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(picture alliance) Merkel schwieg und ließ heute ihren Finanzminister sprechen

Griechenlandhilfe, die Dritte - Augen zu und durch

Es ist wieder soweit. Die nächste außerplanmäßige Tranche im laufenden Rettungsprogramm in Höhe von 43,7 Milliarden Euro ist mit großer Mehrheit vom Bundestag verabschiedet. Was Anfang des Jahres noch ein Kraftakt war, ist mittlerweile matte Routine. Ein Kommentar

Die Bundestagssitzung erinnert ein wenig an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier.“ Bill Murray muss darin einen Tag immer und immer wieder neu durchleben. So ähnlich verhält es sich mit der Eurokrise. Die Argumente sind eigentlich seit langem ausgetauscht und trotzdem muss sich das politische Berlin immer wieder neu im Parlament zusammenfinden, weil alle neuen Hilfstranchen eigens vom Bundestag abgesegnet werden müssen.

Klar ist inzwischen, dass Griechenland in der Eurozone gehalten werden soll. Die Euro-Gruppe kam in dieser Woche der hellenischen Republik entgegen und gab ihr zwei Jahre mehr Zeit. Das klingt zunächst konziliant, bedeutet aber im Ergebnis, dass weitere 43,7 Milliarden Euro bereitgestellt werden müssen. Denn hinter zwei Jahren mehr Zeit für Strukturreformen verbergen sich Finanzierungslücken, die gestopft werden müssen. Gleichzeitig ist es ein Versuch, die griechische Schuldenlast deutlich zu senken. Das Ergebnis ist offen.

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Immerhin: Die politischen Akteure aus Regierung und Opposition haben versucht, einen gewissen Spannungsbogen aufrechtzuerhalten.

Die Kanzlerin selbst schwieg. Sie zog ihren Kurs eisern durch: Schritt für Schritt, ohne an eine größere Lösung auch nur zu denken. Stattdessen schickte sie ihren Finanzminister vor. Wolfgang Schäuble warnte in seiner Regierungserklärung davor, „wenn Griechenland die Eurozone verlässt, sind die Konsequenzen nicht absehbar. Der gesamte Euroraum könnte auseinanderbrechen.“ Auch vom Schuldenschnitt mochte er nichts wissen. Ein Schuldenerlass setze falsche Anreize und „falsche Spekulationen zur falschen Zeit lösen das Problem nicht“, sagte Schäuble.

Für die demokratische Kultur ist es sicherlich nicht förderlich, immer genau das vehement zu dementieren, was schon einige Wochen später mit großer Mehrheit abgesegnet wird. Im Sommer galt ein drittes Griechenlandpaket in den Reihen noch als „nicht mehr vermittelbar“, nun geht genau dieses Hilfsprogramm ohne großen Widerstand durch den Bundestag.

Mittlerweile hat man sich auch im Parlament an Schlagwörter wie „Dominoeffekt“ und „Zerfall der Eurozone“ gewöhnt. Was gestern noch Schreckensszenario gewesen ist, dient heute mehr schlecht als recht dazu, am eingeschlagenen Rettungskurs festzuhalten. Die Kritiker aus den Reihen von CSU und FDP indes sind mehr oder minder verstummt. Das Plenum war auch längst nicht gefüllt. Viele Abgeordnete haben sich krank abgemeldet.

Was bei der Abstimmung im Februar dieses Jahres zum zweiten Griechenlandpaket noch ein Kraftakt war, ist heute matte Routine. Die rein symbolische Kanzlermehrheit, die Angela Merkel genau bei dieser Abstimmung im Februar das erste mal verfehlte, verlangt heute niemand mehr. Sie gerät zur bloßen Fußnote im Abstimmungsprozedere. Merkel hat übrigens auch bei der heutigen Abstimmung die Kanzlermehrheit verfehlt.

Die Opposition aus SPD und Grünen kann gar nicht erst ihrer Rolle als Kritikerin der Regierung gerecht werden. Rot-Grün ist längst der Zählgemeinschaft von Union und FDP beigetreten. Die Grünen stimmten sogar geschlossen für das dritte Griechenlandpaket. Weder Frank-Walter Steinmeier (SPD) noch Grünen-Chef Jürgen Trittin konnten in ihren Reden nennenswerte Akzente setzen. Steinmeier sagte, „wir wollten Griechenland immer in der Eurozone. Der Ungeist, den Sie selbst hier beschworen haben, ist jetzt nicht mehr einzufangen.“ Er spielte auf CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt und FDP-Chef Philipp Rösler an, die im Sommer darüber spekulieren durften, ob Griechenland die Eurozone verlassen muss. Ein abgegriffenes Argument: Diese Geschichte ist auserzählt.

Schließlich segnete eine deutliche Mehrheit von 473 Stimmen das dritte Griechenlandpaket ab. Dabei ist den meisten im Plenum klar gewesen: Wenn sie in einigen Monaten über ein viertes oder fünftes Griechenlandpaket abstimmen müssen, dann ist der Schuldenschnitt eine veritable Option.

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