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10 Jahre WASG - Die Rot-Rot-Grün-Verhinderer

Vor 10 Jahren wurde in Berlin die „Wahlalternative für Soziale Gerechtigkeit“ gegründet. Die WASG ist längst wieder Geschichte, aber ihr ideologischer Geist wirkt fort und verhindert die Annäherung von SPD und Linken

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Es war ein kleines Häufchen sozialdemokratischer Gewerkschafter, das sich am 5. März 2004 im Haus des DGB in Berlin traf. Sie träumten im schönsten Funktionärsdeutsch von einer „neuen politischen Formation“, schätzen ihr Wählerpotenzial auf zwanzig Prozent und wollten nicht weniger als die „weitere Rechtsentwicklung der SPD“ stoppen. Ihr Unmut über die Politik der rot-grünen Bundesregierung war groß, die Agenda 2010 war für sie Ausdruck eines „neoliberal geprägten Umbaus der Gesellschaft“.

Genau zehn Jahre liegt die Gründung der Wahlalternative für soziale Gerechtigkeit (WASG) zurück. Die Öffentlichkeit nahm von dem Treffen und dem Aufruf zur Gründung einer Wahlalternative damals zunächst kaum Kenntnis. Die taz nannte die Initiatoren „Altmeister der Heiße-Luft-Produktion“, die FAZ prophezeite der Wahlalternative „wenig Chancen“. Das damalige SPD-Präsidiumsmitglied Andrea Nahles erklärte, Überlegungen zur Gründung einer neuen Partei seien „ziemlicher Unsinn“, sie glaube nicht daran, dass es dazu kommen werde.

So kann man sich irren, der Rest der Geschichte ist bekannt.

Der Geist der WASG dominiert weiterhin die Politik der Linken
 

Innerhalb kürzester Zeit mischte die WASG die deutsche Politik auf. Sie spaltete die SPD, eine ganze Reihe mittlerer Gewerkschaftsfunktionäre lief zu der neuen Partei über, auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine schloss sich dieser an. Drei Jahre später fusionierte die WASG mit der PDS zur Partei „Die Linke“ und verschob so nachhaltig die Koordinaten im bundesdeutschen Parteiensystem.

Zweifelsohne gehört die WASG, auch wenn sie nur ein recht kurzes Leben hatten, zu den sehr wenigen erfolgreichen Parteigründungen in der bundesdeutschen Geschichte. Die WASG hauchte erst der ostdeutschen Regionalpartei PDS, die 2002 aus dem Bundestag geflogen war, neues Leben ein und verschaffte anschließend der neuen Partei „Die Linke“ eine westdeutsche Basis.

Doch auch wenn die WASG als Partei längst wieder Geschichte ist, dominiert ihr ideologischer Geist bis heute die Politik der Linken und verhindert eine rot-rote Annäherung. Die Partei hat es in den letzten sieben Jahren nicht geschafft, sich vom SPD-Hass der WASG-Gründer und von deren engem politischen Weltbild zu emanzipieren. Die Linke hat es nicht geschafft jenseits einer traditionellen Gewerkschaftsorientierung, der Ablehnung von Hartz IV und der Forderung nach einer 75-prozentigen Millionärssteuer  ein modernes linkes politisches Projekt zu formulieren. Wie einst die WASG definiert sich die Linke stattdessen bis heute fast ausschließlich in Abgrenzung zur SPD.

Die Union sollte sich bei der WASG bedanken
 

Die „weitere Rechtsentwicklung der SPD“ bleibt also auch zehn Jahre nach Gründung der Wahlalternative das Lebenselixier der Linken.  So gesehen ist die Große Koalition für die Linke ein Glücksfall.

Wenn sich die Gründer der WASG also in diesen Tagen zur Geburtstagsparty treffen und sich gegenseitig stolz auf die Schulter klopfen, dann sollte es sich eigentlich auch die CDU nicht nehmen lassen, ein Glückwunschtelegramm zu schicken. Denn dank WASG gewann die Union nicht nur die Bundestagswahl 2005, sondern sie gewann auch ihre 1998 verlorene hegemoniale Stellung im Parteiensystem zurück. Und auch wenn sich SPD und Linke derzeit intensiv darum bemühen, ihr Verhältnis zu normalisieren, sieht es nicht danach aus, als würde sich daran etwas ändern.  Auf die Rot-Rot-Grün-Verhinderer, die vor zehn Jahren von der SPD erst zur WASG und dann zur Linken wechselten, wird Verlass sein.

 

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