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Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Teure Unternehmensberater in der Asylverwaltung

McKinsey, Roland Berger, Ernst & Young: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge setzt bei der Bewältigung der Asylanträge auf zahlreiche externe Berater. Behördenchef Frank-Jürgen Weise überträgt damit ein Prinzip, das er schon bei seiner Bundesagentur für Arbeit jahrelang anwendet. Die Bamf-Aufträge wurden nicht ausgeschrieben

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Im September 2015, auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszuzugs nach Deutschland, trat Innenminister Thomas de Maizière mit seinem neuen Krisenbewältiger vor die Presse – Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit und frisch ernannter Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf).

Weise sollte beim Bamf alles anders machen, besser, effizienter. Heißt vor allem: den Berg an Asylanträgen abtragen. Der war unter seinem Vorgänger Manfred Schmidt angewachsen, ohne, dass die Politik ihm sichtbar zur Seite gesprungen war.

Weise hatte Visionen. Seine erste: Er werde McKinsey ins Haus holen, um die Asylverfahren zu beschleunigen. Allerdings zunächst „ohne Bezahlung“. Den Umgang mit Unternehmensberatungen kennt Weise schon von seiner Arbeitsagentur. McKinsey hat auch schon Schweden und Dänemark in Flüchtlingsfragen unterstützt.

Keine europaweite Ausschreibung

Die kostenfreie Beratung dauerte aber nur kurz an. Sechs Wochen später, am 30. Oktober, wurde mit McKinsey ein eigener Vertrag geschlossen, wie ein Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auf Cicero-Anfrage einräumte. Es blieb nicht der einzige. Am 11. November wurde die Unternehmensberatung Roland Berger hereingeholt, am 17. Dezember Ernst & Young.

Auf die Frage, ob es für die Dienstleistungen eine europaweite Ausschreibung gegeben habe, antwortete die Bamf-Pressestelle: „Nein“. Dabei müssen Bundesbehörden Dienstleistungen ab einem Schwellenwert von 135.000 Euro in der Regel öffentlich ausschreiben. Ausnahmetatbestände sind genau zu begründen. Welchen Umfang die Beraterverträge haben, wie hoch die einzelnen Honorare sind, gab das Bundesamt nicht bekannt. Auch die betroffenen Firmen wollten sich auf Cicero-Anfrage nicht äußern.

Topf von 12 Millionen Euro

Das Bundesamt teilte lediglich mit, dass die Unternehmensberater aus einem Topf mit dem Titel „Behördenspezifische fachbezogene Verwaltungsausgaben“ bezahlt werden. Für das Jahr 2016 seien dafür vorsorglich 12 Millionen Euro eingeplant. Aus diesem Titel würden aber auch sonstige Sachverständige wie Dolmetscher und Schriftgutexperten bezahlt.

Mitarbeiter des Bundesamtes beobachten, dass Berater häufig mit einem Taxi anreisen. Die Pressestelle sagt dazu: „Reisekosten der Berater werden vom Bamf nicht erstattet.“  

Eine freihändige Vergabe eines Auftrags an McKinsey hat in Berlin in diesen Wochen zu einem Eklat geführt. Dort sollte die Beraterfirma den „Masterplan Integration und Sicherheit“ erstellen. Oder besser gesagt: Der SPD-Mann Lutz Diwell, der von McKinsey bezahlt und von SPD-Bürgermeister Michael Müller eingesetzt worden sein soll. Auftragshöhe: 238.000 Euro. Es stand der Vorwurf der Vetternwirtschaft im Raum. Die Betroffenen mussten sich unangenehmen Fragen im Berliner Abgeordnetenhaus stellen.

Das Ziel: ein „integriertes Flüchtlingsmanagement“

Das Bamf betont: Die Unternehmensberater arbeiten keine Asylanträge ab, sondern sie sollen vor allem das Verfahren verbessern. Dazu zählen Maßnahmen wie ein Online-Buchungssystem, der elektronische Datenaustausch mit den Gerichten und eine schnellere Dokumentenlogistik. Zu den Aufgaben gehöre auch die Organisation in der Fläche: Neben der Nürnberger Zentrale hat das Bundesamt seit Anfang März 17 neue Außenstellen, elf Ankunftszentren, vier Entscheidungszentren, zwei Warteräume, fünf Bearbeitungsstraßen und ein Qualifizierungszentrum. Ziel sei es, den Gesamtprozess „von der Einreise bis zur Asylantragsstellung in ein integriertes Flüchtlingsmanagement“ zu optimieren.

Mit den Beratern hat das Bundesamt nach eigenen Angaben die Zahl der Entscheidungen deutlich steigern können. Zwischen Oktober 2015 bis Ende Februar 2016 seien es mehr als 211.000 Entscheidungen gewesen, im Vorjahreszeitraum dagegen nur 78.000. Auch sei die Bearbeitungsdauer von Asylanträgen aus sicheren und unsicheren Herkunftsländern von 152 Tagen auf 48 Stunden gesenkt worden. Das Pilotverfahren soll nun auch in den Außenstellen umgesetzt werden.

Personalrat klagt gegen Einstellungspraxis

Indes: Zwischen 2014 und 2015 hat sich die Zahl der Asylanträge auch mehr als verdoppelt, und im Zuge der Flüchtlingskrise hat die Große Koalition immer mehr Länder als „sicher“ eingestuft. Dass ein Antrag aus einem solchen Land schneller – nämlich: abschlägig – beurteilt wird, ist offensichtlich. Und noch immer stapeln sich die unerledigten Asylanträge beim Bundesamt. Ende Februar waren es rund 393.000.

Zudem hat das Bundesamt sein Personal zuletzt deutlich aufgestockt, auf inzwischen 5900 Mitarbeiter. Es wurde so rasant eingestellt, dass von mehreren Hundert Mitarbeitern noch in der Probezeit wieder Dutzende kündigten. Der Personalrat hat wegen der Einstellungspraxis der Behörde beim Verwaltungsgericht Ansbach mehrere Klagen eingereicht.

Dem Behördensprecher war noch etwas wichtig: darauf hinzuweisen, dass die Zusammenarbeit mit McKinsey „im Rahmen seiner Kooperation mit der Bundesagentur“ für Arbeit begonnen wurde.

In anderen Worten: Dass das Bundesamt jetzt mit Beratungsfirmen kooperiert, geht auf das Konto des neuen Doppel-Behörden-Chefs Frank-Jürgen Weise.

Boston Consulting Group berät die Bundesagentur für Arbeit

Denn seine Bundesagentur für Arbeit setzt schon viel länger auf externe Beratung. Am 1. Juli 2014 schloss es einen Vertrag mit der Boston Consulting Group (BCG). Anders als beim Bamf erfolgte die Vergabe nach einer Ausschreibung – „im Rahmen eines europaweiten Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb“, wie es aus der Behörde heißt. Inhalt der Beratung seien die Weiterentwicklung des durch die Agentur selbst erstellten Zukunftsprogramms „BA 2020“, die Verbesserung von Dienstleistungen und interner Prozesse.

2016 hat die Bundesagentur für den Posten „Honorare und Reisekosten an externe Sachverständige“ vorsorglich zehn Millionen Euro eingeplant. Aus diesem Titel werden auch die Unternehmensberater bezahlt.

Die Bundesagentur hat nach eigenen Angaben allein in diesem Jahr für zwei Projekte insgesamt 27 Beratertage abgerufen. Wie hoch das Honorar lag und welchen finanziellen Umfang der Vertrag hat, gab die Behörde nicht bekannt. Auch die Boston Consulting Group ging auf die Cicero-Fragen nicht ein.

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