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CSU - Der Absturz des König Größenwahn

Seit der Pleite der CSU bei der Europawahl ist Horst Seehofer in Not. Ihm bleibt nur die Erkenntnis, sich der Kanzlerin unterordnen zu müssen. Es gibt keinen bayerischen Sonderweg mehr

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Wenn die CSU eine normale Partei wäre, dann hätte sie die Europawahl vom 25. Mai längst abgehakt. Das schlechte Ergebnis bei dieser vermeintlich unwichtigen Wahl irgendwie schöngeredet, eine neue politische Initiative angekündigt und dem Wähler signalisiert, wir haben verstanden.

Nur, die CSU ist eben keine normale Partei. Die Töne in der CSU waren schon immer etwas schriller. Der Anspruch eins zu sein mit dem bayerischen Wähler, Staatspartei zu sein, ist nicht frei von Hybris. Ohne eine ordentliche Portion autoritärem Personenkult kamen in den letzten sechs Jahrzehnten die wenigsten der bayerischen Ministerpräsidenten aus. Hinzu kam in den letzten fünfeinhalb Jahren mit Horst Seehofer ein Landesvater, der die politische Pirouette zu seiner Kernkompetenz erkoren hatte.

Die CSU in Aufruhr
 

Jetzt ist Bayern in Not, die CSU in Aufruhr. König Horst der I. bangt um seinen Thron. Die CSU wurde bei der Europawahl zur Regionalpartei zurechtgestutzt und der Ministerpräsident musste in der vergangenen Woche ziemlich tief in die politische Trickkiste greifen, um seinen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Taktisch bot er seinen Rücktritt an, um die Loyalität seiner Partei zu erzwingen.

Dabei lässt sich die christsoziale Aufregung mit so leicht durchschaubaren Manövern nicht auf Dauer eindämmen. Eben noch hat die Partei Hosianna gesungen, jetzt sind bereits die ersten Kreuzigt-ihn-Rufe zu hören. So schnell werden diese nicht wieder verstummen. Die hektischen Stimmungsumschwünge in der CSU sind schließlich die Kehrseite einer von oben erzwungenen Geschlossenheit. Nur solange Erfolg garantiert ist, ordnet sich die Partei unter. Nur solange die Aussicht auf Macht und auf Posten besteht, erdulden die Mitglieder die Eskapaden ihres Chefs. Jetzt warten die vielen Opfer der Ära Seehofer, die Aussortierten, die Verprellten, die Gedemütigten nur auf eine Gelegenheit, ihr Mütchen zu kühlen.

1.896.762 Millionen Bayern, so wenig wie noch nie bei einer Wahl in Bayern, haben bei der Europawahl am 25. Mai ihr Kreuz bei der CSU gemacht, beziehungsweise 40,5 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2013 waren es noch 3.243.569 Wähler und 49,3 Prozent. Ihren letzten bemerkenswerten Wahlerfolg verdankt die CSU also einer protestantischen Preußin aus dem Osten des Landes. Dass es fahrlässig ist, gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel Wahlkampf zu führen, hätte Horst Seehofer also wissen können.

Im Bundestagswahlkampf 2013 hatte die CSU nicht mit Horst Seehofer um Stimmen geworben, sondern mit Angela Merkel. „Kanzlerin für Deutschland“ hieß es auch in Bayern auf den Wahlplakaten. Die CSU hatte sich dem Wahlkampfstrategien der CDU untergeordnet und war erfolgreich. Auch sie triumphierte die Bundestagswahl nicht wegen der PKW-Maut oder der Mütterente, sondern wegen Angela Merkel. Ihr vertrauten die Deutschen in der Eurokrise. Auch die Bayern wollten mit großer Mehrheit, dass Merkel Kanzlerin bleibt. Horst Seehofer blieb nichts anderes übrig, als zu sekundieren. Wie der CSU-Chef glauben konnte, im Europawahlkampf gegen Europa Stimmung machen, der AfD nachlaufen und auf das Zugpferd Merkel verzichten zu können, bleibt schleierhaft.

Darüber hinaus verwundert es vor allem, dass die Christsozialen so verwundert sind von ihrem Absturz. Es lässt sich schließlich schon seit Langem beobachten, dass die Vorherrschaft der CSU in Bayern bröckelt.

Bayern: Land der Wechselwähler
 

So paradox es auf den ersten Blick klingt, die Parteienbindungen sind in Bayern fragiler als in allen anderen westdeutschen Bundesländern, in keinem gibt es mehr Wechselwähler. Der Grat, auf dem die CSU wandelt, ist deshalb schmal, der Aufwand, den sie betreiben muss, um ihre Wähler bei Laune zu halten, ist hoch. Taktische und strategische Fehler rächen sich schnell.

Der bayerische Sonderweg ist dabei längst kein Erfolgsgarant mehr. Dies hat die CSU schon bei der Landtagswahl 2008 bitter erfahren müssen, als sie von 60,7 Prozent auf 43,4 Prozent einbrach und erstmals nach fünf Jahrzehnten Alleinherrschaft auf einen Koalitionspartner angewiesen war. Bei der Landtagswahl 2013, die im September vergangenes Jahres eine Woche vor der Bundestagswahl stattfand, konnte die CSU mit 46,5 Prozent der Stimmen nur deshalb die absolute Mehrheit der Mandate zurückerobern, weil einerseits auch bei dieser Wahl schon der Merkel-Effekt wirkte und andererseits die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war.

Trotzdem feierte sich die CSU anschließend so überschwänglich, als sei die alte CSU wiedergeboren worden, jene CSU, die auch für 55 oder 60 Prozent der Stimmen in Bayern gut war und regieren konnte wie sie wollte. Und Horst Seehofer glaubte bereits, der CSU-legende Franz-Josef Strauß auf Augenhöhe begegnen zu können. Dieser Größenwahn rächt sich jetzt.

 

 

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