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Terror überschattet BND-Spionage - Ausspähen von Freund und Feind

Kolumne: Leicht gesagt. Als öffentlich wurde, dass der BND u.a. den französischen Außenminister abgehört haben soll, standen die Weichen auf Reform des Nachrichtendienstes. Doch dann kam Paris: Die Anschläge liefern jenen Sicherheitspolitikern nun Argumente, die weiterhin möglichst unkontrolliert ausspähen lassen wollen

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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„Das ist ein heikler Besuch heute Abend in Paris.“ So fing um 19 Uhr der „heute“-Beitrag im ZDF an, der die Begrüßung zwischen Frank-Walter Steinmeier mit seinem französischen Kollegen Laurent Fabius zeigte. Das war gute drei Stunden vor dem IS-Attentat und ohne Vorahnung, wie furchtbar dieser Abend enden sollte.

Einen thematischen Zusammenhang gibt es aber durchaus. Denn heikel begann der Besuch, weil Fabius wohl vom deutschen Geheimdienst abgehört wurde und umgehend Aufklärung verlangte. Steinmeier kündigte diese zerknirscht an. Denn es sagte sich zu dieser Stunde noch leicht, dass wir unser BND-Gesetz von Grund auf liberalisieren wollen.

In Berlin hatte sich die Große Koalition auf Konsequenzen geeinigt, nicht ahnend, dass dieser Freitag der 13. ganz anders in die Geschichte eingehen wird.  Die SPD war in Siegerlaune. Der Satz der Kanzlerin, Ausspähen unter Freunden geht gar nicht, müsse sich verstärkt in der Arbeit des BND abbilden, freute sich der Innenpolitiker Burkhard Lischka. „Dafür brauchen wir klare gesetzliche Regelungen. Und die werden wir jetzt schaffen.“  

BND half NSA beim Ausspähen von Frankreich und EU-Kommission
 

Lischka sitzt im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr). Er kennt die lange Liste derer, die der Bundesnachrichtendienst über Fabius hinaus abgehört haben soll. Darunter sogar der deutsche Diplomat Hansjörg Haber, aber auch Botschaften aus EU-Ländern sowie das amerikanische Außenministerium, das Kinderhilfswerk UNICEF, das FBI und auch den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag.

Diese Liste kam aber nicht etwa von der Bundesregierung, sondern das Kontrollgremium hat selbst recherchieren lassen. Dementsprechend groß war der Zorn, etwas nachträglich erfahren zu haben, was das geheim Tagende Gremium längst hätte wissen müssen.

Die SPD konnte nun wirklich Druck machen. Bereits im Juni hatte sie ein Positionspapier vorgestellt zur Renovierung des BND. Nun wollte sie Taten sehen. Bislang zögerte die Union. Doch dann stellte sie der Koalitionspartner intern vor das Dilemma: Entweder wir fordern jetzt den Kopf des BND-Präsidenten Schindler. Oder ihr, liebe Union, pariert.

Die entscheid sich für Letzteres: „Wir sind uns grundsätzlich darüber einig, dass wir die parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste reformieren werden“, sagte Clemens Binninger, Union-Mitglied des PKGr, dem ZDF. Details müssten allerdings noch besprochen werden.

Ausspionieren von Freunden bisher nicht illegal
 

Nun freute sich die SPD, dass fortan im BND-Gesetz ganz konkret verboten werden soll, dass befreundete Staaten nicht ausspioniert werden dürfen. Bisher nämlich ist das de jure nicht illegal. In §1, Absatz 2 heißt es bislang bloß: „Der Bundesnachrichtendienst sammelt zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die erforderlichen Informationen und wertet sie aus.“ Welches Ausland? Egal. Hauptsache von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung.

Nun könnte durch den Angriff auf Paris eben diese geplante Einschränkung wieder in Frage gestellt werden. Besonders, wenn sich herausstellen sollte, dass der französische Geheimdienst Warnungen Dritter in den Wind schlug.

Das heißt jedoch nicht, das BND-Gesetz unverändert zu lassen. Gesucht wird eine neue Form der parlamentarischen Kontrolle darüber, was der Geheimdienst treibt. Und hier sind sich Regierung und Opposition zumindest darin einig, dass es zumindest eine Person geben sollte, die für das Parlament informiert wird und die Informationen den Zuständigen und zur Geheimhaltung weitergibt.

SPD und Union sprechen von einem Bevollmächtigten, genauer noch: einem ständigen Beauftragten. Der solle fünf Jahre im Amt sein, wohl keine bis dahin öffentliche Figur. Eher eine Art Richter oder Wehrbeauftragter. Seine Aufgabe soll sein, das PKGr sowie die G-10-Kommission und auch das sogenannte Vertrauensgremium zu koordinieren. Denn das sind bislang drei untereinander völlig getrennte parlamentarische Stellen, die sich gegenseitig nichts über ihre jeweilige Erkenntnis berichten dürfen.

Das PKGr soll die Geheimdienste inhaltlich kontrollieren. Die G-10-Kommission ist ein unabhängiges Gremium des Bundestags und wird dann eingeschaltet, wenn der Geheimdienst in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis eingreifen will, unter Berufung auf Artikel 10 des Grundgesetzes, deshalb die Bezeichnung G 10. Sie besteht aus vier Mitgliedern, die vom PKGr für die Geheimdienste eingesetzt werden. Das Vertrauensgremium soll die Ausgaben beaufsichtigen.

Opposition will mehr
 

Der Opposition reicht aber nicht, dass künftig nur eine übergeordnete Person an der Spitze steht. Sie fordert Machtbeschneidung beim BND. Da brauche es weniger Befugnisse, sagt die Linke. Für die Grünen, vor allem für deren altbewährten PKGr-Mann Hans-Christian Ströbele ist entscheidend, „dass diese Person nicht nur einfach von der Regierung eingesetzt wird oder von der Mehrheit, sondern dass die Opposition mit beteiligt ist“.

Weil konkrete Gesetze jedoch erst im kommenden Jahr beraten werden, könnte ein echter BND-Beauftragter frühestens 2017 seine Arbeit aufnehmen.

Die Bundesregierung hat nun eben angeboten, die BND-Selektoren, also deren auszuspähende Telefonnummern und Mailadressen, den Obleuten und dem Vorsitzenden des NSA-Ausschusses zur Kenntnis zu geben. Der soll sich ab Montag ein Bild von den angeblichen Ausspähungen des BND bei befreundeten Staaten machen können.

Das kompliziert die Lage zusätzlich, und es wirkt so, als geschehe das nicht ohne Absicht. Denn dadurch wird die Frage gestellt, ob das PKGr überhaupt als Kontrolleur für die Freundes-Spionage des BND zuständig ist. Oder ob das nicht in die Hände des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag gehört. Der NSA-Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg von der CDU sagt bereits, die PKGr-Kollegen seien nur dann zuständig, wenn die Ausspähziele reine BND-Selektoren sind - ohne Bezug zu den Geheimdiensten von Großbritannien, Kanada, Australien, Neuseeland und den USA. Denn es sei schließlich Aufgabe seines Ausschusses.

Diese Zuständigkeitsfechterei, bei der es ja nur um Aufklärung der Aufklärer im Rückblick geht, zeigt, wie sehr auch noch um künftige Zuständigkeit gestritten werden wird. Der Anschlag von Paris hat jenen Sicherheitspolitikern Argumente geliefert, die am liebsten weiterhin möglichst unkontrolliert ausspähen lassen wollen – ohne Unterscheidung von Freund und Feind. Es ist deshalb noch nicht ausgemacht, dass Deutschland im kommenden Jahr wirklich ein rundum liberalisiertes BND-Gesetz bekommt.

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