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BND - Bedingte Transparenz

Um seine Kritiker zu beruhigen, setzt der Bundesnachrichtendienst neuerdings auf Transparenz: Erstmals durfte ein Fernsehteam ins Innere der neuen Berliner Zentrale. Aber die neue Öffentlichkeitsinitiative hat Grenzen – zum Beispiel, wenn es um die NSA geht

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Der Geheimdienst will sein schlechtes Image aufpolieren und deshalb nicht mehr ganz so geheim sein. Das sagt sich leicht – in der Theorie. Aber wie soll das in der Praxis laufen? Da gibt es vor allem ein Projekt: Hinein ins echte Leben!

Seit zehn Tagen arbeitet der BND von seiner neuen Zentrale in Berlin-Mitte aus. Zum Auftakt hat Deutschlands Auslandsnachrichtendienst erstmals in seiner sechzigjährigen Geschichte ein Kamerateam zur Live-Berichterstattung hinter seine Mauern gelassen: Das ZDF durfte hinein. Doch die neue Offenheit hat strikte Grenzen.

[video:BND: „Wir wollen mehr Transparenz“]

Bei der Vorbesichtigung für den Dreh müssen die Kameras ausgeschaltet werden, noch bevor auch nur der Seiteneingang von außen zu sehen ist. Am Drehtag selbst ist die Auflage, dass niemand der BND-Mitarbeiter gefilmt werden darf, wirklich kein einziger, der auch nur weit hinten über den Innenhof huscht. „Wir sind lichtscheue Wesen“, wird das lächelnd von einem Breitschultrigen begründet.

Im Eingangsbereich sitzen etliche Uniformierte, sie sind Abschirmdienst und Schleusenwärter zugleich. Selbst BND-Angestellte müssen ihr Handy bei ihnen abgeben, bevor sie ins Büro gehen. Denn jedes Gerät könnte drinnen filmen und mitschneiden.

Die Eingangsschleuse, das sind zwei Drehtüren, die jedes Wort schlucken. Angrenzend sitzt ein Wachmann in einer schusssicheren, gläsernen Zelle. Hinter dieser schalldichten Schleusenwand beginnt eine Welt in grauem Sichtbeton. An der Decke suggeriert eine kühle Leuchtröhrenkonstruktion Weite und Modernität. Parallel zur Treppe führt eine Rolltreppe ins erste Geschoss. Ab 2015 werden etliche der 4000 BND-Mitarbeiter sie nutzen können. 4000 Menschen, die niemand filmen soll, die jedoch dann kurz vor oder kurz nach dem Dienst unmittelbar vor der BND-Zentrale die U-Bahn nutzen werden. „Das geht in der Masse unter“, heißt es dazu nur beim BND.

Für den BND ist diese Form von Öffentlichkeitsarbeit Neuland. Er will Einblicke gewähren, aber auch nicht wirklich etwas preisgeben. Der neuen Öffnung gingen viele Schritte voraus, von denen jeder einzelne mächtig Überwindung bedeutete. Schritt eins der Offenheits-Offensive wurde vor 18 Jahren gewagt: 1996 tritt der BND erstmals aus seiner Anonymität heraus. In der Heilmannstraße im Städtchen Pullach bei München wird ein Schild aufgestellt: „Bundesnachrichtendienst“ steht dort blau auf grau. Die geheimste Bundesbehörde hat damit ihren Dienstsitz kenntlich gemacht. Neu auch, dass ein Pressesprecher eingesetzt wird. Ein Jahr später dürfen Familienmitglieder der Mitarbeiter erstmals die Zentrale besuchen.

2005 beschließt die rot-grüne Bundesregierung, dass der BND seinen Hauptsitz nach Berlin verlegt, um Tür an Tür mit den politischen Entscheidern arbeiten zu können. 2008 beginnt der gigantische Neubau, das größte zusammenhängende Gebäude Deutschlands seit dem Flughafenbau in Tempelhof vor 75 Jahren. Wie es offenbar bei öffentlichen Gebäuden üblich ist, verzögert sich die Fertigstellung um Jahre, und alles wird viel teurer als geplant. Inklusive des bis 2016 geplanten Rest-Umzugs sind 1,4 Milliarden Euro veranschlagt.

6500 Mitarbeiter hat der BND – den offiziellen Angaben nach. Die technische Abteilung mit 1000 Leuten soll auf Dauer in Pullach verbleiben, und von den 4000, die umziehen müssen, hat eine Vorhut von 174 BNDlern vor zehn Tagen ihren Hauptstadtdienst angetreten. Der Rest von etwa 1000 Geheimdienstlern arbeitet mutmaßlich im Ausland oder anderen – meist weiterhin geheimen – innerdeutschen Dienststellen.

Der nächste Schritt ans Licht wird sein, dass es keine doppelten Identitäten mehr geben soll in der Zentrale. Bislang tragen dort viele Geheimdienstler einen falschen Namen. Diese „Legendierung“, wie es im BND-Jargon heißt, wird demnächst fallen. Künftig soll dazu der wahre Arbeitgeber genannt werden können anstatt eines erfundenen, also BND und nicht mehr „Hauptstelle für Befragungswesen“, „Bundesstelle für Fermeldestatistik“ oder „Ionosphäreninstitut“.

In der BND-Zentrale – die neue ist der größte und teuerste Bau der Bundesrepublik – werden vor allem Berichte für die Regierung und das Parlament gefertigt. Man arbeite „nicht für den Panzerschrank“, betont der BND. Im Monat würden durchschnittlich etwa 300 Berichte für das Kanzleramt und Ministerien geschrieben. Solche Dossiers umfassen bis zu 160 Seiten. Es sind Analysen etwa zur Frage, ob Putin nun genug hat mit der Krim oder noch Lust auf mehr Ukraine. Darauf hat der deutsche Auslandsgeheimdienst seine Spione in Moskau angesetzt. Anhand solcher Berichte sollen Merkel und Steinmeier auch erkennen können, ob Sanktionen oder auch nur das Drohen damit irgendetwas auslösen im Kreml.

Der BND liefert aber auch Daten zur Finanzkrise, wie es heißt, und für das Bundesfinanzministerium waren wohl recht brauchbare darunter. So legte ein BND-Bericht über das marode Euro-Land Zypern dem deutschen Finanzminister dem Vernehmen nach dar, dass das zyprische Bankensystem illegale Milliarden russischer Herkunft wasche. Das Außenministerium wiederum soll stets auf dem Laufenden gehalten worden sein über Irans Atomprogramm oder das Durchhaltevermögen Kims in Nordkorea.

Zudem gebe es monatlich an die 900 Fragen von Parlamentariern zu beantworten zu allen möglichen Regionen in der Welt. Das sind zuweilen wenige Sätze, aber auch mehrere Seiten Text. Außerdem gebe der BND im Jahr etwa 1800 zielgerichtete Briefings. Die Verteidigungsministerin lässt sich demnach von den Mali-Fachleuten erläutern, was die Touaregs vom Einsatz der Bundeswehr halten, um ein jüngstes Beispiel zu nennen.

Nur einen Auftrag hat BND-Präsident Gerhard Schindler von der Bundesregierung ausdrücklich nicht bekommen, wie er dem ZDF sagt: „In diesen Vorgaben ist die USA als Aufklärungsobjekt nicht enthalten. Und wo nichts aufgeklärt wird, wird auch nichts abgehört.“ Mit anderen Worten: Während die NSA, also die amerikanische Partnerbehörde des BND, angeblich 300 Berichte allein über Merkel schreiben ließ, hat der BND keinen einzigen über Obama gefertigt.

Enttäuschung über die Bespitzelung durch die Amerikaner wird von den Aktiven im BND nicht gezeigt. Das übernehmen Ehemalige wie Schindlers Vorgänger Hansjörg Geiger, der als BND-Präsident 1996 den langen Weg des BND an die Öffentlichkeit begann. Er ist empört über die NSA: „Unter Freunden spioniert man nicht, das ist unanständig!“

Schindler hingegen muss die Gegenaktionen klaglos hinnehmen, weil seine Behörde auf die weitere enge Zusammenarbeit mit der NSA angewiesen ist. So erklärt sich wohl auch der Rücktritt des Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschusses, Clemens Binninger, am Mittwoch. Als Grund gab der CDU-Politiker Unstimmigkeiten zwischen den Ausschussangehörigen über eine mögliche Befragung Edward Snowdens an. Binninger selbst hatte vom ersten Tag an eine Vorladung des früheren NSA-Mitarbeiters abgelehnt.

Der wahre Hintergrund des Rücktritts scheint zu sein, dass es sich der BND nicht mit der NSA verderben soll: Nur mit ihrer Hilfe wird der Bundesnachrichtendienst viele Informationen aus nahen und fernen Schattenwinkeln der Welt bekommen, die das Kanzleramt verlangt. Daran wird auch der Umzug von Pullach nach Berlin, der nun begonnen hat, nichts ändern.

 

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