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Asyldebatte - Zurück auf Start

Kolumne: Leicht gesagt. Wiederholt sich Geschichte als Farce? Zweimal beherrschten Flüchtlinge aus dem westlichen Balkan die Asyldebatte in Deutschland. Wie vor 25 Jahren wird über „Wirtschaftsflüchtlinge“ gestritten, denen vorgeworfen wird, das deutsche Asylrecht zu missbrauchen

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Wie simpel es doch läuft in der aktuellen Flüchtlingsdebatte. Kein Regierender sagt, dass Asylsuchende rechtlich großzügiger anerkannt werden sollten. Für Opponierende hingegen sagt es sich oftmals leicht, Regierenden deswegen Kaltherzigkeit zu unterstellen.

Strukturell mag dieser Streit sein wie so viele zwischen Regierung und Opposition. Doch selten ging es um eine mächtigere Aufgabe als dieses Mal. Die Bundesregierung hat die Flüchtlingsdebatte zur größten Herausforderung in Deutschland erklärt. Vizekanzler Sigmar Gabriel zählt sie zur „größten innenpolitische Herausforderung der kommenden Jahre“. Die Politik müsse das sehr ernst nehmen: „Wir haben nicht nur ein finanzielles Problem bei den Kommunen, wir merken, dass wir da auch ein Akzeptanzproblem bekommen.“

Neue alte Asyldebatte
 

Die Anzahl der Asylbewerber in Deutschland ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. An die 200.000 Asylbewerber sind allein in diesem Jahr gekommen, weitere 250.000 könnten bis zum Jahresende noch hinzukommen. Eine neue Asyldebatte hat längst begonnen. Vieles dabei erinnert an die Ursprünge des Streits um das Asylrecht.

Der nahm seinen Anfang im Jahr der deutschen Einheit vor 25 Jahren. Damals begann Jugoslawien zu zerbrechen und auch deshalb baten bereits 1990 an die 200.000 Menschen um Asyl in Deutschland. Die Presse machte Druck, ganz selbstverständlich schrieb auch der „Spiegel“ damals noch von „Asylanten“, und ungehemmt wurde weithin das Sprachbild benutzt, was im Rückblick als ein Slogan rechtsradikaler Parteien gilt: „Das Boot ist voll“. Der Streit um Asyl beherrschte Anfang der neunziger Jahre die Politik.

Der damalige Bundesinnenminister Rudolf Seiters erinnert im ZDF an die aufgeheizte Stimmung jener Zeit: „Es konnte jemand auf dem Frankfurter Flughafen landen, brauchte nur Asyl sagen und musste ins Land gelassen werden. Und blieb dort so lange Zeit, bis sein Verfahren abgeschlossen war. Erst 50.000 pro Jahr, dann 100.000, dann 430.000 im Jahr 1992. Die Gemeinden, auch die Kirchengemeinden waren total überfordert.“

In deutschen Städten war es gefährlich geworden für Asylbewerber, in manchen brandgefährlich: Hoyerswerda - Rostock-Lichtenhagen –  Mölln  – Solingen, die Namen dieser Städte sind 1991, 1992 und 1993 zu Feuermalen in der Geschichte der Bundesrepublik geworden. In Ost- wie Westdeutschland sind Zuwanderer durch Brandstiftung vorsätzlich getötet worden.

Die Stimmung in Deutschland sei in Teilen geprägt gewesen von „Hetze gegenüber Migranten und Flüchtlingen“, erinnert sich der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele im ZDF, der 1993 Anwalt Hinterbliebener der Brandopfer von Mölln war. Die aufgeheizte Asyl-kritische Stimmung etlicher Deutscher im Vorfeld der Morde sei vergleichbar gewesen mit der heutigen, sagt Ströbele. „Es steht zu befürchten, dass auch die Politik ähnlich reagiert wie damals.“

Einschränkung des Grundrechts auf Asyl
 

1993 schränkte der Bundestag mit der Zweidrittelmehrheit von CDU/CSU und SPD das Grundrecht auf Asyl ein. Faktisch gilt seitdem: Wer aus einem Land kommt, das als sicher gilt, hat kein Anrecht mehr auf Asyl. Wer es dennoch versucht, zählt zu den Wirtschaftsflüchtlingen.

Rudolf Seiters hält das Handeln der Politik vor 22 Jahren nach wie vor für richtig: „Wir mussten handeln. Wir haben das getan mit dem Asylkompromiss, der uns die Chance gab, das Grundrecht auf Asyl sicherzustellen, aber gleichzeitig auch zu unterscheiden zwischen den politisch und religiös Verfolgten und denen, die aus verständlichen, aber Wirtschaftsgründen zu uns kamen.“

Diesen Grundsatz fordern heute Politiker der Großen Koalition wieder ein: Bleiben sollten Kriegsflüchtlinge. Die meisten stammen aus Syrien. Und möglichst umgehend wieder abgeschoben werden sollten Wirtschaftsflüchtlinge. Die meisten von ihnen stammten aus dem West-Balkan.

Ihre Herkunft ist das ehemalige Jugoslawien. Von dort kamen vor 25 Jahren Kriegsflüchtlinge. Um sie zu schützen, begann vor einem Vierteljahrhundert die Asyldebatte in Deutschland. Heute ist sie wieder aktuell – und betrifft die Menschen aus dem westlichen Balkan unter umgekehrten Vorzeichen. Deutschlands grundgesetzliche Pflicht aber hat sich seit 66 Jahren nicht grundsätzlich geändert: Menschen aus Kriegsgebieten Schutz zu bieten.

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