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(picture alliance) Triathlet Heiko Maas weiß, „das Ziel kommt immer erst nach der dritten Disziplin“

Spitzenkandidat Heiko Maas - Aus Lafontaines Schatten getreten

Er ist Saarlands „next Topmodel“: Der Spitzenkandidat der SPD, Heiko Maas, will nicht länger „Oppositionsheini“ sein und hat gute Chancen

Die grauen Strähnen im Haar waren damals noch nicht da. Wie Saarlands „next Topmodel“ lächelte Heiko Maas im Wahlkampfsommer 2009 im offenen weißen Hemd auf den SPD-Plakaten. Der Traum vom coolen sozialdemokratischen Landesvater, der so unsaarländisch ruhig wirkt, zerplatzte im November. Rechnerisch hätte es gereicht für eine Koalition mit Oskar Lafontaines Linkspartei und der grünen Fünf-Prozent-Truppe seines damals noch guten Freundes Hubert Ulrich. Doch Ulrich entschied sich nach Lafontaines Rückkehr aus Berlin für eine „Jamaika“-Koalition mit dem fast schon abgewählten CDU-Ministerpräsidenten Peter Müller und der scheinstarken FDP. Maas versteinerte. Er empfand den Seitenwechsel als Verrat.

Zwei Jahre später scheint er vollständig genesen. Den Frust über die verpasste Chance hat der älteste Sohn eines Berufssoldaten auch durch unzählige Runden in Laufschuhen, auf dem Rad und im Schwimmbecken abgebaut. Die SPD liegt in Umfragen näher bei 40 als 30 Prozent. Der 45-jährige Maas könnte im dritten Versuch endlich Ministerpräsident werden. „Es ist in der Politik wie im Triathlon: Das Ziel kommt immer erst nach der dritten Disziplin“, sagt er lächelnd. Seine Füße liegen auf dem Konferenztisch, seine Hände sind im Nacken verschränkt. „Ich bin in Bestform“, soll diese Geste sagen, „ich kann das schaffen.“

Mehr als zwölf Jahre blieb er der ewige Zweite, nachdem er als einst jüngster Minister Deutschlands schnell gestartet war. Als sein politischer Ziehvater Oskar Lafontaine 1998 nach Bonn ging, machte Nachfolger Reinhard Klimmt den damals 32-Jährigen zum Umweltminister. Lafontaines Flucht aus Parteivorsitz und Ministeramt im März 1999 beendete die Karriere abrupt. Die Landtagswahl im September gewann die CDU mit Peter Müller auch dank enttäuschter Oskar-Fans.

Als „Oppositionsheini“, wie sich Maas halb selbstironisch, halb bitter nennt, musste er zehn Jahre lang Müllers lustvoll herablassende Art ertragen. Als Maas 2004 zum ersten Mal als Spitzenkandidat antrat, zerstörte Lafontaine mit seinem Nachtreten gegen Schröder die geringen Chancen auf ein achtbares Ergebnis. Maas erzielte das bis dahin schlechteste SPD-Resultat mit etwas über 30 Prozent. 2009 drückte Lafontaines Linkskonkurrenz die SPD auf 24,5 Prozent. Damals hätte es für Rot-Rot gereicht – mit Maas als Regierungschef, aber nur mit Lafontaine im Hintergrund.

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Wenn Maas über die Unzuverlässigkeit Lafontaines klagt, glaubt man gerne, dass ihm eine große Koalition am liebsten wäre. Zumal sich der frühere Ford-Arbeiter und Jurist aus Saarlouis von seinem Startpunkt als linker Flügelmann über die Jahre sacht entfernt hat: „Die Wahl wird in der politischen Mitte entschieden. Die Saarländer haben die Experimente satt.“ Als der Rückzug Müllers Anfang 2011 offiziell wurde, ahnte Maas, dass bald seine wohl beste und letzte Chance kommen würde. Schon am 10. August 2011 wäre es mit seiner Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt gegen Müllers Wunschnachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer fast so weit gewesen. Zwei Abtrünnige aus dem „Jamaika“-Lager sorgten für ein Patt im ersten Wahlgang.

Die größte Hürde für eine große Koalition räumte der Neopragmatiker Maas danach aus dem Weg. Er akzeptierte die lange bekämpfte Schuldenbremse als Realität. Die Rechnung ging auf. Maas sah dem Treiben im Chaosclub FDP genüsslich zu und wartete ab. Als dann am 6. Januar das Ende für Jamaika kam, wusste Maas schon vor FDP und Grünen wegen seines guten Drahtes zur CDU-Regierungschefin davon. Seine Duzfreundschaft mit „AKK“ ist nicht nur den lockeren saarländischen Umgangsformen geschuldet.

Wie sehr Maas seine politische Wunschpartnerin und ihren kollegialen Stil nach zehn leidvollen Jahren mit Müller schätzt, lassen Sätze wie dieser ahnen: „Das war jetzt sehr wohltuend, dass sich jemand von sich aus meldet und über wichtige Dinge sachlich mit mir redet.“ Beide hätten wohl gut bis Mitte 2014 ohne Neuwahl zusammen regieren können, mit Maas als „Superminister“ für Wirtschaft und mehr. Zumal Maas als zweifaches Oskar-Opfer das Risiko Neuwahl zunächst scheute. Erst auf Druck der aufgebrachten Parteibasis schwenkte der kühle Analytiker um.

Nun also „er gegen sie“. Ein Duell, in dem sich beide gegenseitig schonen. Als Menschenfischer werden die Wähler Heiko Maas auch diesmal nicht erleben. Vor zweieinhalb Jahren wirkte Maas im Wahlkampf oft so distanziert wie ein Norddeutscher am Rosenmontag. Während Peter Müller auf Volksfesten jede Hand schüttelte, dabei Pils trank und im Saarländer Platt schwätzte, gab Maas den nüchtern Nachdenklichen. Schwer vorstellbar, dass er wie „AKK“ in der „Faasenacht“ in die Bütt steigt. Als Putzfrau „Gretel“ schwang die CDU-Konkurrentin jüngst auf der Bühne lose Reden über das schwarz-rote Traumpaar, während Maas als Musketier verkleidet im Publikum saß und lachte. Was blieb ihm übrig?

Reicht es am Wahlabend auch für eine rot-rote Koalition, steht Heiko Maas sein schwierigster Kampf erst bevor. Er muss dann endgültig aus dem Schatten Oskars treten. 

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