissen. Ohne dauerhaften politischen Schaden wird er sich aus dieser Falle kaum noch befreien können. Auch seinen Berliner Adlatus Alexander Dobrindt, der als Verkehrsminister das Gesetz durch das parlamentarische Verfahren lotsen muss, wir er dabei verschleißen. Horst Seehofer steckt in der Mautfalle.

Das Konzept ist murks

Dass das Konzept von Verkehrsminister Dobrindt murks ist, davon sind viele, fast alle in Berlin überzeugt. Es ist bürokratisch, belastet insbesondere den kleinen Grenzverkehr, schürt Ressentiments innerhalb der EU und entfaltet keinerlei Steuerungswirkung. Die Einnahmen sind gering. Dass die EU und die Nachbarländer wie Österreich, Niederlande oder Dänemark diesem ihren Segen geben werden, ist kaum vorstellbar. Am Ende werden entweder alle Autofahrer zahlen, eine generelle Infrastrukturabgabe findet auch bei Sozialdemokraten durchaus Unterstützer. Oder es wird niemand zahlen und Seehofer stünde blamiert da.

Zunächst einmal vollführen die Parteien der Großen Koalition in Berlin derzeit ein denkwürdiges Schauspiel. Es nennt sich „wir verhindern die Ausländermaut, ohne es zu sagen und ohne Horst Seehofer zum Deppen zu machen“. CDU, CSU und SPD bieten dabei die höhere Schule des politischen Schauspiels in Perfektion. Spitzenpolitiker der drei Regierungsparteien arbeiten gekonnt mit doppeltem Boden, doppelzüngigen Reden und falschem Schwarzen Peter. Nur das, was sie wirklich denken, sagen sie nicht.

Da ist zum Beispiel der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der warnt davor, die geplante PKW-Maut zu zerreden, will heißen: Die Kritiker haben recht. Und er mahnt zugleich ein vernünftiges Kosten-Nutzen-Verhältnis an, der Verwaltungsaufwand müsse sich lohnen. Zu deutsch, Dobrindts PKW-Maut ist ein Bürokratiemonster, von dem ich als Kassenwart und Deutschlands marode Straßen nichts haben.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann wiederum erklärt mit Unschuldsmiene, natürlich stehe die SPD zum Koalitionsvertrag. In Wirklichkeit jedoch will er damit sagen, erstens: Auch aus sozialdemokratischer Sicht ist das Dobrindt-Konzept Unsinn. Zweitens: Die SPD wird der CDU nicht den Gefallen tun, mit der CSU in den politischen Nahkampf zu gehen. So wie in der vergangenen Legislaturperiode, als Christsoziale und Liberale im Dauerclinch lagen und Kanzlerin Merkel am Ende als Sauberfrau dastehen konnte. In Sachen PKW-Maut hat die SPD stattdessen die Parole ausgegeben, es ist die Aufgabe der Christdemokraten und notfalls die Aufgabe der Kanzlerin Horst Seehofer zu stoppen, nicht unsere.

Die CDU wiederum würde den Schwarzen Peter gerne der EU zuschieben. Deshalb verweisen auffällig viele Christdemokraten auf die rechtliche Prüfung in Brüssel oder auf die Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof, die Länder wie Österreich und Niederlande angekündigt haben.

Plan ohne Zukunft

Doch möglicherweise wird der Schwarze Peter am Ende wohl beim Bundesrat landen. Das Mautgesetz ist zustimmungspflichtig. Zwar lockt die CSU die Länder mit der Beteiligung an den Mehreinnahmen, das wird die föderalen Bedenken kaum aufwiegen. In der Länderkammer gibt es eine satte Mehrheit gegen Seehofers Mautpläne, und wenn sich CDU und SPD in den Ländern hinter den Grünen verstecken, könnten diese die Ausländermaut sogar ganz alleine stoppen.

Seehofers Mautpläne haben zu viele Gegner und deshalb keine Zukunft. Nicht nur für den Ministerpräsidenten und den Minister könnte das Projekt jedoch ein böses Ende nehmen, sondern auch für deren Partei. Die CSU war immer dann stark, wenn sie in Berlin bayerische Interessen vertrat, aus der bayrischen Provinz den Stachel gegen die deutsche Hauptstadt löckte und innerhalb der Union die rechte Flanke abdeckte. Diese strategische Positionierung geht der CSU derzeit verloren. Außer als latente PKW-Maut-Partei wird sie in Berlin derzeit kaum noch wahrgenommen. Attraktiv ist das für Wähler nicht, auch nicht in Bayern. Horst Seehofer hat offenbar den Schuss der Europawahl, die für seine Partei mit einem Desaster endete, nicht gehört.

So könnte die Ausländermaut für die CSU zu dem werden, was die Senkung der Hotelsteuer in der vergangenen Legislaturperiode für die FDP war. Der entscheidende strategische Fehler, der die Partei wie ein Mühlstein nach unten zieht und von der sie sich nicht wieder erholt. Dabei ist es völlig egal, ob die CDU oder die Grünen, die EU-Kommission oder der Europäische Gerichtshof die wahnwitzigen Pläne stoppen. Der Schaden für die CSU ist schon da, wobei gilt: Je länger in Deutschland über die PKW-Maut für Ausländer gestritten wird, desto schlechter für die CSU. Die Mautfalle hat längst zugeschnappt. Daran ändert auch Seehofers Drohung, die Große Koalition platzen zu lassen, nichts.

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