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Nicht wie Glaeseker - Ein Pressesprecher darf kein Strippenzieher sein

Wulffs Ex-Sprecher Olaf Glaeseker galt lange als beispielhafter Strippenzieher und Spin Doctor. Sein Scheitern zeigt, dass seine Methode das Gegenteil von guter Pressearbeit war. Michael Schroeren, designierter Sprecher des Bundesumweltministeriums und bislang grüner Fraktionssprecher, entwirft ein anderes Berufsbild

Autoreninfo

Michael Schroeren ist ab Januar Leiter der Pressestelle im Bundesumweltministerium. Von 2010 bis 2013 war er Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und davor schon zwölf Jahre im BMU tätig.

So erreichen Sie Michael Schroeren:

Wir Pressesprecher und Pressesprecherinnen sind ja ein eigenartiges Völkchen. Man weiß nicht so richtig, wo man uns hintun soll: hierhin oder dorthin? Zu uns oder zu denen?

Im eigenen Laden, für den wir sprechen, werden wir nie vollständig den Ruf der unsicheren Kantonisten los, gelten gewissermaßen als unkalkulierbares Leck, durch das interne Informationen nach außen sickern könnten: „Oh Gott, wenn das die Pressestelle erfährt, steht’s morgen gleich in der Zeitung!.“ Und natürlich sind wir auch diejenigen, die Botschaften lancieren sollen, Medienauftritte beschaffen sollen, Interviews besorgen sollen – also insgesamt für das sorgen sollen, was „gute Presse“ genannt wird. Wir sind aber auch diejenigen, die als Kavallerie“ in Reserve gehalten werden, die ausrücken soll, wenn es unangenehm wird, wenn es darum geht, gegen unfaire oder unzutreffende Berichterstattung vorzugehen.

Für die anderen, für die Menschen in den Medien, sind wir auch zweierlei: Einfallstore und Torhüter zugleich. Mal die lieben Kolleginnen und Kollegen, die Interviews und Termine mit den Chefs arrangieren, Zitate liefern, Informationen und Hinweise geben, interpretieren und erläutern. Anderseits auch: die ewigen Schönfärber, Erfinder von Geschichten, Dementierer, Zitate-Glätter und viel gescholtene Interview-Zensoren.

Pressesprecher sitzen auf zwei Stühlen


Zugegeben – das ist ein bisschen übertrieben und zugespitzt. Aber im Kern ist es doch so: PressesprecherInnen gehören eigentlich zwei Seiten, und 50 Prozent von ihnen gehören nun mal den Medien. Wir sitzen mit unserem Hintern auf der Kante von zwei Stühlen, und wenn man uns einen davon wegzieht, dann ist es um uns geschehen.

Und weil das nun mal so ist, will ich heute Abend auch meinen Dank aufsplitten, den ich zum Ende meiner Zeit als Pressesprecher der Fraktion sagen möchte:

Euch – den Vorsitzenden, den Abgeordneten, den FraktionsmitarbeiterInnen – danke ich ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit. Denn das ist das, was wir in den zurückliegenden vier Jahren gemeinsam getan haben: Wir haben zusammengearbeitet, weil wir gemeinsame Interessen haben und gemeinsame Ziele.

Auch den Journalistinnen und Journalisten möchte ich herzlich danken – aber nicht für gute Zusammenarbeit. Denn so kann oder sollte man das nicht nennen, was sich zwischen PressesprecherInnen und JournalistInnen abspielt. Passender finde ich, von einem Umeinander, Miteinander, manchmal auch von einem unvermeidlichen Gegeneinander zu sprechen. Wenn es dabei professionell und kollegial, fair und ehrlich zugeht, dann ist das ein guter Grund sich zu bedanken – und das tue ich hiermit ganz herzlich, denn genauso so habe ich es in den vier Jahren mit Ihnen erlebt. Herzlichen Dank dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen!

PressesprecherInnen und JournalistInnen sitzen zwar beide in einem Boot – aber nicht im selben, und sie rudern auch nicht unbedingt in dieselbe Richtung. Sich diese unterschiedliche Interessenslage immer wieder klar zu machen, ist vielleicht die wichtigste Grundregel, die PressesprecherInnen beachten sollten (JournalistInnen übrigens auch!).

Christian Wulff scheiterte auch wegen seines Pressesprechers


Pressesprecher, die sich hauptsächlich als Spin Doctoren verstehen, sehen das vielleicht etwas anders. Ein Spin Doctor glaubt, er könne Journalisten dazu bringen, in dieselbe Richtung zu paddeln (nämlich in seine eigene). Das mag eine Weile gelingen und gut gehen, aber früher oder später werden die ersten Journalisten anfangen, in eine andere Richtung zu rudern, und dann können die Folgen um so heftiger sein – kaum ein Fall zeigt das deutlicher als das Beispiel Olaf Glaeseker.

[gallery:Die Bilder zur Wulff-Affäre]

Damit meine ich nicht die strafrechtlich relevanten Dinge, für die sich Glaeseker derzeit vor Gericht verantworten muss, sondern die Methode, mit der er Pressearbeit für seinen Chef, den ehemaligen Ministerpräsidenten und Bundespräsidenten Wulff, geleistet hat. Ich glaube, das Scheitern von Christian Wulff lässt sich zumindest in Teilen als Scheitern seines Pressesprechers erklären.

Dabei hatte es danach zunächst gar nicht ausgesehen. Olaf Glaeseker war als Wulffs Sprecher in Hannover sehr erfolgreich. Seine Methode funktionierte dort wie geschmiert. Alle ruderten in dieselbe Richtung – in Glaesekers Richtung.

Die „Methode Glaeseker“


Welche Methode war das eigentlich, die „Methode Glaeseker“? Die beste Antwort auf diese Frage habe ich bei denen gefunden, für die sie erdacht war und auf die sie angewendet wurde (also die Journalisten): Sie waren voll des Lobes über Glaeseker. Hier einige Zitate aus Glaeseker-Porträts, die anlässlich von Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten erschienen: Darin wird er beschrieben

- als „Wulff-Macher“ und „guter Trickser“ (Welt),

- als „Präsidenten-Flüsterer und mächtiger Strippenzieher“ (Berliner Kurier),

- ja als „Inbegriff eines guten Sprechers“ (Bild-Zeitung).

- Glaeseker begreife den Medienbetrieb, so die Hannoversche Allgemeine, als „Spiel des Gebens und Nehmens“; er habe gerne „Informationen gesteckt und sich damit auch Wohlwollen erkauft“.

- Die Welt stellte fest: „Glaeseker zog die richtigen Strippen, er kannte die Wege.“

- Und die Bild-Zeitung befand: „Private Probleme, wie die Scheidung von Wulffs erster Ehefrau, erledigt Glaeseker dezent im Hintergrund.“

Kurz nach Wulffs Wahl zum Bundespräsidenten im Sommer 2010 schwärmte die Süddeutsche Zeitung für Glaesekers Methode:

„Glaeseker erfand als klassischer Spin Doctor seinen Chef neu und machte aus dem biederen Osnabrücker Rechtsanwalt zwischenzeitlich den beliebtesten Politiker Deutschlands, indem er jedes Detail und jeden Medienkontakt kontrollierte, ohne selbst öffentlich zu agieren.“ Glaesekers Engagement als Pressesprecher der niedersächsischen Landes-CDU und später als Regierungssprecher in Hannover sei „die beste Personalentscheidung in Wulffs Karriere“ gewesen – so das Urteil der SZ. Nun ja!

Das Erstaunliche und Bemerkenswerte an diesen Charakterisierungen Glaesekers ist zweierlei:

Zum einen das Berufsbild, das da unserer Zunft der PressesprecherInnen verpasst wird. Nicht wenige Journalisten scheinen sich den „ideellen Gesamtpressesprecher“ als einen Tausendsassa vorzustellen, der sie nach Strich und Faden austrickst, der sie nach Gutsherrenart mit Informationen versorgt (oder auch nicht), der erfolgreich Legenden bildet und „seinen Chef neu erfindet“.

Zum anderen gibt der Beifall für die Methode Glaeseker auch einen unfreiwilligen Einblick in das Selbstverständnis von Journalisten. Sie applaudieren einem Menschen dafür, dass er es geschafft hat, ihnen einen Bären aufzubinden! Man ist offenbar gerne bereit, einem solchen Tausendsassa hinter die Fichte zu folgen und seine Geschichten zu verbreiten – jedenfalls dann, wenn es sich um eine nette Geschichte handelt, mit den nötigen Zutaten von Liebe, Macht und Trennung. Und natürlich so lange, wie man das vermeintliche Privileg genießt, zum erlauchten Kreis der Eingeweihten zu gehören, denen der Spin Doctor diese Geschichte verklickert.

 

Hier wird, wie ich finde, eine journalistische Schwäche sichtbar, ohne die die Methode Glaeseker nicht funktioniert hat und wohl auch nicht funktionieren kann. Glaesekers Stärke korrespondierte stets mit der journalistischen Schwäche derer, die ihm die Legende glaubten, an der er „trickreich“ über die Jahre hinweg strickte: Die Legende „vom sensiblen und besonders ehrlichen Politiker [Wulff], der nicht an Macht, sondern an Menschen interessiert sei“. Dieses Zitat stammt übrigens auch aus der Süddeutschen Zeitung, allerdings nach den ersten Berichten über das Wulff-Glaeseker-Debakel.

Olaf Glaeseker mag ein effizienter Strippenzieher und „guter Trickser“ gewesen sein. Aber war er auch ein guter Pressesprecher, der sein Handwerk beherrscht hat? Ich habe da meine Zweifel. Die Kunst eines Pressesprechers erweist sich nicht zuletzt in der Krisenkommunikation. Auch Glaeseker hatte eine Art von Krisenkommunikation entwickelt, die in Hannover jahrelang bestens funktioniert hatte, und zwar so – ich zitiere noch einmal die HAZ: „Im kleinen Kreis ausgewählte Journalisten informieren – in der Erwartung, dass dieses Entgegenkommen mit Zurückhaltung in der Berichterstattung belohnt wird, sollte sich der vermutete Skandal als Skandälchen erweisen.“

Als im Dezember 2011 jene Krise um Wulff ihren Lauf nahm, deren Ende bekannt ist, funktionierte diese Strategie plötzlich nicht mehr. Da war der große Spin Doctor Glaeseker mit seinem Latein am Ende. Mehr als eine unbeholfene Pressemitteilung, in der die ersten Meldungen der Bild-Zeitung in aggressivem Ton rundheraus bestritten wurden, brachte er nicht zustande – danach tauchte Glaeseker bekanntlich ab und ließ seinen Anrufbeantworter sprechen.

Pressesprecher sollte die wirkliche Wirklichkeit interessieren


Was zeigt uns dieses Drama? Erstens: Ein erfolgreicher Spin Doctor macht noch keinen guten Pressesprecher. Zweitens: Ein guter Pressesprecher muss sich nicht unbedingt ein Beispiel an der „Methode Glaeseker“ nehmen.

Ich bin da ganz konservativ: Ich glaube an den Erfolg solider, seriöser und redlicher Pressearbeit. Will sagen: PressesprecherInnen tun gut daran, sich mehr mit der wirklichen Wirklichkeit zu beschäftigen als damit, eine unwirkliche Wirklichkeit kreieren zu wollen, die ihnen früher oder später als Legende auf die Füße fällt. Wer zuviel Schaum schlägt, setzt seine Glaubwürdigkeit aufs Spiel, und ohne Glaubwürdigkeit ist eine PressesprecherIn nicht viel wert.

Was muss ein Pressesprecher können? Erstens: er muss sprechen können. Zweitens: er muss schweigen können. Beides gehört zum Handwerk. Damit eine PressesprecherIn beides kann – an der richtigen Stelle sprechen und an der richtigen Stelle schweigen – muss sie vollständig informiert sein. PressesprecherInnen sind immer nur so gut, wie sie informiert sind. Eine PressesprecherIn muss 100 Prozent wissen, auch wenn weniger als 100 Prozent davon für die Öffentlichkeit bestimmt sein sollten. Getreu der Devise: Alles, was ein Pressesprecher sagt, muss wahr sein, aber nicht alles was wahr ist, muss er auch sagen!

Das ist eine Binsenweisheit, aber noch nicht überall eine Selbstverständlichkeit. Unternehmen, Behörden, Ministerien und Fraktionshierarchien neigen dazu, Informationen auch gegenüber ihren Pressestellen zu dosieren: Man gibt ihnen nur soviel, wie sie gefälligst zu verkünden haben. Ein Pressesprecher freilich, der viel verkünden, aber nichts davon erklären kann, ist auf die Rolle eines Sprechapparats reduziert, den niemand wirklich benötigt.

„Schabowski-Effekt“ nicht vergessen


Was sollte eine Pressesprecherin nicht tun? Er soll Politik „verkaufen“, aber nicht selber machen. Er sollte sich nicht zu wichtig nehmen in dieser „Republik der Wichtigtuer“, von der die viel zu früh verstorbene Journalistin Tissy Bruns gesprochen hat. Er sollte sich darüber klar sein, dass er eine wichtige Funktion hat und große Verantwortung trägt. Er sollte den „Schabowski-Effekt“ nicht vergessen – dass nämlich seine Worte Gewicht haben und Folgen haben können, geahnte wie ungeahnte, und im Extremfall Börsenkurse und sogar Mauern zum Einsturz bringen können, und zwar „sofort, unverzüglich“.

Woran erkennt man einen guten Pressesprecher? Schwer zu sagen. Vielleicht hilft uns eine Anleihe bei Hanns-Joachim Friedrichs. Der hat sich zwar nie gefragt, woran man einen guten Pressesprecher erkennen kann – warum auch? –, wohl aber einen guten Journalisten. „Einen guten Journalisten“, so Hajo Friederichs in seinem berühmt gewordenen Satz, „erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.“

Mein Versuch, diese Weisheit auf Pressesprecher zu übertragen, lautet wie folgt: „Einen guten Pressesprecher erkennt man daran, dass er nicht gemein ist zu Journalisten, auch nicht zu einem schlechten Journalisten; dass er überall richtig spricht, aber nirgendwo wichtig tut.“

So – genug Berufsberatung für heute! Ihr merkt: Ich liebe diesen Beruf, den ich seit mehr als 30 Jahren ausübe, den ich auch für Euch in dieser Fraktion sehr gerne ausgeübt habe und sehr gerne auch noch länger ausgeübt hätte!

Michael Schroeren ist ab Januar Leiter der Pressestelle im Bundesumweltministerium. Von 2010 bis 2013 war er Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und davor schon zwölf Jahre im BMU tätig. Die Abschiedsrede als Fraktionssprecher hielt Schroeren am 19. Dezember.

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