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CDU - Bei von der Leyen werden Merkels Waffen stumpf

Mit Ursula von der Leyen kehrt die Ideologie zurück in die Regierungspolitik. Angela Merkel steht vor einer Machtprobe

Autoreninfo

Gertrud Höhler ist Publizistin, Glücksforscherin und Beraterin für Wirtschaft und Politik. Sie studierte Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte.

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Angela und Ursula. Mutti und Röschen. War da nicht noch was? Oh ja, da war noch was. Wenn bis zuletzt der Lorbeer hin- und hergereicht wird, weil beide einen Sieg und beide eine Niederlage eingefahren haben – die niemand so unerschrocken bilanziert wie es dieser Fight der Königinnen verdient, dann haben wir zu früh weggeschaut.

Was hier gezeigt wurde, war eine Erstaufführung in Merkels Theater. Ein Unikat verblüffte uns, für das keine Beispiel aus der Machtgeschichte der Kanzlerin passte: Nicht Guttenberg, nicht Röttgen, nicht Wulff waren die Präzedenzfälle; es gab einfach keinen. Was hier mit verdeckten Karten lief, war die erste todernste Machtprobe am Hofe Merkel. Und die konnte nur stattfinden mit einer Frau.
Das verdeckte Thema ist Merkels Alleinstellungsmerkmal: Die Frage „Wer kann Kanzler“ lautet seit Jahren exakt: „Wer kann Merkel?“

Die Antwort: Merkel kann keiner. Ihre Unverwundbarkeit speist sich aus einer Quelle, die alle anderen Parteien nicht haben. Die Politaufsteigerin par excellence ist ideologieimmun. Da kann keiner mithalten. Nicht die SPD, nicht Grün, nicht Rot, nicht die Liberalen. Sie alle sind mit Bekenntnissen unterwegs, die ihren Spielraum begrenzen – und sie verwundbar machen. Merkel wildert bei ihnen allen; sie ist frei. Daraus folgt auch, was selten bedacht wird: Merkel macht niemanden zum Dieb; sie lebt im Ideenleasing.

Ursula von der Leyen entert Merkels Feldherrenhügel mit einer unwiderstehlichen Grundausstattung: Sie kommt als Ideologin, die ein Bekenntnis verteidigt. Und ein Paradox verbindet beide Frauen: Von der Leyen ist entschlossen, den massiven Verstoß gegen demokratisches Recht zuzulassen, den die staatlich verordnete Quote in der Marktwirtschaft bedeutet. Mit dieser rechtsbrechenden Hybris ist sie ganz nah bei Merkel, die sich regelmäßig über das Gesetz stellt.

Wäre von der Leyen ein Mann, könnte Merkel sie taktisch isolieren. Warum tut sie es nicht? Immerhin ist die Ministerin eine Rivalin, deren Gefährlichkeit soeben rasant zugenommen hat. Merkels Optionenschwund in diesem Fight einer neuen Qualität ist ebenso simpel wie überraschend begründet: Von der Leyen bringt gleich zweifachen Immunschutz mit. „Noli me tangere“ strahlt sie als Frau aus, und ihr ideologischer Kampfruf bindet sie ans gegnerische Lager. Dieser Immun-Mix macht von der Leyen überlegen. Weder kann Merkel ein Oppositionsbekenntnis schreddern, das schon morgen in ihrem Leasingschop auftaucht. Noch kann sie eine Gegnerin ächten, deren Erfolgsgeheimnis es zu studieren gilt: Mit Ursula von der Leyen kommt die Ideologie zurück in die Regierungspolitik.

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Das Testimonial der Ministerin ist nicht einfach ein nachbarlicher Zuruf ins gegnerische Lager. Kaum abgesetzt, weckt dieser neue Losungsruf auch Sympathien im Regierungslager.
Die ideologiefreie Durststrecke mit Merkel hat den Hunger auf Glaubenssätze ohne Intelligenzkontrolle wachgeklopft.

Darum war es großes Drama, was da lief, und genau darum gab es am Ende keine Einigung, wer als Siegerin vom Platz ging: Merkel erlebte den Super-GAU ihrer Unverwundbarkeit. Es half ihr erstmals überhaupt nicht mehr, an nichts zu glauben was die anderen in Atem hält. Hier kam eine, die das Paradox erfüllte, dem Merkel aus dem Wege gehen müsste: Ursula von der Leyen lässt sich nicht von ihrem Thema trennen. Merkel hat keine Wahl: Sie muss beide nehmen. Von der Leyen praktiziert Marshall McLuhan: The medium ist the message. Das Medium ist die Botschaft.

Diese Gegnerin ist, was sie sagt. Das ist nicht Merkels Welt. Wenn es obendrein noch eine Frau ist, die so daherkommt, werden alle Merkelwaffen stumpf. Nach Lage der Dinge könnte es eine Frau sein, die Merkel aus dem Sattel hebt. Ja, da war noch was, als das Unentschieden zum Kampf der beiden Frauen verkündet wurde.

Das Fazit lautet: Frau mit Bekenntnis zwingt Frau ohne Bekenntnis ein Unentschieden auf. Heute. Und morgen? Die Krise macht Appetit auf Ideologie.
Von der Leyen liefert die Heldenrolle für diese Lust auf Eindeutigkeit: Sie lässt sich von ihrem Thema nicht trennen. Sie liefert das Profil der Überzeugungstäterin, ein knappes Gut.
Mit von der Leyen kommt ein neuer Modus der Macht: Glamour mit Pathos, Intelligenz, unterfüttert mit Leidenschaft. Startkapital für eine andere europäische Währung.

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