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Affäre um Landesverrat - Zwei Behördenchefs, die richtig handelten

Generalbundesanwalt Range und Verfassungsschutzpräsident Maaßen wurden zu Unrecht zu Sündenböcken erklärt: Ihnen ist nichts vorzuwerfen, auch kein Eingriff in die Pressefreiheit. Unsäglich handelte nur die Politik. Die Netzpolitik-Affäre ist ein Lehrstück, wie man Opportunisten züchtet und den Rechtsstaat schwächt

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Gernot Fritz

Generalbundesanwalt Range hat in der Netzpolitik-Affäre nur einen Fehler gemacht; vermutlich mit voller Absicht. Er hat – auf den Bundesjustizminister gemünzt – gegenüber der Presse von einem „unerträglichen Eingriff der Politik in die Unabhängigkeit der Justiz“ gesprochen. Rechtlich war das Unsinn.

Denn der Generalbundesanwalt ist nicht Teil der rechtsprechenden Gewalt, sondern politischer Beamter. Eine ihm erteilte Weisung kann daher kein Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz bedeuten. Dass seine öffentliche Schelte seinen Rauswurf provozieren würde, war ihm klar. Denn ein politischer Beamter, der sich öffentlich gegen seinen Minister positioniert, kann sein Amt nicht mehr ausüben.

Pressefreiheit nicht bedroht
 

Ranges Vorwurf kommt dennoch der Wahrheit nahe: die Einleitung oder Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wird Spielball politischer Beliebigkeit. Fest steht, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen aus dem Bereich des Verfassungsschutzes an Medien gelangt sind. Dieser Vorgang ist gravierend. Da nur ein Amtsträger den Bloggern die Dokumente in dem hochsensiblen und sicherheitsrelevanten Bereich überlassen haben kann, sind Ermittlungen zwingend. Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen hatte also mit der Strafanzeige richtig gehandelt. Ihm vorzuwerfen, er bedrohe damit die Pressefreiheit, ist abwegig.

Ob die veröffentlichten Dokumente nur ein „Dienstgeheimnis“ beinhalteten, dessen Verletzung eine Straftat nach § 353b StGB ist, oder ein „Staatsgeheimnis“ im Sinne des § 93 StGB, bei dem besondere Strafvorschriften gelten und die Generalbundesanwaltschaft für Ermittlungen zuständig ist, bedarf der rechtlichen Klärung. Im konkreten Fall drängt sich jedenfalls keine Zuordnung zur einen oder anderen Rubrik auf. Range musste mithin prüfen, ob es sich um Staatsgeheimnisse handelte. Diese Prüfung durfte nicht deshalb unterbleiben, weil die geheimen Dokumente veröffentlicht wurden und somit auch zu einer Presseangelegenheit wurden.

Generalbundesanwalt Range ist nichts vorzuwerfen


Journalisten können sich hinsichtlich ihrer Informanten auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen. Es ist in der Strafprozessordnung einfachgesetzlich verankert und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sogar grundgesetzlich geboten. Da bei Ermittlungen wegen Landesverrats das Zeugnisverweigerungsrecht nur eingeschränkt gilt, ist auch insoweit die Differenzierung zwischen Dienst- und Staatsgeheimnis bedeutsam. Verlangt sind Gründlichkeit bei der rechtlichen Prüfung und Sensibilität bei möglichen Ermittlungen. Auch sie haben die Pressefreiheit zu achten und dürfen nicht zu ihrer Aushöhlung missbraucht werden. Im Zweifel gebührt der Pressefreiheit Vorrang!

Allerdings genießen Journalisten keine Immunität. Sie stehen nicht über dem Recht, sondern können selbst Beschuldigte sein. In seinem Cicero-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht 2007 Grenzen für die Ermittlungen gegen Journalisten abgesteckt und in Frage gestellt, dass bereits die Veröffentlichung eines Dienstgeheimnisses als Beihilfe zum Geheimnisverrat zu werten ist. Es hat damit die Bedeutung der Pressefreiheit gestärkt.

Freilich gibt es bisher keinen Anlass zu der Vermutung, Generalbundesanwalt Range habe durch Ermittlungen gegen Journalisten den Informantenschutz aushebeln wollen. Er hatte – im Gegenteil – bereits im Mai unter Hinweis auf das „hohe Gut der Pressefreiheit“ entschieden, keine Maßnahmen gegen die verantwortlichen Journalisten einzuleiten. Es bleibt ein Rätsel, was ihm insoweit vorzuwerfen wäre. Dass auch Amtsträger, die Dienstgeheimnisse an Journalisten durchstechen, nun ihrerseits unter den Schutzschirm der Pressefreiheit flüchten können, wird niemand behaupten wollen.

Der übliche Empörungs-Tsunami


Problematisch war nicht das Verhalten des Behördenchefs, sondern das reflexhafte Agieren der Politik. Kaum hatten Medien über das Ermittlungsverfahren berichtet und den Vorwurf einer Einschränkung der Pressefreiheit erhoben, begann der übliche Empörungs-Tsunami, bei dem nicht die gründliche Prüfung des Sachverhalts, sondern die schnelle Schlagzeile und das Festmachen der Schuld bei anderen handlungsleitend waren. Verantwortungsvolle Politik ist verpflichtet, Beamten Rückendeckung für rechtmäßiges Verhalten zu geben, und nicht dem Druck flüchtiger Tagesstimmungen nachzugeben oder ihn durch hektische Absetzbewegungen sogar noch zu verstärken. Just dies geschieht derzeit in geradezu lehrbuchhafter Weise.

Range ist also zuzustimmen, wenn er das Verhalten der Politik kritisiert. Nicht, weil sie – wie er sagte – in die Unabhängigkeit der Justiz eingriff, sondern weil sie rechtmäßigem Verhalten von Beamten die notwendige Unterstützung verweigert, um sich selbst aus der medialen Schusslinie zu nehmen oder anderen Schuld anhängen zu können. So züchtet man in den Behörden Opportunisten und schwächt den Rechtsstaat.

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