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(picture alliance) Bettina Wulff will ihren Ruf wiederherstellen

First Lady a.D. - Bettina Wulff kämpft um ihr Leben

Ein knappes Jahr nach der bundespräsidialen Vollkatastrophe um ihren Ehemann kämpft Bettina Wulff nun um ihren eigenen Ruf: Sie klagt gegen zahlreiche Medienhäuser, darunter gegen Google und Günter Jauch. Außerdem will sie ein Buch veröffentlichen

Bettina Wulff will es richtig stellen. Es soll ein Buch über ihr Leben sein. Soviel sagt der Verlag. Sie will die Deutungshoheit über ihre Biografie wiedererlangen. Das schreiben die Medien. Sie will wiederherstellen, was in den vergangenen Monaten mächtige Risse bekommen hat: ihr Ansehen. Das Bild ihres Mannes, ihrer Ehe, ihres Lebens.

Auch wenn noch niemand weiß, was genau in den Memoiren der ehemaligen First Lady Deutschlands stehen wird. „Meine Sicht der Dinge“ ist die vorerst letzte Möglichkeit, die Familie Wulff zu rehabilitieren. Und damit steht auch fest, dass es ihr Gatte endgültig versemmelt hat. Was auch immer die Staatsanwaltschaft ermittelt, das Bild, das sich die Öffentlichkeit von Christian Wulff gemacht hat, steht: Er hat genommen, was ihm nicht zusteht, hat sich Vorteile verschafft, die ihm seine Machtstellung ermöglichten, hat den Einfluss reicher Freunde genutzt und er hat wiederholt die Unwahrheit gesagt.

Christian Wulff hat sich ordentlich verhoben, sich vor aller Augen daneben benommen und es an jeder Gabelung verpasst, den richtigen Pfad zu nehmen, um auch nur einen Fingerbreit zu retten, was zu retten war. Nun muss seine Frau ran. Mit der Bekanntgabe ihrer eigenen Version, ihrer „Sicht der Dinge“ könnte sie Fehler umdeuten, Motive schönreden und Lügen ins rechte Licht rücken.

Bettina Wulff hatte bereits zu Beginn ihrer Amtszeit als Frau des Bundespräsidenten geplant, ein Buch zu veröffentlichen. Dass es nun aber auf ein solches Interesse stößt, dass der Verlag eine sechsstellige Auflage plant – das war damals sicher nicht vorhersehbar.

Es steht viel auf dem Spiel für Bettina Wulff. Als Christian Wulffs Ansehen in der Öffentlichkeit stetig sank, zog er auch seine Ehefrau in den Strudel mit hinein. Wer bei Google etwa ihren Namen eingibt, erhält Ergänzungsvorschläge wie „Escort“ oder „Prostituierte“. Günter Jauch hatte in seiner Sonntagsshow einen Zeitungsartikel gezeigt. Denn tatsächlich hatten nicht nur Internetblogger, sondern auch Gazetten wie die Berliner Zeitung und der Stern moralische Grenzen des Journalismus überschritten und über eine vermeintliche Vergangenheit berichteten, für die es keine Beweise gab.

Nun hat Bettina Wulff zurückgeschlagen. Beim Hamburger Landgericht reichte sie Unterlassungsklagen gegen Google und Jauch ein, wie die "Süddeutsche Zeitung" in ihrer Samstagsausgabe berichtet. Zuvor hatte sie bereits den Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn zu der kleinlauten Äußerung getrieben, es sei „nicht haltbar“, was sein Blatt geschrieben habe. „Das hätte nicht passieren dürfen“, zitiert ihn der Spiegel.

Seite 2: Ihre Schlacht entscheidet sich im Internet

Dass Bettina Wulff ihre wichtigste Schlacht schlägt, liegt in der Natur unserer internetgefütterten Mediengesellschaft. Wovon können wir uns noch etwas kaufen, wenn nicht von dem Bild, das andere Menschen von uns haben? Es geht mehr denn je um Bedeutung, Darstellung, um die Präsentation des Selbst.

Wer sich nicht gerade dafür entscheidet, sein Leben fern der Sozialisation zu leben, von selbst angebauten Kartoffeln, von seiner eigenen Hände Arbeit, der ist abhängig von der Deutung seines Selbst durch die Umwelt. Ob bei Facebook oder im Karrierenetzwerk Xing, ob auf dem roten Teppich und in den Boulevardblättern, ob in der Kartei der Agentur für Arbeit oder in der Auswahl, die Google liefert, wenn wir unsere Namen eingeben: Erscheinung ist alles.

Nun kann aber jeder, der einigermaßen Einfluss hat, in diesem Bild herumpfuschen. Journalisten, Fotografen, Blogger oder der eigene Ehemann. Und dann steht es da. Und steht und steht. Immer wichtiger werden deswegen Reputationsagenturen, die sich um den digitalen Ruf ihrer Mandanten kümmern.  Politiker, die einmal mit einer unbedarften Äußerung an die Öffentlichkeit gingen und die sich später nicht mit ihrem aktuellen Amt verträgt, heuern Leute an, die diese unschönen Worte für das Netz vergessen machen.

Was aber, wenn sich die Erinnerungen an einen Menschen in das kollektive Gedächtnis gebrannt haben. Wenn die Öffentlichkeit etwas in ihrem Erinnerungsvermögen abrufen kann, ohne es googlen zu müssen? Dann schlägt die Stunde der Meinungsmache, die Promotionsmaschinerie wird angefahren, Anwälte angeheuert, Unterlassungsklagen durchgefochten. Und es werden Bücher geschrieben. An dieser Stelle steht nun Bettina Wulff.

„Man braucht 20 Jahre, um eine Reputation aufzubauen und fünf Minuten, sie zu ruinieren“. Ganz so schnell wie der amerikanische Unternehmer Warren Buffet in seinem Bonmot unterstellt, hat es Christian Wulff nicht geschafft, sich und seine Familie in Misskredit zu bringen. Es ging aber doch erstaunlich schnell.

Hinweis: aktualisiert am 08.09.2012

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