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Diskussion um John Cryan - Warum ein Brite der Richtige an der Spitze der Deutschen Bank ist

Der Brite John Cryan wird neuer Chef der Deutschen Bank. Schon wieder kein Deutscher, schon wieder ein Managertyp, hört man Bürger und Politiker klagen. Sie sehen in der Deutschen Bank immer noch eine Art Supersparkasse und übersehen, dass international ganz andere Herausforderungen warten. Dafür ist Cryan der Richtige

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Nach dem überraschenden Rücktritt der beiden Co-Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, kommt mit John Cryan wieder ein Ausländer als neuer Vorstandschef nach Frankfurt an die Spitze von Deutschlands wichtigster Bank. Schon hört man wieder die deutschtümelnden Mahner, mit dem Briten Cryan werde das Institut am riskanten Investmentbanking festhalten. Es sei kein richtiger Neuanfang, heißt es in den Kommentaren, sofort wird wieder die Frage aufgeworfen, ob Cryan ausreichende Deutschkenntnisse aufzuweisen hat. Zur Beruhigung der ewigen Bedenkenträger, er spricht deutsch, aber das ist überhaupt nicht entscheidend.

Entscheidend ist auch nicht, ob Jain und Fitschen wirklich ganz freiwillig ihren Rücktritt angeboten haben oder von Aufsichtsratschef Paul Achleitner vor die Tür gesetzt wurden.

Hausbank der deutschen Wirtschaft
 

Viel wichtiger ist dagegen, dass Deutschland als größte Wirtschaftsmacht Europas auch in Zukunft über ein Geldinstitut von Weltrang verfügt. Über eine Hausbank für die deutsche Wirtschaft, die ihre Kunden auf allen Märkten rund um den Globus beraten kann. Eine Alternative zur Deutschen Bank gibt es nicht. Die Commerzbank ist viel zu klein und die Hypovereinsbank nicht mehr deutsch.

Eine Hausbank der deutschen Wirtschaft braucht aber auch einen konkurrenzfähigen Investmentbankingbereich. Wenn Politik und Bürger dagegen von der Deutschen Bank erwarten, dass sie eine Art Supersparkasse ist, die vom kleinen Privatkunden bis zum Großkonzern alle günstig berät und im Krisenfall ein kompetenter Ansprechpartner für die Bundesregierung in Berlin ist und gleichzeitig hohe Renditen verdient, die die Investoren glücklich machen, dann erliegen sie einer Illusion.

Die Deutsche Bank hat nur eine Chance gegen die Konkurrenten der Wall Street, wenn sie sich aufs Großkundengeschäft konzentriert. Das heißt nicht, dass sie sich vom Privatkundengeschäft komplett trennen muss, aber die erst 2008 erworbene Postbank passt eben nicht mehr dazu. Man kann den Verantwortlichen diesbezüglich Kurzsichtigkeit vorwerfen, aber die Regeln für Banken haben sich seit 2008 elementar verändert. Wer als internationale Investmentbank mit Goldman Sachs und Co. mitmischen will, muss mehr Eigenkapital vorhalten als die Postbank, deren Konkurrenten die Sparkassen sind, die lediglich die Einlagen ihrer Kunden verwalten. Insofern ist die von Fitschen und Jain entwickelte Zukunftsstrategie 2020 richtig, auch wenn bis dahin noch einige Altlasten aus der Zeit vor der Finanzkrise beseitigt werden müssen.

Vertrauensverlust in Deutsche Bank
 

Richtig ist aber auch, dass Aufsichtsrat, Kunden, Investoren und die Politik das Vertrauen in die Deutsche Bank und deren Führung in den vergangenen Monaten verloren haben. Ihr öffentliches Image ist desaströs: In 7000 Rechtsstreitigkeiten ist die Bank derzeit verwickelt, sie musste eine Milliardenstrafe zahlen wegen der Manipulation von Zinssätzen, ein Steuerverfahren wegen der Beteiligung an dubiosen Geschäften mit CO2-Emissionszertifikaten läuft und die internationalen Aufsichtsbehörden haben die Bank wegen mangelnder Transparenz und fehlender Kooperation heftig kritisiert.

Man muss nun eingestehen, dass besonders Anshu Jain den von ihm und Fitschen propagierten Kulturwandel seit seinem Amtsantritt nie hat überzeugend vertreten können. Denn fast alle Verfehlungen der Vergangenheit, die die Bank Milliarden Euro an Strafen kosten, haben sich in dem von ihm verantworteten Bereich des Investmentbanking in London abgespielt.

Dass Jürgen Fitschen in der ewigen Causa Kirch nun wegen versuchten Prozessbetrugs in München vor Gericht steht, hat in puncto Glaubwürdigkeit und Vertrauen auch nicht gerade geholfen. Das desaströse Abstimmungsergebnis bei der Hauptversammlung im Mai, als Fitschen mit lediglich 60 Prozent der Stimmen der anwesenden Aktionäre entlastet wurde, hat allen Beteiligten gezeigt, dass es ein „Weiterso!“ mit dem bisherigen Topmanagement nicht geben kann.

Cryan hat Stallgeruch
 

Mit John Cryan hat Aufsichtsratschef Paul Achleitner nun einen Kandidaten präsentiert, der sofort die erarbeitete Zukunftsstrategie 2020 umsetzen kann. Der Brite saß bisher im Aufsichtsrat der Deutschen Bank und ist daher mit allen relevanten Themen des Hauses vertraut.

Der erfahrenen Banker, der international bestens vernetzt ist, hat schon als Finanzvorstand der Schweizer Großbank UBS zwischen 2008 und 2011 unter Beweis gestellt, dass er einen Kulturwandel erfolgreich mitgestalten kann. Sein größtes Plus ist aber, dass er seinen Job als Chef der Deutschen Bank mit weißer Weste und völlig frei von irgendwelchen Altlasten beginnen kann.

In diesem Sinne kann man daher sagen: Weiter so, Deutsche Bank!

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