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Bundeswehreinsatz im Inland - Völlig sinnloser Vorschlag

Ein Einsatz von Soldaten im Innern ist weder nötig noch sinnvoll: Gegen Terroristen helfen sie nicht, für Kriminelle sind sie nicht zuständig. Und dann hat die Bundeswehr noch ein weiteres Problem

Autoreninfo

Hauke Friederichs arbeitet als freier Journalist. Seit dem Studium der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Politik und Journalistik interessiert er sich für die Themen innere Sicherheit, internationale Sicherheitspolitik, Verteidigungspolitik, Entwicklungshilfe und Rüstungsexporte

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Auf der Autobahnbrücke bei Rostock steht ein seltsames Gefährt. Es ist mit Tarnfarbe in schwarz-oliv lackiert, ein schwarzes Kreuz prangt auf den Panzerplatten, ein Teleskop ragt in die Höhe und aus einer Schützenluke späht ein Uniformierter mit Fernglas. Ein Spähpanzer vom Typ Fennek der Bundeswehr hat sich hier auf erhöhter Position postiert. Er soll den Gipfel von Heiligendamm bewachen.

Dieser Einsatz der Bundeswehr ist mittlerweile fast neun Jahre her. 2007 besuchten die acht mächtigsten Staatschefs der Welt die Bundesrepublik. Zu ihrem Schutz wurden nicht nur Polizisten aus Bund und Ländern aufgeboten, sondern auch Soldaten. Spezialisten wie die Besatzung des Fenneks. Neun dieser Fahrzeuge waren im Einsatz. Und auch Tornado-Kampfjets, die ebenfalls zur Aufklärung aufstiegen und unter anderem die Zeltlager der Gipfelgegner fotografierten.

Bundespolizei bedarf keiner Unterstützung
 

Heute brauchen Bundespolizei und Bundeskriminalamt weder Spähpanzer noch Tornados, um einen solchen Gipfel zu schützen und die Lage um den Tagungsort herum aufzuklären. Die Polizei des Bundes verfügt über Drohnen, die sie mit Kameras an Bord aufsteigen lassen kann. Die Behörde, die aus dem paramilitärischen Grenzschutz hervorgegangen ist, nutzt unter anderem das Modell Aladin, das auch die Bundeswehr in Afghanistan einsetzt. Und auch sonst gilt die Bundespolizei als gut ausgestattet – zumindest im Vergleich zur Bundeswehr, deren Flugzeuge oft älter sind als die Piloten und die hohen Wartungsbedarf haben. Auch einige Hubschrauber der Truppe sind öfters am Boden als in der Luft.

Die technischen Einsatzhundertschaften der Bundespolizei können mit dem vorhandenen Gerät ebenso unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtungen suchen, mit denen die Bundeswehr in Afghanistan oft konfrontiert wurde. Genauso wie sie in der Lage sind, sogenannte ABC-Gefahren, also etwa ausgehend von atomaren, biologischen und chemischen Stoffen, aufzupüren. Wozu also die jüngsten Gedankenspiele für den Einsatz der Streitkräfte im Inneren?

In konservativen Kreisen wird das schon lange gefordert. Nun, nach den Anschlägen des „Islamischen Staates“ in Frankreich und Belgien, scheint für der Zeitpunkt günstig: Die Befürworter einer Armee für Einsätze im Aus- und Inland bringen alte Forderungen neu auf den Tisch.

Auslandseinsätze fordern die Bundeswehr schon genug
 

Doch gebraucht wird die Bundeswehr im Inneren heute nur noch bei Naturkatastrophen wie Sturmfluten, wenn Deiche abgesichert und Menschen aus Gefahrengebieten gerettet werden müssen. Oder bei unvorhersehbaren Krisen wie der Versorgung von Tausenden Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen. 7.500 Bundeswehrangehörige halfen beim Registrieren und Verpflegen von Flüchtlingen, mehr als 500 weitere unterstützten zudem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Diese Aufgaben übernimmt die Truppe bereits. Eine Verfassungsänderung ist dafür nicht nötig. Ebenso wie ihre Hilfe bei der WM 2006, als Hunderte Soldaten bei Logistik und Sanitätseinsatz unterstützten: Bewaffnete Bundeswehrangehörige waren nicht im Einsatz – und dafür gab es auch keinen Grund.

Für Großeinsätze im Inneren ist die Bundeswehr ohnehin immer schlechter aufgestellt. Seit dem Ende der Wehrpflicht sinkt die Zahl der Soldaten. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Auslandseinsätze ständig zu. Gerade hat die Bundesregierung beschlossen, dass die deutschen Truppen in Mali weitere Aufgaben übernehmen und in den Norden des afrikanischen Landes vorrücken sollen. Die Marine soll weiterhin wegen der Piraten vor der ostafrikanischen Küste unterwegs sein. Ausbilder der Bundeswehr sind im Irak aktiv, in Afghanistan und in Somalia, sie schulen algerische Schiffsbesatzungen, und sollen im Kosovo Unruhen verhindern.

Für langfristige Missionen im Inland fehlen die Kapazitäten. Zu Recht hat der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels gestern davor gewarnt, die Streitkräfte als Reserve der Bundespolizei anzusehen: „Dafür sind Bundeswehrsoldaten auch nicht ausgebildet, dafür sind sie nicht da.“ Wahre Worte. Zumal es ohnehin in Deutschland viel mehr Polizisten –  rund 300.000 – als Soldaten, etwa 185.000, gibt.

Für Terroristen ist die Polizei zuständig
 

Wer nun ablehnt, dass die Streitkräfte innerhalb der eigenen Grenzen eingesetzt werden, der fürchtet nicht, dass die Armee zu viel Macht erlangen, zum Staat im Staat werden könnte. Die Bundeswehr hat als Parlamentsarmee bewiesen, dass Demokratie und Militär sehr wohl gut zusammenpassen. Aber vor einer Militarisierung der Innenpolitik zu warnen, hat nichts mit Blauäugigkeit zu tun. Terroristen sind keine Gegner für Soldaten – auch wenn der „Kampf gegen den Terror“ sich längst im Sprachgebrauch verankert hat. Terroristen sind Verbrecher. Für sie ist die Polizei zuständig.

Zum Kampf gegen den Terrorismus im Inland braucht die Bundesrepublik ihre Soldaten nicht. Selbst in Afghanistan, wo die Bundeswehr Aufständischen und den Bombenbauern von Taliban sowie al-Qaida gegenüber stand, setzte sie keine schweren Panzer ein. Kampfjets könnten höchstens entführte Flugzeuge abschießen – aber hier hat das Bundesverfassungsgericht bereits strenge Vorgaben gemacht. Und das Kommando Spezialkräfte (KSK), die Elite der Bundeswehr, ist mit seinen Missionen im Ausland schon stark gefordert und hat mit der GSG 9 ein mindestens gleichwertiges Pendant bei der Bundespolizei.

Und beim Objektschutz – eine weitere Aufgabe, die von der Bundeswehr in besonderen Fällen übernommen werden darf – dürfte die Bundespolizei ebenfalls auf Soldaten verzichten können. Ihre Beamten bewachen Bahnhöfe, das Kanzleramt oder die Bundesbank. Bislang scheinen sie dazu allein in der Lage zu sein. Zumal die Bundeswehr in Deutschland nicht einmal die eigenen Kasernen beschützt: Vor den Toren stehen meist private Wachleute.

Heiligendamm-Einsatz war unnötig
 

Bisher gab es keinen erfolgreichen Anschlag von islamistischen Terroristen in Deutschland. Soldaten helfen gegen rechtsextremen Terror wie vom Nationalsozialistischen Untergrund ebenso wenig wie gegen Linksradikale: In Zeiten der Roten Armee Fraktion brauchte der Staat die Bundeswehr nicht, um gegen den Terrorismus vorzugehen. Warum sollte das bei einer Attacke des „Islamischen Staates“ oder der al-Qaida in Deutschland anders sein?

Der Einsatz der Fenneks 2007 in Heiligendamm hat vermutlich die Sicherheit des G8-Gipfels nicht wesentlich erhöht. Im Nachhinein hätte die Bundesregierung wohl gern auf die gepanzerten Fahrzeuge verzichtet. Denn der kleine Einsatz im Innern hatte ein großes parlamentarisches Nachspiel: Die Opposition war sauer, über die Mission der Fenneks nicht informiert worden zu sein. Und einige Demonstranten, die von den Soldaten beobachtet wurden, machten sich über den Einsatz lustig: Noch auffälliger habe der Staat kaum vorgehen können, Fenneks auf Autobahnbrücken, das bemerke man doch sofort.

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