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Ausbildungen - „Die Ausbildungsbedingungen sind oft unattraktiv”

Die Quote der Auszubildungsverträge, die vorzeitig aufgelöst werden, steigt seit 2005 und hat den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. Dr. Alexandra Uhly erklärt im Gespräch mit Cicero Online, warum bestimmte Berufe besonders betroffen sind

Autoreninfo

Julian Graeber hat Sportwissenschaft und Italienisch in Berlin und Perugia studiert.

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Frau Dr. Uhly, seit 2005 steigt die Quote der aufgelösten Ausbildungsverträge kontinuierlich an. 2011 erreichte sie 24,4 Prozent. Haben sich die Ausbildungsverhältnisse oder die heutigen Auszubildenden verändert?
Die Vertragslösungsquote schwankt seit Anfang der 1990er-Jahre zwischen 20% und 25%. Immer wenn sich die Marktlage aus Sicht der Jugendlichen verbessert, steigt auch die Auflösungsquote von Ausbildungsverträgen. Das heißt: Jugendliche, die einen Ausbildungsplatz angenommen haben, der sich für sie als weniger attraktiv herausstellt oder vorher bereits nur eine Notlösung war, verlassen den Ausbildungsbetrieb deutlich häufiger, wenn viele andere Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Momentan sind wir in einer solchen Situation. Es wäre jedoch ein Fehler, die Auflösung von Ausbildungsverträgen ausschließlich als Scheitern der Jugendlichen zu betrachten.

Was können die Betriebe bei einer solchen Marktlage dafür tun, dass ihnen die Auszubildenden nicht davon laufen?
Manchmal hat der Auszubildende wenig Interesse an einer kontinuierlichen Arbeit oder sie ist ihm zu anstrengend. Meist geht es aber um die Ausbildungsbedingungen und die Qualität dieser. Auszubildende beklagen, dass viele Tätigkeiten verrichtet werden müssen, die nur wenig mit der eigentlichen Ausbildung zu tun haben. Aktuelle Studien weisen auf die besondere Bedeutung von Konflikten hin. Der Umgang mit diesen stellt sowohl die Jugendlichen, als auch die Betriebe und die Berufsschulen vor Herausforderungen. Konflikte frühzeitig anzusprechen und gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, kann das Risiko der vorzeitigen Beendigung von Ausbildungsverhältnissen verringern.

Haben sich die Ausbildungsbedingungen in den letzten Jahren denn verschlechtert?
Aus Sicht der Jugendlichen werden natürlich eher betriebliche Gründe für eine Vertragsauflösung genannt. Dabei sind es vor allem Konflikte mit den Ausbildern, eine mangelnde Ausbildungsqualität und ungünstige Arbeitsbedingungen, die die Jugendlichen zum Auflösen des Vertrages bewegen. Die Betriebe sehen die Ursachen hingegen meist bei den Jugendlichen. Es gibt jedoch keinen Befund dafür, dass einer dieser Gründe in letzter Zeit stark zugenommen hat. Daher muss man hier vor allem die Alternativen auf dem Ausbildungsmarkt als Ursache sehen.

Etwa ein Drittel der Jugendlichen bricht ihre Ausbildung ab, weil sie mit ihrer Berufswahl unzufrieden sind oder sich die Arbeit anders vorgestellt haben. Sind die heutigen Jugendlichen zu naiv und informieren sich nicht genug über den angestrebten Beruf?
Das mag in dem ein oder anderen Fall zutreffen. Wobei es bereits sehr viele Initiativen gibt, um die Jugendlichen schon in der Schule bei der Berufswahl zu unterstützen. Es kann aber auch vorkommen, dass die Ausbildungsbedingungen einfach ungünstig waren. Denn viele Jugendliche wechseln nur den Betrieb und nicht den Beruf. Es ist im Einzelfall sehr schwer herauszufinden, wer die vorzeitige Beendigung eines Ausbildungsverhältnisses zu verantworten hat. Wichtiger Ansatzpunkt ist nicht nur die Berufswahlorientierung der Jugendlichen, sondern auch das Rekrutierungsverhalten der Betriebe.

Warum brechen so viel mehr Kellner als Bankkaufleute ihre Ausbildung ab?
Das wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Man kann zwar nicht sagen, dass Ausbildungsberufe mit einer hohen Lösungsquote generell unattraktiv sind. Berufe wie Koch, Friseur oder Restaurantfachmann, in denen es auch relativ viele unbesetzte Stellen gibt und die Betriebe Probleme haben, Auszubildende zu finden, bieten aber oft unattraktivere Ausbildungsbedingungen. Dabei spielt sicherlich auch die Vergütung eine Rolle und zwar nicht nur die Bezahlung während der Ausbildung, sondern auch im weiteren Erwerbsverlauf. Dazu kommen die Arbeitsbedingungen mit oft langen Arbeitszeiten und Wochenendarbeit.

Frau Dr. Uhly, vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Alexandra Uhly ist promovierte Volkswirtin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB).

Das Interview führte Julian Graeber

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