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Berliner Spiele? - Olympisches Kabarett in der Hauptstadt

Empörung: Den Kolumnisten packt das Gruseln. Eine Horrormeldung nach der anderen geistert durch die Zeitungen von Berlin. Wie soll eine Stadt, die nicht einmal einen Flughafen fertig bekommt, Olympische Spiele stemmen?

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Die nachfolgenden Meldungen entstammen allesamt der Ausgabe der Berliner Zeitung vom gestrigen Dienstag. Nachricht Nummer eins bezieht sich auf das Berliner Gasnetz, welches nach Plänen des Finanzsenators Ulrich Nussbaum (parteilos, für die SPD) rekommunalisiert werden soll. Zwei Senatsmitglieder der CDU zweifeln jedoch daran, dass es bei der Vergabe der Gasnetz-Konzession an das neue landeseigene Mini-Unternehmen „Berlin Energie“ mit rechten Dingen zuging.

Von Justizsenator Thomas Heilmann, CDU, „heißt es, es gebe ein knapp 40-seitiges Papier, gespickt mit kritischen Anmerkungen zur Vergabeentscheidung, die der CDU-Mann parteiintern bereits als rechtswidrig eingestuft haben soll“. Ein Redakteur der Berliner Zeitung kommentiert diesen Sachverhalt folgendermaßen: „Die Botschaft ist: Dieser Senat kann weder einen Flughafen zu Ende bauen noch wichtige Wohnprojekte in Tempelhof durchsetzen noch Milliardenprojekte wie die Gasnetzvergabe erfolgreich managen, jedenfalls nicht im vorgesehenen Zeitrahmen.“

Meldung Nummer zwei: Im Stadtteil Lichtenberg standen am Montag zwei große, offene Container herum, „über den Rand gefüllt mit offiziellen Plänen, Berichten und Verträgen zum neuen Flughafen“. Passanten konnten sich ungehindert aus diesem Fundus an Dokumenten bedienen, „viele Dutzende Ordner enthielten technische Pläne, etwa von Sprinkleranlagen oder Fahrtreppen im Fluggastterminal – eine Fundgrube für Saboteure“. Der an der Fundstelle herumliegende Monatsbericht für November 2010 habe Belege dafür enthalten, dass bereits zu diesem Zeitpunkt Termine auf der Kippe standen.

Meldung Nummer drei befasst sich damit, dass sämtliche Berliner Vorschläge für eine Eintragung ins Welterberegister der Unesco soeben von der Kultusministerkonferenz verworfen wurden, darunter der Jüdische Friedhof in Weißensee. Dieses Scheitern, so ist weiter zu lesen, verdanke sich „weniger untauglichen Vorschlägen als vielmehr politischen Fehlentscheidungen“. Die Ablehnung der Berliner Vorschläge, so die Berliner Zeitung, sei auch eine Folge des „Überdrusses an der berüchtigten Anspruchshaltung der Hauptstadt. Dabei gab es in Berlin keine zentrale Organisation über die Verwaltung hinaus, kaum politische Absprachen, keine öffentlichen Debatten und keine Werbung, ja nicht einmal eine Broschüre“. Der Senat und das Abgeordnetenhaus hätten so getan, „als sei der internationale Auftritt der Stadt ein Privatvergnügen“.

Selbst Public Viewing behindert den Verkehr

 

Wer sich nach morgendlicher Lektüre dieser Nachrichten auf den Weg zur Arbeit macht, wird schnell feststellen, dass selbst ein Sportereignis auf einem anderen Kontinent nicht weit genug entfernt ist, um nicht den Verkehr in der Innenstadt lahmzulegen. Aus Anlass der Fußball-WM in Brasilien wurde nämlich für schlappe vier Wochen mit der Straße des 17. Juni die Hauptverbindungsachse zwischen Ost und West gesperrt: Public Viewing ist in Berlin offenbar nur vor der Kulisse des Brandenburger Tors denkbar, an weniger frequentierten Orten würde ja auch der Würstchenbuden-Eventcharakter dieses Massenspektakels gar nicht richtig zur Geltung kommen. Sollen die weniger sportbegeisterten Hauptstadtbewohner eben sehen, in welchem Stau sie steckenbleiben.

Nein, es hat nichts mit Defätismus zu tun, um angesichts der Berliner Pläne für eine Olympiabewerbung vom kalten Grusel gepackt zu werden. Wer sich die schier endlose und mit jedem Tag länger werdende Reihe an Pleiten, Pech und Pannen vor Augen führt, mit denen die verantwortlichen Politiker ihre Stadt in den vergangenen Jahren der Lächerlichkeit preisgegeben haben, dem muss das Projekt „Olympia 2024 in Berlin“ schlicht als Drohung erscheinen.

Berliner Politik verspielte Vertrauen


Natürlich wäre es ganz grundsätzlich eine plausible Idee, in zehn Jahren die Sommerspiele in Deutschlands Hauptstadt zu holen. Aber Politik und Verwaltung in dieser Stadt haben schlichtweg jegliches Vertrauen in ihre Kompetenz, ihre Durchsetzungskraft und in ihren Sachverstand verspielt. Dem Regierenden ist deshalb ein solches Vorhaben nicht zuzutrauen, den Bürgern ist es unter diesen Umständen nicht zuzumuten. Zumal keineswegs absehbar ist, dass sich an dieser Situation demnächst etwas ändern könnte – die Personaldebatte um Wowereits Nachfolge spricht in ihrer Trostlosigkeit Bände.

Einer, der sich selbst für geeignet hält, Klaus Wowereit irgendwann zu beerben, ist Berlins Innensenator Frank Henkel von der CDU. Von ihm stammt der flotte Spruch „Berlin kann Olympia“. Man sollte wissen, dass Herr Henkel vor einigen Monaten nicht einmal dazu in der Lage war, ein illegales Flüchtlingscamp in Kreuzberg aufzulösen – trotz gegenteiliger Ankündigung. Berlin kann Olympia? Auch Wowereit himself hat sich dieses Motto wortwörtlich zu eigen gemacht. Dass es aus seinem Munde heute nur noch klingt wie politisches Kabarett, macht den Witz leider nicht besser.

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