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(picture alliance) Alt und Jung gehen Hand in Hand. Wenn da nur der Sozialneid zwischen den Generationen nicht wäre.

Altersvorsorge - Außer Hoffnung keine Zukunft

Die Alten werden immer zahlreicher und mächtiger, während sich die Jungen oft von Leben und Zukunft überfordert fühlen. Wer rettet die Generationen aus diesem Dilemma?

Die deutsche Jugend von heute ist wirklich nicht dafür bekannt, besonders viel zu meckern, ständig auf die Straße zu gehen oder gar eine Revolution anzuzetteln. Dafür sind wir viel zu sehr damit beschäftigt, unseren 68er-Eltern zu erklären, dass schon alles gut wird. Eines Tages. Dass wir trotz unserer gebrochenen Erwerbsbiografien eine Zukunft haben. Dass wir auch mit Zeit-Verträgen, Praktika-Gehältern oder selbstständigen Projekten über die Runden kommen.

Und wir sind damit beschäftigt zu arbeiten, um nicht darüber nachdenken zu müssen, ob das denn stimmt, was wir unseren Eltern da erzählen. Immerhin: Deutschland steht mit 9,1 Prozent Jugendarbeitslosigkeit deutlich besser da als Großbritannien, wo jeder fünfte zwischen 15 und 24 Jahren ohne Job dasteht, in Spanien ist es fast schon jeder zweite. Während in der deutschen Hauptstadt hin und wieder ein Auto brennt, schaffen es die meisten von uns. Wir machen und tun, führen Fernbeziehungen, setzen Kinder in die Welt, stürzen uns in prekäre Arbeitsverhältnisse, geben uns mit wenig Urlaub zufrieden, mit Unsicherheiten. Wir studieren, feiern, suchen Jobs, finden sie, verlieren sie wieder und suchen neue.

Nur nicht den Blick vom eigenen rasanten Leben wenden. Und auch lieber nicht in die Zukunft. Denn da gäbe es die eine oder andere Rechnung, die einen stutzen ließe, wenn man so im Laufe des Älterwerdens nach links und rechts guckt. Zum Beispiel diese: Um die sogenannte Grundsicherung im Alter zu bekommen – das wären zur Zeit 684 Euro – müsste ein Mensch 45 Jahre lang mindestens 10 Euro in der Stunde verdient haben. Eigentlich bräuchte man nicht die Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung, um zum Beispiel zu erahnen, dass zurzeit 18 Prozent aller Arbeitnehmer weniger als 8,50 Euro verdienen und diese Rechnung deshalb kein gutes Ende voraussagt.

Aber wer will so etwas schon so genau wissen? Wo kämen wir da hin, würden wir uns ernsthaft mit solchen futuristischen Szenarien auseinander setzen?

Dann und wann wagen wir dann aber doch einen Nebenblick auf die ältere Generation, die mit uns in Busse auf dem Weg zur Arbeit steigt oder durch Einkaufszentren streift. Dort sind die älteren Herrschaften gerne gesehen, wenn sie in Cashmir und Seide gekleidet an den Regalen vorbeiziehen und ihren Blick über eine ganze Palette von Best-Ager-Produkten – für zahlungskräftige Kunden im Alter zwischen Ende 50 und Ende 70 – schweifen lassen. Von den Hochglanzcovern in den Zeitschriftenablagen strahlen gut gelaunte Silberrücken, der Markt für Seniorenmagazine boomt.

Wir Jungen bemerken sehr wohl das arme Mütterlein, das mit seinem schwer beladenen Hackenporsche die Einkäufe hinter sich herzieht und mit der knappen Rente gerade über die Runden kommt. Aber wir registrieren auch die Rentenerhöhung in diesem Sommer. Und wir lesen die Meldungen über sinkende Gehälter für Berufseinsteiger, über weniger Urlaubstage im Vergleich zu den älteren Kollegen. In Deutschland leben 20 Millionen Rentner. Das macht 20 Millionen Wähler. Die Rechnung ist einfach. Und sie bestimmt das politische Handeln in der Bundesrepublik. Wie es jenen ergeht, die es wagen, sich gegen die ergraute Lobby zu richten, war schön am Beispiel des CDU-Politikers Philipp Mißfelder zu sehen. Der forderte vor einigen Jahren, künstliche Hüftgelenke für sehr alte Menschen nicht mehr auf Kosten der Solidargemeinschaft zu finanzieren. Die Reaktionen der erbosten Bürger waren vernichtend.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie der Politsenior Horst Seehofer über die Pflegeversicherung denkt.

Gleichzeitig dürften aber auch folgende Zahlen nicht schwer zu interpretieren sein: Kamen in den 50er Jahren noch fünf Erwerbstätige auf einen Rentner, müssen zukünftig ein oder zwei Deutsche für einen von ihnen sorgen. Dass das nicht funktionieren kann, wundert niemanden. Die sogenannte Erbengeneration kann diese Frage gelassener angehen. Bis zum Jahr 2020 wird an sie 20 Prozent mehr Vermögen vererbt als in den ganzen zehn Jahren zuvor. Die Konsequenz für die meisten Deutschen aber, die nicht zu den Nachkommen dieser privilegierten Alten gehört, wird sein: Arbeiten bis zum Ende unseres Lebens. Aber wer das nicht kann? Der ist auf Pflege angewiesen. Auf Kinder, die es nicht mehr gibt, auf Altenpfleger, die sich niemand mehr leisten kann. Die Pflegversicherung in Deutschland läuft aus, die Rücklagen sind bald aufgebracht. Neue Konzepte fehlen.

Horst Seehofer, 62, äußerte in der Sommerpause in der Wochenzeitung die Zeit eine Idee: Er wolle Geld sparen, in dem Leistungen für Behinderte künftig nicht mehr von der Pflegeversicherung bezahlt, sondern outgesourct würden. Das bedeutet, sie würden über den Bundeshaushalt vom Steuerzahler finanziert. Man könnte versucht sein, Seehofer bei diesem Versuch mangelnde Ernsthaftigkeit zu unterstellen. Denn diese Ausgaben stellen mit etwa 250 Millionen Euro nur ein Tropfen auf den kochendheißen Stein da. Bei der Pflegeversicherung fehlen 20 Milliarden Euro!

Aber kann man es dem CSUler verübeln? Horst Seehofer wird von der Problematik sowieso nicht mehr tangiert – weder in seiner Rolle des Politikers auf Stimmenfang, noch als Privatmann. Daniel Bahr, FDP, will im September Vorschläge zum Thema Pflegversicherung machen. Vielleicht ist von dem 34jährigen Sinnvolleres zu erwarten. [video:Generationenkampf alt gegen jung]

Solange sehen wir den Rentnern im Fernsehen mit gemischten Gefühlen zu, wie sie Sportabzeichen machen, hüpfen, radeln und schwimmen. Es geht einem nicht leicht von der Hand, die Privilegien der Alten anzugreifen – wissen wir doch, dass auch sie hart gearbeitet haben. Und dass auch wir eines Tages selber alt werden. Und wir hoffen, dass eben diese Privilegien des goldenen Rentenalters in ferner Zukunft auch uns gehören. Dass diese Hoffnung eine trügerische ist, dass eines Tages nichts von dem Speck mehr da sein wird, den sich unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten angefressen hat, das ahnen wir. Aber glauben wollen wir es trotzdem nicht. Denn ohne Hoffnung fehlt doch die Kraft für dieses Leben.

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